Abstract
Ziele: Die Beurteilung der biologischen Wirkungen Konservierungsmittel-freier Fluorchinolon-Augenlösungen auf Zellkulturen menschlichen Hornhaut-Epithels in vitro.Methoden: Wir untersuchten die Auswirkung von topischen Fluorchinolonen verschiedener Generationen, wie Ofloxacin 0,3%, Levofloxacin 0,5%, Tosufloxacin 0,3%, Moxifloxacin 0,5% und Gatifloxacin 0,3%, auf gezüchtete menschliche Hornhaut-Epithelzellen. Die Untersuchung erfolgte mittels MTT-basiertem kalorimetrischem Assay, Laktatdehydrogenase(LDH)-Leakage-Assay und Scratch-Wound-Assay. Die Morphologie der Hornhaut-Epithelzellen wurde mittels inverser Lichtmikroskopie und Transmissionselektronenmikroskopie untersucht.Ergebnisse: Bei allen topischen Fluorchinolonen ging die metabolische Aktivität der Hornhaut-Epithelzellen zeitabhängig zurück, und der LDH-Titer stieg mit zunehmender Dauer der Wirkstoffexposition. Insbesondere nach einer Exposition gegenüber Moxifloxacin 0,5% und Gatifloxacin 0,3% war ein signifikanter Anstieg der LDH-Titer im Vergleich zu den Kontrollen festzustellen. Die Migrationsraten der Hornhaut-Epithelzellen waren bei Ofloxacin 0,3% und Levofloxacin 0,5% höher als bei den anderen Fluorchinolonen. Nach einer Exposition gegenüber Moxifloxacin 0,5% und Gatifloxacin 0,3% waren schwere morphologische Schäden an den Zellen zu beobachten.Schlussfolgerung: Da Moxifloxacin 0,5% und Gatifloxacin 0,3% eine stärkere toxische Wirkung auf die Hornhaut-Epithelzellen ausübten als die anderen Fluorchinolone, sind diese Fluorchinolon-Augenlösungen der 4. Generation nur nach sorgfältiger Abwägung im Hinblick auf die mögliche Schädigung des Hornhaut-Epithels bei langer Behandlungsdauer oder zu hoher Dosierung anzuwenden.Übersetzung aus Ophthalmic Res 2014;51:216-223 (DOI: 10.1159/000357976)
Originalartikel
Effects of Fluoroquinolone Eye Solutions without Preservatives on Human Corneal Epithelial Cells in vitro
Boo Sup Oum Na Mi Kim Jong Soo Lee Young Min Park
Department of Ophthalmology, School of Medicine, Pusan National University and Medical Research Institute, Pusan National University Hospital, Pusan, Südkorea
Transfer in die Praxis
Unter den topischen Antibiotika, die in der Augenheilkunde Anwendung finden, nehmen Fluorchinolone einen Spitzenplatz in der Verschreibungshäufigkeit ein. Dies ist auf ihr breites Wirkspektrum bei vergleichsweise guter Verträglichkeit bzw. ihre geringen Nebenwirkungen an der Augenoberfläche zurückzuführen. Fluorchinolone wirken über eine Hemmung der bakteriellen Gyrase; bei neueren Vertretern werden auch weitere erregerspezifische Enzyme gehemmt.
Breite Anwendung finden insbesondere Fluorchinolon-Vertreter der 2. und 3. Generation; in Deutschland sind dies Ofloxacin und Levofloxacin. Auch Vertreter der 4. Generation wie Moxifloxacin sind mittlerweile fester Bestandteil der augenheilkundlichen antibiotischen Therapie. Verschiedene grampositive Keime wie Staphylococcus aureus, Streptococcus viridans und Streptococcus pneumoniae zeigen eine erhöhte Moxifloxacin-Sensitivität. Das Spektrum der neueren Fluorchinolone deckt auch einige atypische Erreger ab, die sogenannte Pseudomonas-Lücke besteht aber weiterhin.
Bei der Anwendung von topischen Antibiotika bei Patienten mit bakteriellen Hornhaut-Ulzera spielt neben der Breite des Wirkspektrums auch die Verträglichkeit in Bezug auf das Hornhaut-Epithel eine entscheidende Rolle für die Defektheilung.
Die Autoren Oum et al. haben in Zellkultur-Versuchen mit Hornhaut-Epithelzellen deren Metabolismus und mögliche Zellschädigungen unter dem Einfluss verschiedener Fluorchinolone untersucht. Unter anderem wurden hier die auch in Deutschland verwendeten Vertreter Ofloxacin 0,3%, Levofloxacin 0,5% und Moxifloxacin 0,5% hinsichtlich ihrer Wirkung auf Hornhaut-Epithelzellen in der Zellkultur verglichen. Darüber hinaus wurden auch die in Deutschland nicht vertriebenen Fluorchinolone Tosufloxacin 0,3% und Gatifloxacin 0,3% untersucht.
Zum einen konnten die Autoren mit einem MTT-Test zeigen, dass der Metabolismus der Zellen durch die früheren Fluorchinolon-Generationen weniger intensiv beeinträchtigt wurde als durch Moxifloxacin. Darüber hinaus wurde durch die Messung der Laktatdehydrogenase (LDH) im Kulturmedium die Zelltoxizität der einzelnen Antibiotika analysiert. Das im Zytosol der Zellen vorkommende Enzym wird bei einer Schädigung der Zellmembran freigesetzt und kann dann im Kulturmedium nachgewiesen werden. So konnte eine im Vergleich mit Levofloxacin und Ofloxacin deutlich erhöhte Zytotoxizität von Moxifloxacin festgestellt werden.
Ähnliches zeigte sich für die Migrationsfähigkeit der Zellen. Auch hier war im Gegensatz zum Einfluss von Levofloxacin und Ofloxacin eine deutliche Reduktion der Migrationsfähigkeit kultivierter Hornhaut-Epithelzellen nach der Zugabe von Moxifloxacin erkennbar.
Elektronenmikroskopische Untersuchungen der Epithelzellen zeigten einen gravierenden schädigenden Einfluss von Moxifloxacin; dabei traten vergrößerte Mitochondrien, ein Verlust von Mikrovilli und die Margination von Chromatin als ein morphologisches Charakteristikum der Apoptose auf.
Die Autoren der hier vorgestellten Studie haben in deren Rahmen ausschließlich Formulierungen der Medikamente ohne Konservierungsmittel verwendet. Der zusätzliche negative Effekt auf die Wundheilung durch Konservierungsmittel wurde in dieser Untersuchung also nicht erfasst.
Fazit
Für den Umgang mit bakteriellen Hornhaut-Ulzera in der klinischen Praxis lässt sich aus den Ergebnissen von Oum et al. ableiten, dass bei der Anwendung neuerer Fluorchinolone wie Moxifloxacin besonderes Augenmerk auf persistierende Wundheilungsstörungen gelegt werden sollte. Besteht trotz Besserung des bakteriellen Infiltrats weiterhin ein Oberflächendefekt der Hornhaut, sollte ein Wechsel auf Konservierungsmittel-freie Fluorchinolone der 2. oder 3. Generation in Erwägung gezogen werden. Diesen sollte auch bei Vorliegen eines Antibiogramms, das die Sensibilität der Keime auf Levofloxacin oder Ofloxacin belegt, der Vorzug gegeben werden.