Zusammenfassung
Hintergrund: E-Zigaretten werden von den Herstellern häufig als Alternative zum inhalativen Tabakrauchkonsum propagiert. Sie verdampfen Propylenglykol/pflanzliches Glyzerin (PGlyk/pGlyz), Nikotin und Aromastoffe. Die gesundheitlichen Auswirkungen der verdampften E-Liquid-Substanzen auf die Lunge sind unklar. Fragestellung: In der Studie wurden in vitro und in vivo die chronischen Effekte verdampfter E-Liquid-Substanzen auf das Bronchialepithel untersucht. Material/Methoden: Bronchoskopisch wurden gesunde Nichtraucher, Zigarettenraucher und E-Zigaretten-Nutzer (Vaper; von engl. to vape = verdampfen) untersucht. Bronchoskopisch wurden Bürstenzytologien zur Durchführung proteomischer Analysen gewonnen. Außerdem wurden Analysen in vitro und im Mausmodell durchgeführt, um den Vaping-Effekt zu untersuchen. Ergebnisse: Bronchoskopisch fand sich die Bronchialschleimhaut der Vaper erythematös. Die Analysen aus den bronchoskopisch gewonnenen Epithelzellen detektierten bei Zigarettenrauchern und Vapern fast 300 Proteine, deren Expressionslevel im Vergleich zu den Nichtraucherprobanden verändert waren. Dabei waren nur 78 Proteine gleichermaßen in beiden Expositionsgruppen, jedoch 113 nur bei den Vapern verändert. Unter anderem waren die Level von CYP1B1 (Cytochrom P450 family 1 subfamily B member 1), MUC5AC (mucin 5 AC) und MUC4 bei den Vapern erhöht. Reines PGlyk/pGlyz-Aerosol führte zu einer signifikanten Erhöhung des MUC5AC-Proteins in humanen Atemwegsepithel-Kulturen und in murinen Nasenepithelzellen in vivo. Es konnte gezeigt werden, dass E-Liquids schnell nach intrazellulär penetrieren und dass PGlyk/pGlyz die zelluläre Membranfluidität reduziert und die Proteindiffusion beeinträchtigt. Schlussfolgerung: Der chronische Gebrauch von E-Zigaretten hat in der Lunge deutliche biologische Auswirkungen. Diese Auswirkungen sind möglicherweise zum Teil durch das PGlyk/pGlyz-Aerosol verursacht. Die beobachteten Veränderungen sind wahrscheinlich nicht als harmlos einzustufen und könnten durchaus von klinischer Bedeutung sein und die Entstehung chronischer Lungenerkrankungen begünstigen. Weitere Studien müssen die Folgen der E-Zigarette für die Lunge weiter herausarbeiten.
Transfer in die Praxis von Dr. Lars Hagmeyer (Solingen)
Hintergrund
Die E-Zigarette stellt eine neue und insbesondere von der Industrie viel beworbene Alternative zum inhalativen Zigarettenrauchkonsum dar. Propylenglykol/pflanzliches Glyzerin (PGlyk/pGlyz) wird als Basis genutzt, um Nikotin und Aromastoffe (insgesamt E-Liquid genannt) durch ein elektronisches Device zu einem Aerosol zu verdampfen und so den Transport in die Lunge zu erlauben.
Die Effekte des Zigarettenrauchens sind gut verstanden und beschrieben, ebenso ist der ursächliche Zusammenhang mit pulmonalen und extrapulmonalen Folgeerkrankungen belegt (z.B. chronisch obstruktive Lungenerkrankung, Lungenkarzinom, Arteriosklerose). Die gesundheitlichen Folgen des Vapings (engl. to vape = verdampfen) sind noch unklar, die Sicherheit des E-Zigarettenkonsums wird sehr kontrovers diskutiert. Es konnte bereits in vitro und im Mausmodell gezeigt werden, dass die E-Zigarette Entzündungsreaktionen und oxydativen Stress auslöst. Es gibt ferner epidemiologische Hinweise, dass bei Jugendlichen bronchitische Symptome relevant mit E-Zigaretten-Konsum assoziiert sind. Um den biologischen Effekt der E-Zigarette genauer zu ermitteln, untersuchten Ghosh et al. in der hier kommentierten Studie bronchoskopisch gesunde Nichtraucher, Zigarettenraucher und E-Zigaretten-Nutzer (Vaper). Bronchoskopisch wurden Bürstenzytologien zur Durchführung proteomischer Analysen gewonnen. Außerdem wurden Analysen in vitro und im Mausmodell durchgeführt, um den Vaping-Effekt zu untersuchen.
Ergebnisse der Studie
18 Nichtraucher, 13 Zigarettenraucher und 10 E-Zigaretten-Nutzer (Vaper) wurden in die Studie rekrutiert. Die anthropometrischen Daten und die Differenzialzytologie der bronchoalveolären Lavage zeigten keine wesentlichen Unterschiede zwischen den Gruppen, das spirometrisch ermittelte forcierte exspiratorische Volumen in der ersten Sekunde und die forcierte Vitalkapazität lagen in allen 3 Gruppen im Normbereich.
Die Analyse der Bürstenzytologien zeigte, dass bei den Vapern 191 Proteine signifikant (p < 0,05) herauf- oder herunterreguliert waren, bei den Zigarettenrauchern 292 Proteine. Die Mehrheit der Veränderungen betraf Proteine, die in membrangebundenen Organellen vorkommen. Viele Proteine waren gleichermaßen bei Zigarettenrauchern und Vapern auffällig, allerdings wurden 14 Protein-Signalwege identifiziert, die lediglich bei Vapern betroffen waren. Es fanden sich deutliche Hinweise, dass es durch die Exposition zu Veränderungen der Membranbiologie im Sinne einer reduzierten Membranfluidität und einer beeinträchtigten Proteindiffusion kommt.
Nach Exposition gegenüber PGlyk/pGlyz-Aerosol ließen sich in humanen Atemwegsepithel-Kulturen, murinen Nasenepithelien und humanen Bronchialepithelien veränderte Expressionslevel bestimmter Proteine nachweisen. Diese proteomischen Veränderungen könnten dazu führen, dass pulmonale Entgiftungsprozesse beeinträchtigt und Mutationen und virale Infektionen begünstigt werden.
Fazit für die Praxis
Die Studienergebnisse geben einen ersten Eindruck, welche umfassenden biologischen Veränderungen der E-Zigarettenkonsum auf Zellebene mit sich bringt. Einige betroffene Signalwege könnten Auswirkungen auf Remodelingprozesse in den Atemwegen, das Ausmaß der Becherzellhyperplasie und das Mutations- und Infektionsrisiko haben. Einige der Veränderungen werden offensichtlich durch die Basis-Trägersubstanz, das PGlyk/pGlyz-Aerosol, ausgelöst und dürften damit charakteristisch für alle E-Liquids sein.
Die Langzeitkonsequenzen des Vapings sind noch unklar. Die vorliegenden Daten machen jedoch deutlich, dass der Arzt dem rauchenden Patienten die E-Zigarette nicht vorbehaltlos als saubere und unbedenkliche Alternative darstellen darf. Die wissenschaftliche Grundlage für eine abschließende Bewertung muss erst noch geschaffen werden.
Disclosure Statement
Hiermit erkläre ich, dass keine Interessenskonflikte in Bezug auf den vorliegenden Wissenstransfer bestehen.