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Liebe Kolleginnen und Kollegen,

die Einführung der intravitrealen Injektion von Hemmstoffen des vaskulären endothelialen Wachstumsfaktors (VEGF) als wirksames Mittel zur Therapie von Patienten mit neovaskulärer Altersbedingter Makuladegeneration (nAMD) war ein Quantensprung für die Medizin und eine der zentralen Erfolgsstories der Augenheilkunde der letzten zwei Jahrzehnte. Und so war es nur eine Frage der Zeit, bis mit neuen Wirkstoffen wie den Anti-Komplement-Therapien auch für jene Patienten eine Therapieoption angeboten werden sollte, denen aufgrund ihrer Geografischen Atrophie (GA) als Sonderform der AMD eine Behandlungsoption bisher versagt geblieben war. Die kürzliche Zulassung von Pegcetacoplan und Avacincaptad durch die US-amerikanische Food and Drug Administration (FDA) markiert dabei einen bedeutenden Schritt. Diese Therapien sind die ersten ihrer Art, die speziell für GA zugelassen wurden und Hoffnung auf eine Verlangsamung des Krankheitsverlaufs bieten. Doch die Ergebnisse der zugrundeliegenden klinischen Studien werfen auch wichtige Fragen auf, die nicht zuletzt für die Zukunft der GA-Forschung und -Therapie von zentraler Bedeutung sind. Hierzu zählt insbesondere der Zweifel an der tatsächlichen Wirkung dieses Therapieansatzes, der mit der Ablehnung der Marktzulassung für Pegcetacoplan (SYFOVRE) zur Behandlung der GA durch die Europäische Arzneimittelbehörde (EMA) seinen vorläufigen Höhepunkt gefunden hat. Dabei wurde insbesondere angemerkt, dass sich der Nutzen einer Behandlung auf die alltäglichen Funktionen der Patienten auswirken sollte, was in den Studien nicht nachgewiesen worden sei.

Exakt mit dieser Fragestellung und weit darüber hinaus befaßt sich die in dieser Ausgabe von Kompass Ophthalmologie vorgestellte, hochinteressante Arbeit der US-amerikanischen Arbeitsgruppe um Karl Csaky: Bieten die derzeitigen Anti-Komplement-Therapien, deren Zulassung durch die FDA auf einem anatomischen Endpunkt, nämlich der zweifelsohne bemerkenswerten Reduktion der GA-Ausdehnung über die Zeit basierte, tatsächlich klinisch relevante Vorteile? Und reichen die genetischen Grundlagen der AMD und der Rolle des Komplementsystems in der Krankheitsentstehung aus, um das Targeting des Komplements als primäre Behandlungsstrategie bei GA zu unterstützen? Oder sollten alternative molekulare Ziele in Betracht gezogen werden sollten, um effektivere Behandlungsmöglichkeiten zu entwickeln? Auf anschauliche und auch für den Nicht-Grundlagenforscher verständliche Art und Weise befassen sich Csaky et al. mit der Frage, warum die anatomischen Verbesserungen nicht zu funktionellen Verbesserungen führten und welche Lehren daraus für die Gestaltung zukünftiger klinischer Studien gezogen werden können.

Neben der GA zählt zweifelsohne auch die submakuläre Blutung zu den gefürchteten klinischen Ereignissen, die uns in der Behandlung der AMD vor große Herausforderungen stellen. Und so befasst sich die zweite in dieser Ausgabe vorgestellte, von der italienischen Arbeitsgruppe um Daniele Veritti verfasste Arbeit mit submakulären Blutungen (SMH) im Zusammenhang mit der neovaskulären altersbedingten Makuladegeneration (nAMD). Denn trotz der Schwere dieses meist mit einem erheblichen Verlust an Sehfähigkeit und Lebensqualität einhergehenden Ereignisses variieren die Behandlungsansätze weiterhin erheblich, was die Notwendigkeit einer fundierten Bewertung der verfügbaren Therapieoptionen unterstreicht. In einer systematischen, nach den PRISMA-Richtlinien durchgeführten Übersichtsarbeit und Metaanalyse, analysieren Veritti et al. 22 Studien, die sich mit der kombinierten Anwendung von rekombinantem Gewebeplasminogenaktivator (rt-PA) und Anti-VEGF-Therapien als vielversprechende Behandlungsmethode bei nAMD-assoziierten SMH beschäftigten. Die in dieser Analyse vorgestellten Erkenntnisse bieten dem Leser wichtige, für die klinische Praxis relevante Informationen und beantworten z.B. die Frage, inwieweit der Ort der Verabreichung von rt-PA und Anti-VEGF Wirkstoffen einen Einfluss auf die Behandlungsergebnisse hat.

Insgesamt erwartet also vor allem die in Klinik und Praxis tätigen Kolleginnen und Kollegen ein spannendes Paket aus Informationen und Analysen, das dabei helfen soll, die tägliche Routine in der Behandlung von Erkrankungen des hinteren Augenabschnitts etwas leichter bewältigen und Erwartungen an das klinisch Machbare besser einschätzen zu können.

Ich wünsche Ihnen viel Spaß bei der Lektüre unserer Auswahl!