Zweck: Bestimmung des Verhältnisses zwischen glaukomatös bedingtem Gesichtsfeldverlust und der Amplitude eines 24-Stunden Augeninnendruckprofils, gemessen mit einer drucksensitiven Kontaktlinse. Methode: In dieser Beobachtungsstudie wurden 22 Patienten mit Glaukom und einem Augeninnendruck ≤21 mm Hg während des Tages eingeschlossen. Alle Teilnehmer erhielten Goldmann-Augeninnendruckmessungen, Statische Weiß-auf-Weiß-Perimetrien (SAP), Fundusuntersuchungen bei weiter Pupille und Messungen mit einer drucksensitiven Kontaktlinse. Eine Cosinusfunktion wurde verwendet, um höchste (Acrophase) und niedrigste (Bathyphase) Werte der gemessenen Amplitude zu bestimmen. Vorherige Veränderungsraten der mittleren Abweichung im Gesichtsfeld wurden berechnet und mit den durch die Kontaktlinsen gemessenen Parametern verglichen. Ergebnisse: Die Patienten waren im Durchschnitt 66,6 ± 8,2 Jahre alt (Bereich: 54-89 Jahre). Die durchschnittliche Nachbeobachtungsphase betrug 6,6 ± 5,0 Jahre mit durchschnittlich 8,3 ± 3,2 zuverlässigen SAP-Untersuchungen. Die mittlere Veränderungsrate der SAP betrug -0,86 ± 1,0 dB (Bereich: -0,11-2,12 dB) pro Jahr. Eine Regressionsanalyse ergab Hinweise auf eine schnellere Progression bei Augen mit einer höheren Amplitudenvariation, jedoch erreichte die statistische Analyse keine ausreichende Signifikanz (R2 = 0,174, p = 0,053). Anhand der Kontaktlinsenmessungen konnte man klar Schlaf- und Wachperioden unterscheiden. 59,1% der Augen hatten eine nächtliche Acrophase mit den höchsten Werten zwischen 23 Uhr und 7 Uhr. Es konnten keine signifikanten Unterschiede der Veränderungsraten beim Gesichtsfeld zwischen Patienten mit nächtlicher oder tageszeitlicher Acrophase aufgezeigt werden (-0,71 ± 1,17 bzw. -1,07 ± 0,84 dB/Jahr, p = 0,437). Zusammenfassung: Die Messungen mit der drucksensitiven Kontaktlinse bei Patienten mit Normaldruckglaukom (definiert auf Basis der Tagesmessungen) ergaben, dass etwa 60% aller Patienten den höchsten Augeninnendruck während der Nachtstunden hatten, was durch die tageszeitlichen Messungen mit der üblichen Goldmann-Applanationstonometrie nicht erfasst werden kann. Als neuer Parameter bietet sich die Messung mit der drucksensitiven Kontaktlinse an, mit der man möglicherweise das Risiko für Gesichtsfeldveränderungen bei Glaukom-Patienten bestimmen könnte.

Hintergrund

Aus den meisten modernen Definitionen der Glaukomerkrankung ist der «Augeninnendruck» verschwunden, denn das Glaukom wird definiert als progressive Neurodegeneration des Nervus opticus. Der erhöhte Augeninnendruck wird lediglich, wenngleich als wichtiger, Risikofaktor angesehen. Dazu trug nicht zuletzt bei, dass es auch Patienten mit typischem Glaukomschaden gibt, deren Augeninnendruckwerte niemals außerhalb des statistischen Normwerts gemessen wurden. Allerdings gaben Messungen in Schlaflaboren schon lange Hinweise darauf, dass die höchsten Augeninnendruckwerte, sowohl bei den meisten gesunden Probanden als auch bei Glaukompatienten, während der Nacht auftreten und nicht tagsüber, also mit den üblichen Messungen nicht erfasst werden. Daher ist es von großem Interesse, den Augeninnendruck über 24 h zu messen. Dies gelingt bisher allenfalls in Kliniken und auch dort nur teilweise, denn eine kontinuierliche Augeninnendruckmessung ist bisher nur mittels experimenteller Intraokularlinsen mit Druckmonitoren möglich. So bleibt auch heute das Verhalten des Augeninnendrucks weitgehend terra incognita: Von 86 400 s eines Tages messen wir allenfalls eine Handvoll!

Studienergebnisse

Schon seit einigen Jahren ist eine drucksensitive Kontaktlinse erhältlich (SENSIMED Triggerfish®, SENSIMED AG, Lausanne, Schweiz), welche in dieser Studie verwendet wurde (Abb. 1) [1,2]. Die Ableitung der Kontaktlinse, die in drei verschiedenen Größen erhältlich ist und direkt auf die Hornhaut appliziert wird, ergibt eine Amplitude, die so fein ist, dass man sogar meint, Pulsschläge zu erkennen. Für diese Studie wurden 22 Patienten mit Normaldruckglaukom über einen längeren Zeitraum beobachtet, bevor die Kontaktlinse bei ihnen angewendet wurde. Die erzeugte Amplitude wurde daraufhin zu der vorherigen Progressionsrate des Gesichtsfeldes ins Verhältnis gesetzt.

Es zeigte sich der Trend, dass bei den Patienten, bei denen eine zuvor ermittelte schnellere Progression der Gesichtsfeldverschlechterung festgestellt wurde, auch die größeren Spitzen in der elektrischen Amplitude auftraten. Dabei spielte es keine Rolle, ob diese Spitzen während des Tages oder während der Nacht auftraten. Die statistische Auswertung zeigte allerdings auch in Bezug auf die Korrelation von Amplitude und Progressionswerten eine gerade eben nicht mehr statistisch signifikante Assoziation auf dem 5%-Niveau.

Kritik

Die Gesamtzahl der Patienten von 22 war zu gering bemessen, eine größere Anzahl von Auswertungen hätte möglicherweise ausgereicht, um einen statistisch signifikanten Unterschied aufzuzeigen. Allerdings erscheint auch das 5%-Fehlerniveau willkürlich gewählt.

Die Rolle des Augeninnendrucks bei der Glaukomgenese ist immer noch umstritten. Allerdings kann es keinen Zweifel geben, dass die Senkung des Augeninnendrucks zu einer Verlangsamung der Progression des Glaukoms führt [3,4]. Das gilt auch für Patienten mit einem Augeninnendruck im statistischen Normalbereich (Normal-Tension Glaucoma Study Group). Diese Studie bietet nun einen weiteren Hinweis darauf, dass auch die Fluktuation des Augeninnendrucks, und zwar gemessen über 24 h, eine Rolle für die Progression spielen könnte. Die Beweise bleiben aber schwach, weil eine statistische Signifikanz nicht erreicht wurde, und weil es sich darüber hinaus um eine retrospektive Studie handelt mit all ihren Einschränkungen. Der größte limitierende Faktor bleibt aber, dass die von der Kontaktlinse produzierten Werte zwar in einem Zusammenhang mit dem Augeninnendruck stehen, jedoch in keinem sehr engen. Es bleibt unklar, was durch die elektrischen Amplituden tatsächlich aufgezeigt wird: Handelt es sich dabei um einen augeninnendruckähnlichen Wert? Oder zeigt die Amplitude Volumenveränderung, die indirekt mit dem Augeninnendruck in Verbindung stehen könnten - wobei auch diese mögliche Relation noch Rätsel aufgibt.

Fazit für die Praxis

Leider werden wir weiterhin auf eine zuverlässige, kontinuierliche 24-h-Druckmessung warten müssen. Eine solche könnte uns viel über die Dynamik des Augeninnendrucks sagen und gleichzeitig auch endlich Licht auf das ungelöste Rätsel werfen, ob - wovon der Autor überzeugt ist - Schwankungen des Augeninnendrucks ebenfalls eine negative Bedeutung für die Progression des Glaukomschadens haben [5].

Disclosure Statement

Hiermit erkläre ich, dass keine Interessenskonflikte in Bezug auf den vorliegenden Kommentar bestehen.

1.
Sanchez I, Laukhin V, Moya A, et al.: Prototype of a nanostructured sensing contact lens for non-invasive intraocular pressure monitoring. Invest Ophthalmol Vis Sci 2011;52:8310-8315.
2.
SENSIMED Triggerfish®, SENSIMED AG. www.sensimed.ch/en/sensimed- triggerfish/sensimed-triggerfish.html (Zugriff 23.05.2017).
3.
The Advanced Glaucoma Intervention Study (AGIS): 7. The relationship between control of intraocular pressure and visual field deterioration. The AGIS Investigators. Am J Ophthalmol 2000;130:429-440.
4.
Kass MA, Heuer DK, Higginbotham EJ, et al.: The Ocular Hypertension Treatment Study: a randomized trial determines that topical ocular hypotensive medication delays of prevents the onset of primary open-angle glaucoma. Arch Ophthalmol 2002;10:701-713; discussion 829-830.
5.
Asrani S, Zeimer R, Wilkensky J, et al: Large diurnal fluctuations in intraocular pressure are an independent risk factor in patients with glaucoma. J Glaucoma 2000;9:134-142.
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