Jeder Medizinstudent lernt im Physiologiekurs, dass wir zu etwa 95% aus Wasser bestehen. Normalerweise betrachten wir ja vor allem die festen Strukturen unseres Körpers: Zellen, Gewebe, Organe, Knochen, Nervenfasern, Adern, usw. Ich lade zu einem Figur-Grund-Wechsel ein: Wenn wir von der Figur – den festen Bestandteilen – zum Grund wechseln, der Matrix, dem Bindegewebe, in das alles eingebunden ist, sehen wir ein alles verbindendes System, das im Prinzip auf Wasser aufgebaut ist, genauer, auf Wasser und den dort gelösten Molekülen. Noch genauer: auf Wasser, das geordnet ist und in dieser Ordnungsstruktur ganz eigene Eigenschaften entwickelt, wie z.B. eine extrem hohe elektrische Leitungsdichte oder die rasche Weitergabe von mechanischen Impulsen.
Der Chemiker Jerry Pollack hat über die letzten Dekaden intensiv Wasser zwischen hydrophilen Grenzflächen wie Zellmem-branen beforscht [1, 2]. Er hat gezeigt, dass sich zwischen diesen Wasser befindet, eine neue, vierte Phase des Wassers, das sogenannte geordnete Wasser, das entsteht, wenn Energie z.B. in Form von Infrarotstrahlung zugeführt wird. An den Grenzflächen selbst bilden sich sogenannte Ausschlusszonen und dazwischen ordnet sich das Wasser zu einer neuen, quasikristallinen, aber immer noch flüssigen Struktur. Sie ist weder fest wie Eis, noch flüssig und ungeordnet wie normales flüssiges Wasser. Stattdessen ist sie sowohl geordnet wie in einem Kristall, als auch flüssig; kontrolliert geordnete Flüssigkeit sozusagen.
Diese Ordnung im Wasser des Körperinneren zeigt uns auch, dass wir neben dem Nerven-, dem Gefäß- und Lymphsystem noch ein viertes Kommunikationssystem haben.
Diese Ordnung im Wasser innerhalb unseres Organismus, aber auch anderswo, hat unterschiedliche Funktionen und erklärt verschiedene Effekte. Physiologisch erklärt es, warum Organ- und Gewebestrukturen in einem flexiblen festen Zusammenhang stehen, oder wie mechanische Belastungen im Skelett dynamisch gepuffert und weitergegeben werden. Diese Ordnung im Wasser des Körperinneren zeigt uns auch, dass wir neben dem Nerven-, dem Gefäß- und Lymphsystem noch ein viertes Kommunikationssystem haben. Nämlich das System des geordneten Wassers, das alle Zellen, alle Organe verbindet. Dadurch ergibt sich ein sehr bodenständiger Begriff von «Ganzheitlichkeit». Denn dieses den ganzen Organismus verbindende System kann verständlich machen, wie sich Effekte sofort allen Kompartimenten des Organismus mitteilen.
Daraus entsteht ein neuer physiologischer Reflex [3]: einer der von der Matrix zum Nervensystem und von dort zurück in die Organe reicht und verständlich machen kann, wie Druck, Berührung, Massage oder gezielte physiotherapeutische Interventionen, Rolfing, Feldenkraisarbeit [4] und vieles andere mehr weiter reichende als nur lokale Effekte haben können. Vielleicht erlaubt er sogar die Wiederherstellung ganzer Organstrukturen, wie wir anhand der Arbeit des begabten Manualtherapeuten Mohammed Khalifa für die Regeneration gerissener Kreuzbänder gezeigt haben [5]. Es macht auch verständlich, wie Körperarbeit auch emotional-psychologische Effekte haben kann [6, 7].
Deswegen brauchen Menschen, Tiere und Pflanzen ganz dringend nicht nur Licht, sondern auch Wärme in Form von Infrarotstrahlung, und darum finden wir Kachelöfen sympathischer als Umluftheizungen und deshalb setzen sich Menschen in kalten Regionen oder Zeiten in die Sauna. Wir benötigen die Infrarotstrahlung, um die Ordnung des Wassers in unserem Körper immer wieder herzustellen. Und dieses geordnete Wasser scheint die Basis für unsere physiologische Integrität zu sein.
Prof. Dr. Dr. phil. Harald Walach
Literatur
Alessandro Tafuri and Marco Sebben contributed equally to this work.