Zusammenfassung
Die AngioVue-Technologie von Optovue für die optische Kohärenztomographie-Angiographie (OCT-A) basiert auf dem Bildgebungssystem AngioVue (Optovue Inc., Freemont, CA, USA) unter Verwendung des SSADA(split-spectrum amplitude-decorrelation angiography)-Algorithmus. Dieser Algorithmus ist darauf ausgelegt, die Dauer des Scan-Vorgangs zu minimieren. Er erkennt Bewegung im Blutgefäßlumen durch die Messung der Veränderungen in der reflektierten OCT-Signalamplitude bei aufeinanderfolgenden Querschnitt-Scans. Die Besonderheit der SSADA liegt in der Art, wie das OCT-Signal weiterverarbeitet wird, um die Flussmessung zu verbessern und das Signalrauschen der axialen Grundbewegung zu eliminieren. Konkret trennt der Algorithmus die OCT-Aufnahme in einzelne Spektralbänder auf und steigert dadurch die Anzahl verwertbarer Bild-Frames. Jeder neue Frame hat eine geringere axiale Auflösung, die weniger empfindlich gegenüber axialen Augenbewegungen infolge des pulsierenden Blutstroms ist. Die Technologie des AngioVue-Systems von Optovue ermöglicht eine quantitative Analyse. Sie liefert nummerische Daten über durchströmte sowie nicht durchströmte Areale und kann Flussdichtekarten erstellen. Diese aufbereiteten Messdaten könnten als Biomarker sowohl für die Diagnose als auch für die Überwachung des Krankheitsverlaufs und des Ansprechens auf eine Therapie dienen. Durchströmte Areale: Die Software berechnet das eingezeichnete Areal und das Gefäßareal in mm2. Sie ermöglicht auch den Vergleich aller Messungen einer Person. Nicht durchströmte Areale: Die Software zeigt die nicht durchbluteten Areale per Mausklick an. Ischämische Areale werden in Gelb dargestellt. Diese Areale können abgespeichert und mit anderen in der Studie abgeglichen werden. Mit dem Flussdichte-Tool lässt sich der prozentuale Anteil von vaskulären Arealen in En-Face-Angiogrammen messen. Die Analyse beruht auf einem ETDRS(Early Treatment Diabetic Retinopathy Study)-Raster, das wie die Dickenkarte auf die Makula zentriert ist. Das Tool ist sowohl für den inneren als auch für den äußeren Gefäßplexus geeignet. Übersetzung aus Dev Ophthalmol. Basel, Karger, 2016, vol 56, pp 6-12 (DOI:10.1159/000442770)
Das AngioVue-System von Optovue (Optovue Inc., Freemont, CA, USA) wird für die optische Kohärenztomographie-Angiographie (OCT-A) eingesetzt; dabei kommen Technologien zur Anwendung, die auf dem dem AngioVue-Bildgebungssystem basieren. Es hat eine A-Scan-Rate von 70 000 Scans/s; die Lichtquelle, die es dabei benutzt, ist auf 840 nm zentriert und hat eine Bandbreite von 50 nm. Jedes OCT-A-Volumen enthält 304 × 304 A-Scans und 2 konsekutive B-Scans, die von jeder fixierten Position aus akquiriert werden, bevor zur nächsten Sampling-Position fortgefahren wird. Die Extraktion der OCT-A-Informationen erfolgt mittels SSADA(split-spectrum amplitude-decorrelation angiography)-Technologie. Die Aufnahme eines OCT-A-Volumens dauert 3 s; es werden jeweils 2 orthogonale OCT-A-Volumina für die orthogonale Registrierung mittels MCT (motion correction technology) [1,2] akquiriert, um Bewegungsartefakte infolge von Mikrosakkaden und Fixationswechseln zu minimieren. Die Angiographie-Informationen werden als maximale Dekorrelationswerte bei senkrechter Blickrichtung durch die zu untersuchende Dicke angezeigt.
Das Spektraldomänen-OCT-System Avanti Widefield ist die Plattform für die OCT-A-Technologie von Optovue. Durch Installation der OCT-A-Software wird es zum AngioVue-System.
Optische Kohärenztomographie-Angiographie
Anfänglich wurde versucht, mit Doppler-OCT-A-Methoden den Blutfluss zu messen und darzustellen [3,4,5,6,7,8]. Da die Doppler-OCT nur für Bewegungen parallel zum OCT-Messstrahl empfänglich ist, ist ihre Fähigkeit zur Abbildung des retinalen und choroidalen Blutflusses begrenzt, da dieser vorwiegend senkrecht zum OCT-Strahl verläuft. Eine andere Möglichkeit ist die Speckle-basierte OCT-A. Dieser Ansatz zeichnet sich gegenüber den Doppler-basierten Verfahren dadurch aus, dass sich - anhand von Veränderungen im Speckle-Muster im Zeitverlauf - transversale und axiale Flüsse mit vergleichbarer Sensitivität nachweisen lassen. Hierzu sind Methoden beschrieben worden, die sich auf die Varianz der Amplitude [9,10,11], der Phase [12] sowie der Kombination aus Amplitude und Phase [13] stützen.
Split-Spectrum Amplitude-Decorrelation Angiography
Der SSADA-Algorithmus wurde mit dem Ziel entwickelt, die Dauer des Scans zu verringern. Er erkennt Bewegungen im Blutgefäßlumen durch die Messung der Veränderungen in der reflektierten OCT-Signalamplitude bei aufeinanderfolgenden Querschnitt-Scans. Die Dekorrelation ist eine mathematische Funktion, mit der sich die Variation ohne Beeinflussung durch die durchschnittliche Signalstärke quantifizieren lässt, solange das Signal stark genug ist, um gegenüber dem optischen und elektronischen Rauschen prädominant zu sein. Die Besonderheit der SSADA liegt in der Art, wie das OCT-Signal weiterverarbeitet wird, um die Flussmessung zu verbessern und das Signalrauschen axialer Grundbewegungen zu eliminieren. Konkret trennt der Algorithmus die OCT-Aufnahme in einzelne Spektralbänder auf und steigert dadurch die Anzahl verwertbarer Bild-Frames. Jeder neue Frame hat eine geringere axiale Auflösung, die weniger empfindlich gegenüber axialen Augenbewegungen infolge retrobulbärer Pulsation ist. Diese geringere Auflösung spiegelt sich auch in einem größeren Kohärenzbereich wider, innerhalb dessen das von einem bewegten Partikel - z.B. einer Blutzelle - reflektierte Signal mit angrenzenden Strukturen interferieren kann; dies führt zu einer Steigerung des Speckle-Kontrasts. Darüber hinaus enthält jedes Spektralband ein anderes Speckle-Muster und unabhängige Informationen zum Blutfluss. Durch Kombination der Amplituden-Dekorrelationsbilder aus mehreren Spektralbändern wird das Flusssignal verstärkt. Im Vergleich zum Gesamtspektrum-Amplituden-Verfahren kann die SSADA mit vierfach aufgetrennten Spektren das Signal-Rausch-Verhältnis um den Faktor 2 verbessern; dies entspricht einer Verkürzung der Scan-Dauer um den Faktor 4 [14]. Neure SSADA-Anwendungen erreichen durch elffache Auftrennung eine weitere Verbesserung des Signal-Rausch-Verhältnisses in der Durchflussmessung [15]. Die SSADA liefert eine saubere und kontinuierliche Darstellung des mikrovaskulären Netzwerks mit geringerem Signalrauschen gerade innerhalb der fovealen avaskulären Zone; dies zeigt auch das Beispiel eines En-Face-Angiogramms des makulär-retinalen Blutflusses, das mit einem handelsüblichen Spektral-OCT-System mit 70 kHz und 840 nm Wellenlänge ermittelt wurde (Abb. 1).
Bei der Generierung der 3D-Daten im Rahmen der OCT-A können Segmentation und En-Face-Präsentation von Flussdaten die Datenkomplexität reduzieren und dazu beitragen, die vertraute Ansicht einer färbungsbasierten Angiographie zu imitieren. Wie in Abbildung 1 zu sehen ist, wird im Netzhaut-Angiogramm () die Dekorrelation oder der Blutfluss zwischen innerer Grenzmembran und äußerer plexiformer Schicht dargestellt. Eine Segmentierung, die an strukturellen Querschnitt-OCT-Aufnahmen (Abb. 1e) durchgeführt wird, lässt sich unmittelbar auf die OCT-A-Aufnahmen übertragen (). Die En-Face-Angiogramme wurden erzeugt, indem die maximalen Dekorrelations- oder Durchflusswerte jeder transversalen Position innerhalb des segmentierten Tiefenbereichs projiziert wurden; so wurde jeweils der schnellste Durchfluss im Gefäßlumen der segmentierten Gewebsschichten dargestellt. Im gesunden Auge zeigt das Netzhaut-Angiogramm ein Gefäßnetz um die foveale avaskuläre Zone herum. Die Schichten der Retina und Choroidea lassen sich zusätzlich auftrennen (Abb. 2), um zusätzliche Informationen zur Bestimmung diagnostischer Parameter von Gefäßdefekten zu gewinnen.
Beziehung zwischen Dekorrelation und Geschwindigkeit
Um festzustellen, wie sich das vom SSADA-Algorithmus generierte Dekorrelations- oder Durchflusssignal zur Durchflussgeschwindigkeit verhält, wurden Phantomversuche durchgeführt [16]. Die Studie ergab, dass SSADA empfindlich gegenüber sowohl axialem als auch transversalem Durchfluss ist, mit einer geringfügig höheren Sensitivität für die axiale Komponente. In Bezug auf die klinische Retina-Bildgebung, bei der der OCT-Strahl ungefähr senkrecht zum Gefäßverlauf steht, kann das SSADA-Signal für alle praktischen Zwecke als unabhängig von geringfügigen Unterschieden im Auftreffwinkel des Strahls betrachtet werden. Außerdem wurde festgestellt, dass die Dekorrelation über einen begrenzten Bereich in einem linearen Zusammenhang mit der Geschwindigkeit stand. Ein höherer Dekorrelationswert entspricht demnach einer höheren Flussgeschwindigkeit. Der Bereich ist abhängig von der Zeitskala der SSADA-Messung. Mit einem Spektral-OCT-System mit 70 kHz und 200+ A-Scans pro Querschnitt-B-Scan sollte sich mittels SSADA selbst für der langsamste Durchfluss auf kapillärer Ebene erfassen lassen; hier werden die Flussgeschwindigkeiten auf 0,4-3 mm/s geschätzt [17,18]. In größeren Gefäßen mit höheren Flussgeschwindigkeiten erreicht das SSADA-Signal einen Maximalwert (saturiert).
Beschränkungen der optischen Kohärenztomographie-Angiographie
Die OCT-A weist mehrere Beschränkungen auf. Erstens erschweren abschattierte Flussprojektionsartefakte die Interpretation der En-Face-Angiogramme von tiefer liegenden Gefäßschichten. Diese Artefakte entstehen durch fluktuierende Schatten des Blutflusses in oberflächlicheren Gefäßschichten und daraus resultierenden Schwankungen des OCT-Signals in den tiefer liegenden, stark reflektierenden Schichten. Die Durchflussprojektionsartefakte der Netzhautgefäße sind deutlich auf dem hellen retinalen Pigmentepithel zu sehen. Dieses Artefakt lässt sich durch Software-Bearbeitung eliminieren. Vom Blutfluss in der Netzhaut gehen nur in geringem Maße Projektionen aus, die recht erfolgreich aus den tieferen Schichten zu entfernen sind. Die Choriocapillaris hingegen ist nahezu konfluent und ihre Projektions- und Schatteneffekte sind nur schwer aus den tiefer liegenden Choroidea-Schichten zu eliminieren. Eine zweite Beschränkung ist die Abschwächung der OCT- und Durchflusssignale in großen Gefäßen infolge des interferometrischen Fringe-Washout-Effekts, der mit sehr schnellem Blutfluss assoziiert ist, insbesondere bei der axialen Flusskomponente [19]. Dies bedeutet, dass sich zentrale Netzhautgefäße im Diskus und große Gefäße der tiefen Choroidea nicht mittels SSADA darstellen lassen. Drittens ist der Erfassungsbereich der OCT-A vergleichsweise klein (3 × 3 bis 6 × 6 mm). Großflächigere Angiogramme hoher Qualität sind möglich, erfordern jedoch OCT-Systeme höherer Geschwindigkeit, die noch nicht im Handel erhältlich sind [20]. Und nicht zuletzt ist für den Einsatz in der klinischen Praxis eine hochpräzise Segmentierungssoftware erforderlich, da die OCT-A den größten Nutzen bei der Darstellung pathologischer Prozesse zeigt, wenn sie anatomische Schichten im En-Face-Diagramm abbildet. Eine Nachbearbeitungs-Software ist zusätzlich erforderlich, um Bewegungs- und Projektionsartefakte zu reduzieren. Die Notwendigkeit dieser anspruchsvollen Algorithmen bedeutet auch, dass bei der OCT-A noch viel Raum für Verbesserungen in der absehbaren Zukunft besteht.
Swept-Source-Tomographie und spektrale optische Kohärenztomographie im Vergleich
Der SSADA-Algorithmus wurde erstmals auf einem speziell gefertigten Swept-Source-OCT-System mit 100 kHz und einer Wellenlänge von 1050 nm implementiert. Um Angiogramme hoher Qualität zu generieren (Abb. 3a), waren 8 konsekutive Querschnitt-Scans pro Position erforderlich. Es wurde ein Scan-Muster von 200 Querschnitt-Scan-Positionen mit jeweils 200 axialen Scans verwendet. Das angiographische Scan-Muster hatte somit 200 × 200 transversale Punkte. Die insgesamt 200 × 200 × 8 axialen Scans wurden in 3,5 s akquiriert.
Die kommerzielle Implementierung der SSADA erfolgt auf einem Spektral-OCT-System mit 70 kHz und 840 nm Wellenlänge. Obwohl dieses System weniger axiale Scans pro Sekunde akquiriert, erzeugt es Angiogramme hoher Qualität mit mehr transversalen Punkten (304 × 304, Abb. 3b) in kürzerer Zeit (3 s). Diese höhere Leistung ist durch das geringere Dekorrelationsrauschen im Spektral-OCT-System bedingt, welches nur 2 konsekutive Querschnitt-Scans pro Position benötigt, um ein verlässliches Dekorrelationsbild zu berechnen. Die höhere transversale Scan-Dichte in Verbindung mit der höheren transversalen Auflösung infolge der kürzeren Wellenlänge bedeutet, dass das Avanti-System retinale Angiogramme mit höherer Definition und höherer Auflösung erzeugt als der anfänglich verwendete Swept-Source-OCT-Prototyp ().
Quantitative Analyse
Die neuesten Entwicklungen auf dem Gebiet der OCT-A betreffen Methoden für die quantitative Analyse von OCT-Angiogrammen [21,22,23,24,25]. Das neue Quantifizierungs-Tool von Optovue mit dem Namen AngioAnalytics liefert nummerische Daten über durchströmte sowie nicht durchströmte Areale. Mittels AngioAnalytics lassen sich auch Flussdichtekarten erstellen. Diese aufbereiteten Messdaten könnten als Biomarker sowohl für die Diagnose als auch für die Überwachung des Krankheitsverlaufs und des Ansprechens auf eine Therapie dienen.
Durchströmte Areale
Die Messung des durchbluteten Areals ist nützlich bei choroidaler Neovaskularisation und präretinaler Neovaskularisation im Rahmen einer diabetischen Retinopathie oder eines Venenverschlusses. Bei diesen Pathologien sind die neu gebildeten Gefäße in der traditionellen Angiographie durch Leckage und Färbung maskiert, während die OCT-A eine direkte und klare Visualisierung des Gefäßnetzes ermöglicht. Der Bediener zeichnet in AngioAnalytics das Areal der choroidalen Neovaskularisation ein, und die Software berechnet daraufhin das eingezeichnete Areal sowie das Gefäßareal in mm2. Darüber hinaus wird der Vergleich aller Messungen einer Person ermöglicht.
Nicht durchströmte Areale
Die Messung von Arealen ohne Durchfluss in Blutgefäßen, d.h. in dem der SSADA-Algorithmus keinen Fluss erkennt, erscheint für ischämische Retinopathien jeglichen ätiologischen Ursprungs hilfreich. Mittels OCT-A lassen sich der innere und tiefe Gefäßplexus separieren. Nach entsprechender En-Face-Projektion zeigt die Software die nicht durchbluteten Areale per Mausklick an. Ischämische Areale werden in Gelb dargestellt. Diese Areale können abgespeichert und mit anderen in der Studie abgeglichen werden.
Flussdichtekarte
Mit diesem Tool lässt sich der prozentuale Anteil von Gefäßarealen in En-Face-Angiogrammen messen. Die Analyse beruht auf einem ETDRS(Early Treatment Diabetic Retinopathy Study)-Raster, das wie die Dickenkarte auf die Makula zentriert ist. Das Tool ist sowohl für den inneren als auch für den äußeren Gefäßplexus geeignet.