Zusammenfassung
Angeborene Stoffwechselerkrankungen (inborn errors of metabolism, IEM) sind einzeln betrachtet selten; zusammengenommen betreffen sie jedoch 1 von 1000 Menschen. Die meisten Erkrankungen werden im Kindesalter klinisch manifest; späte Formen und solche mit längerer Überlebensdauer sind jedoch auch bei Erwachsenen aller Altersstufen zu beobachten. Gewöhnlich manifestiert sich eine IEM nicht primär in der Lunge, allerdings kann es in einigen Fällen zu einer erheblichen pulmonalen Beteiligung mit entsprechend schweren respiratorischen Komplikationen kommen. Die Lungenbeteiligung kann eine späte Manifestationsform einer komplexen multisystemischen Erkrankung darstellen und gelegentlich sogar die einzige Manifestation einer zugrunde liegenden IEM sein. In der vorliegenden Übersichtsarbeit liegt der Fokus auf bestimmten IEM mit Lungenbeteiligung bei Erwachsenen. Der Leser erhält einen Überblick zur Diagnostik, zum allgemeinen Krankheitsmanagement und zu speziellen Therapien für respiratorische Manifestationsformen. Ein klinischer Verdacht, frühzeitiges Erkennen, eine rasche Diagnose und entsprechende Behandlung der respiratorischen Manifestation sind entscheidend, da sie sowohl Auswirkungen auf die Lebenserwartung als auch auf die Lebensqualität der Patienten haben können. Übersetzung aus Respiration 2017;94:2-13 (DOI:10.1159/000475762)
Einleitung
Angeborene Stoffwechselerkrankungen (inborn errors of metabolism, IEM) werden durch einen Enzymmangel oder eine Enzymanomalie verursacht, die zur Akkumulation oder zum Mangel eines bestimmten Stoffwechselprodukts in verschiedenen Organen führen können. Derzeit sind beim Menschen etwa 500 Erkrankungen bekannt, die Stoffwechselstörungen unterliegen. Mit der Entwicklung neuartiger Techniken, die die Identifizierung neuer biochemischer und molekularer Anomalien ermöglichen, steigt diese Zahl weiter an [1]. Angeborene Stoffwechselerkrankungen sind einzeln betrachtet selten; zusammengenommen betreffen sie jedoch 1 von 1000 Menschen. [2]. Die meisten Erkrankungen werden im Kindesalter klinisch manifest; späte Formen und solche mit längerer Überlebensdauer sind jedoch auch bei Erwachsenen aller Altersstufen zu beobachten. Zwar verfügen die großen akademischen Zentren über Stoffwechselspezialisten mit Erfahrung auf dem Gebiet der IEM, doch sind es typischerweise die Hausärzte, mit denen diese Patienten zunächst in Kontakt kommen [3].
Unter pathophysiologischen Gesichtspunkten lassen sich die IEM den folgenden drei Kategorien zuordnen (Tab. 1):
1) Krankheiten mit Beteiligung komplexer Moleküle: Diese Gruppe betrifft Zellorganellen und umfasst Erkrankungen, bei denen die Synthese oder der Abbau komplexer Moleküle gestört ist. Alle lysosomalen Speicherkrankheiten (lysosomal storage disorders, LSD), peroxisomalen Krankheiten und kongenitalen Störungen der Glykosylierung und Cholesterinsynthese gehören zu dieser Gruppe.
2) Krankheiten mit Beteiligung kleiner Moleküle, in deren Folge es zu einer Intoxikation kommt: Zu dieser Gruppe gehören angeborene Störungen des Intermediärstoffwechsels (die meisten organischen Acidurien, Störungen des Harnstoffzyklus, Zuckerintoleranz und Metallintoxikationen), die zu einer akuten oder fortschreitenden Intoxikation durch Anhäufung toxischer Verbindungen proximal des Stoffwechselblocks führen.
3) Krankheiten, die primär den Energiestoffwechsel betreffen: Diese Gruppe umfasst IEM mit Symptomen, die hauptsächlich durch Energiemangel hervorgerufen werden, darunter mitochondriale Erkrankungen sowie Störungen der Glykolyse, des Glykogenstoffwechsels, des Kreatinstoffwechsels, der Fettsäure-Oxidation und des Ketonstoffwechsels.
Gewöhnlich manifestiert sich eine IEM nicht primär in der Lunge, allerdings kann es in einigen Fällen zu einer erheblichen pulmonalen Beteiligung mit entsprechend schweren respiratorischen Komplikationen kommen [4,5,6]. Die Lungenbeteiligung kann eine späte Manifestationsform einer komplexen Multisystemerkrankung darstellen und gelegentlich sogar die einzige Manifestation einer zugrunde liegenden IEM sein.
In der vorliegenden Übersichtsarbeit liegt der Fokus auf bestimmten IEM mit Lungenbeteiligung bei Erwachsenen. Der Leser erhält einen Überblick zur Diagnostik, zum allgemeinen Krankheitsmanagement und zu speziellen Therapien für respiratorische Manifestationsformen.
Krankheiten mit Beteiligung komplexer Moleküle
Die meisten IEM mit Lungenbeteiligung gehören zu einer Gruppe von Erkrankungen, die mit einer Störung komplexer Moleküle einhergehen, speziell den lysosomalen Speicherkrankheiten. Lysosomen sind für den intrazellulären Abbau verschiedener biologischer Moleküle wie Glykolipide, Oligosaccharide und Glykoproteine erforderlich. Defekte der lysosomalen Enzyme führen zu einer Akkumulation der entsprechenden Substrate innerhalb der Organellen und zu einer fortschreitenden Funktionsstörung des betroffenen Systems. Je nachdem, wo die Speicherung auftritt, können die Symptome variieren. Gemeinsam ist vielen lysosomalen Erkrankungen jedoch, dass sie mit einer Vergröberung der Gesichtszüge, Hepatosplenomegalie, Knochenerkrankung und/oder neurologischen Störungen einhergehen. Zu den LSD-Untergruppen mit pulmonaler Beteiligung gehören Sphingolipidosen und Mukopolysaccharidosen (MPS).
Sphingolipidosen
Niemann-Pick-Krankheit
Bei der Niemann-Pick-Krankheit Typ A (NP-A) und Typ B (NP-B) handelt es sich um autosomal rezessiv vererbte Erkrankungen, denen ein Mangel an Aktivität der sauren Sphingomyelinase (acid sphingomyelinase, ASM), eines lysosomalen Enzyms, das vom SMPD1-Gen kodiert wird, zugrunde liegt [7]. NP-A ist eine schwer verlaufende neurodegenerative Erkrankung des Säuglingsalters, die gewöhnlich innerhalb der ersten drei Lebensjahre zum Tod führt, während NP-B durch einen späteren Krankheitsbeginn und eine leichtere Manifestation als NP-A gekennzeichnet ist. Bei NP-B erreichen die meisten Patienten das Erwachsenenalter. Die primäre Speichersubstanz bei NP-B ist Sphingomyelin, eine wichtige Strukturkomponente der Zellen. Aus klinischer Sicht sollte jeder erwachsene Patient mit Splenomegalie und Dyspnoe auf NP-B untersucht werden. Das Spektrum der Beeinträchtigung reicht von asymptomatischen Verläufen bis zu schwerer respiratorischer Insuffizienz, bei der der Patient ständige Sauerstoffzufuhr benötigt [8,9,10]. Nahezu alle erwachsenen Patienten weisen eine interstitielle Lungenerkrankung auf. Im höheren Lebensalter führt die fortschreitende pulmonale Infiltration zu einer hohen Morbidität und Mortalität [11].
Pathophysiologisch kommt es bei der Lungenerkrankung zur Akkumulation lipidbeladener Makrophagen in Alveolarräumen und -septen, Bronchialwänden sowie in der Pleura. Dadurch wird das Lungenvolumen zunehmend eingeschränkt und der Gasaustausch beeinträchtigt [12]. Auf Thorax-Röntgenaufnahmen und HR-CT (high-resolution computed tomography)-Bildern erkennt man diffuse retikuläre interstitielle Infiltrate. Die linearen Verdichtungen und Milchglastrübungen überlagern einander in unregelmäßigen Abständen, sodass ein als «crazy paving» bezeichnetes Muster entsteht [13] (Abb. 1). Die meisten Betroffenen weisen fortschreitende Gasaustauschstörungen auf, wobei das Ausmaß des radiologischen Befundes nicht unbedingt mit der Beeinträchtigung der Lungenfunktion korreliert [14]. In der histologischen Untersuchung finden sich typischerweise Alveolen mit vakuolisierten Schaumzellen (Makrophagen) (Abb. 2), die wegen der Blaufärbung in der May-Giemsa-Färbung als «seeblaue Histiozyten» bezeichnet werden [15,16].
Die Diagnosestellung erfolgt auf Grundlage der verringerten ASM-Aktivität in isolierten Leukozyten und/oder kultivierten Fibroblasten und durch Identifizierung krankheitsauslösender Mutationen im SMPD1-Gen. Die Therapie von NP-B ist hauptsächlich unterstützend. Patienten mit symptomatischer restriktiver Lungenerkrankung sollten, sofern erforderlich, ventilatorische Unterstützung erhalten. In Einzelfällen mit schwerer Lungenerkrankung hat sich die bronchoalveoläre Lavage als nützlich erwiesen [17]. Die Enzymersatztherapie (enzyme replacement therapy, ERT) wird derzeit untersucht: Die kürzlich gestartete Olipudase-alfa-Studie ist eine randomisierte, multizentrische Phase-II/III-Studie zur Beurteilung der Wirksamkeit und Sicherheit von rekombinanter humaner ASM bei Patienten mit NP-B. In der mit fünf Patienten durchgeführten Phase I zeigten sich ermutigende Ergebnisse, denn nach 26 Behandlungswochen war eine Verbesserung des Gasaustauschs und der interstitiellen Lungenerkrankung nachweisbar [18]. Daher wird eine engmaschige Überwachung der Patienten mittels Routine-HR-CT und Lungenfunktionstests empfohlen, um diejenigen zu identifizieren, die möglicherweise von einer unterstützenden Behandlung profitieren, bis eine weitergehende Therapie zur Verfügung steht.
Bei NP-C handelt es sich um eine andere Erkrankung, die durch eine Störung des intrazellulären Lipidtransports mit nachfolgender Anhäufung von unverestertem Cholesterin und Glykosphingolipiden (GSL) im Gehirn und anderen Geweben verursacht wird. Erste neurologische Symptome treten gewöhnlich im ersten oder zweiten Lebensjahrzehnt auf, doch wurden auch Erstmanifestationen nach dem 50. Lebensjahr berichtet [19]. Die Diagnosestellung erfolgt mithilfe biochemischer Tests, die eine gestörte Cholesterinveresterung und positive Filipin-Färbung in kultivierten Fibroblasten zeigen, sowie seit Kurzem durch Nachweis eines abnormen Musters der Cholesterin-Oxidationsprodukte (Oxysterole) im Blut [20]. Patienten mit NP-C weisen zu 95% Mutationen im NPC1-Gen auf; die restlichen Patienten haben Mutationen im NPC2-Gen. Patienten, bei denen die Erkrankung erst im Erwachsenenalter auftritt, zeigen meist keine ausgeprägte Lungenbeteiligung. Infolge der fehlenden normalen NPC2-Proteinexpression in alveolären Makrophagen und einer Anhäufung von cholesterinreichem Surfactant kann es zu einer pulmonalen alveolären Proteinose (PAP) kommen [21]. Die orale Substratreduktionstherapie mit Miglustat, einem Iminozucker, der die intrazelluläre Speicherung von Glucosylceramid senkt, scheint die Dysphagie und Aspiration erfolgreich verhindern zu können, indem sie das neurologische Fortschreiten der Erkrankung verlangsamt oder zum Stillstand bringt [22,23].
Morbus Gaucher
Morbus Gaucher ist eine autosomal rezessiv vererbte Erkrankung, die durch fehlende oder herabgesetzte Aktivität der Glucocerebrosidase, ein vom GBA-Gen kodiertes lysosomales Enzym, verursacht wird. Der primäre Stoffwechseldefekt beruht auf einer Blockade des lysosomalen Abbaus von Glucosylceramiden, wodurch es zu einer Anhäufung lipidbeladener Makrophagen (sogenannter Gaucher-Zellen) in Leber und Milz sowie im Knochenmark, dem zentralen Nervensystem (ZNS) und der Lunge kommt [24].
Man unterscheidet drei klinische Phänotypen (Typ 1: nicht neuronopathische Form; Typ 2: akute neuronopathische Form und Typ 3: chronische neuronopathische Form), die alle mit einer Lungenbeteiligung einhergehen können. Erwachsene Patienten zeigen vornehmlich Typ 1 oder 3. Pulmonale Manifestationen treten häufiger als Spätkomplikation nach einer Splenektomie auf [25,26] und sind vermutlich durch eine Umverteilung der in der Milz gespeicherten Makrophagen in die Lunge bedingt. Dabei kann es zu folgenden Veränderungen kommen: interstitielle Lungenerkrankung, alveoläre/lobäre Konsolidierung und pulmonale Hypertonie durch Speicherung lipibeladener Makrophagen im Interstitium sowie in Bronchien, Alveolen oder Lungengefäßen. In den meisten Fällen scheint die pulmonale Hypertonie mit einer vorbestehenden interstitiellen Lungenerkrankung in Zusammenhang zu stehen, typischerweise bei Patienten mit einer schweren Verlaufsform von M. Gaucher [27]. Durch die Hepatosplenomegalie wird das Lungenvolumen zunehmend eingeschränkt, und infolge der eingeschränkten Zwerchfellexkursionen kommt es zu einer Hypoventilation. Patienten mit homozygoter c.1448T>C (p.Leu444Pro)-Mutation [28] weisen ein höheres Risiko für die Entwicklung einer interstitiellen Lungenerkrankung auf, was für eine Korrelation von Genotyp und «respiratorischem» Phänotyp spricht.
In der HR-CT zeigen sich eine interlobuläre septale und intralobuläre interstitielle Verdichtung, unregelmäßige pleurale Grenzflächen sowie eine Milchglastrübung als Ausdruck der alveolären und interstitiellen Lungenbeteiligung [29]. Histologisch enthalten die Gaucher-Zellen in den Alveolen reichlich Zytoplasma, das eine gefurchte Strukturierung ähnlich wie «zerknittertes Seidenpapier» zeigt. Die Diagnosesicherung erfolgt durch Nachweis einer verminderten Glucocerebrosidase-Enzymaktivität in isolierten Leukozyten und Identifizierung von krankheitsverursachenden Mutationen im GBA-Gen. In der Knochenmarkbiopsie können sich typische Gaucher-Zellen zeigen. Darüber hinaus ist ein Anstieg der Chitotriosidase-Enzymaktivität nachweisbar. Diese ist ein sensitiver Marker für die Makrophagenspeicherung und wird zur Verlaufskontrolle bei behandelten Patienten herangezogen.
Zwei therapeutische Ansätze stehen zur Verfügung: 1. eine ERT mit rekombinanter humaner Glucocerebrosidase oder 2. die Substratreduktionstherapie mit Miglustat. Patienten mit M. Gaucher Typ 1 sprechen gut auf eine ERT [30] an und zeigen eine Besserung der Hepatosplenomegalie, der hämatologischen Parameter und des Wohlbefindens [31]. Die pulmonalen Manifestationen sprechen allerdings sehr unterschiedlich auf eine ERT an [30]. Schiffmann et al. [32] berichteten, dass die Kombinationstherapie von Miglustat und ERT positive Effekte haben kann, da sie die Lungenfunktion verbessert.
Morbus Fabry
Morbus Fabry ist ein X-chromosomal vererbter Defekt des lysosomalen Enzyms α-Galactosidase A, der zu einer fortschreitenden Anhäufung von neutralen Glykosphingolipiden (GSL) in verschiedenen Zellen und Geweben, hauptsächlich Podozyten, Herzmuskelzellen und Gefäßzellen (glatte Muskelzellen und Endothelzellen) führt [1]. Durch die intrazelluläre GSL-Speicherung und das Gefäßremodelling kommt es zu Funktionsstörungen der Zellen und verminderter Organperfusion mit dadurch bedingter Entzündungsreaktion, Fibrose und Organschädigung, die schließlich frühzeitig zum Tod führen [33].
Die meisten (hemizygoten) männlichen Patienten mit der klassischen Form der Erkrankung (Rest-Enzymaktivität <1%) zeigen in den ersten Lebensjahren keine Symptome. Während der Kindheit und/oder Jugend entwickeln sie jedoch Angiokeratome, Parästhesien an den Akren, Hypo-/Anhidrose, unspezifische Verdauungsstörungen, Mikroalbuminurie und chronische Erschöpfung [34]. Im Erwachsenenalter führt die fortschreitende Organschädigung zu chronischer/terminaler Nierenerkrankung sowie lebensbedrohlichen kardiovaskulären und zerebrovaskulären Komplikationen. Bei heterozygoten Frauen beginnt die Krankheit oft später und sie zeigen leichtere Symptome als Männer. Die Klinik kann von asymptomatischen Krankheitszuständen bis zu einem schweren Phänotyp ähnlich der klassischen Form bei hemizygoten Männern reichen. Ursache hierfür ist eine verzerrte X-Inaktivierung [35]. Männer mit nicht-klassischer Verlaufsform (Rest-Enzymaktivität zwischen 1% und 30%) weisen in der Kindheit und Adoleszenz meist keine oder nur leichte Symptome auf. Im späteren Erwachsenenalter entwickelt sich jedoch eine isolierte hypertrophe Kardiomyopathie [36]. Die Diagnosekriterien für M. Fabry unterscheiden sich nach Geschlecht und Phänotyp [34]. Seit 2001 ist eine ERT zur Behandlung von M. Fabry verfügbar [37,38].
Die Lungenbeteiligung wird sowohl bei hemizygoten als auch bei heterozygoten Patienten etwa um das 40. Lebensjahr klinisch manifest und es treten Komplikation an Nieren, Herz und Nervensystem auf [39]. In der elektronenmikroskopischen Untersuchung wurden GSL-Ablagerungen hauptsächlich in Bronchialzellen (glatte Muskelzellen und Flimmerepithelzellen) und pulmonalen Gefäßzellen beobachtet [40,41]. Außerdem waren in Lungenbiopsien eine peribronchioläre Fibrose und Hyperplasie der glatten Bronchialmuskelzellen nachweisbar. Typische Symptome der Betroffenen sind Dyspnoe, Giemen und trockener Husten ohne gleichzeitige schwere kardiale Probleme [39,42].
In einer kürzlich veröffentlichten Übersichtsarbeit untersuchten Franzen et al. [43] 13 Publikationen (mit insgesamt 299 Patienten) zur Lungenbeteiligung bei M. Fabry. Der aktuellen Literatur zufolge trat eine obstruktive Lungenerkrankung, definiert als FEV1/FVC (forciertes exspiratorisches Volumen in 1 s/forcierte Vitalkapazität) <70%, im Patientenkollektiv mit M. Fabry zehnmal häufiger auf (32,2% vs. 3,4%) als in der nach Geschlecht, Alter und Raucherstatus vergleichbaren gesunden Kontrollpopulation. Auch war die Prävalenz obstruktiver ventilatorischer Störungen im Kollektiv mit M. Fabry vergleichsweise höher als die Prävalenz chronischer obstruktiver Lungenerkrankungen in der Allgemeinbevölkerung [44]. Eine akute Reversibilitätstestung mit kurzwirksamen Bronchodilatatoren führt in der Regel nicht zu einer signifikanten Verbesserung des FEV1[45].
Der Schweregrad der Bronchialobstruktion ist abhängig vom Alter und männlichen Geschlecht. Manche Frauen scheinen jedoch genauso schwer betroffen zu sein wie männliche Patienten - lediglich zehn Jahre später, was der Beteiligung anderer Organe bei heterozygoten Patienten entspricht. Die Datenlage zur Schwere der Atemwegsobstruktion und Raucheranamnese ist uneinheitlich [39,43]. Zugrunde liegender Pathomechanismus der Erkrankung der kleinen bis mittleren Atemwege bei M. Fabry ist wahrscheinlich eine Hyperplasie der glatten Muskelzellen innerhalb der Bronchien und Bronchiolen. Dadurch kommt es zu einer fixierten Atemwegsverengung, die zum Teil durch eine Relaxationsstörung der glatten Muskelzellen bedingt ist [40]. In späteren Stadien der Lungenbeteiligung kann auch das Lungeninterstitium betroffen sein [39]. Vor Einleitung einer ERT sowie bei Patienten, die älter sind als 30 Jahre, sollte eine Lungenfunktionsuntersuchung erfolgen. Die Wirksamkeit der ERT und/oder langwirksamer Bronchodilatatoren und/oder inhalativer Kortikosteroide auf die Beteiligung der Bronchien bei M. Fabry ist bislang nicht ausreichend untersucht. In jedem Fall sollte der Patient angewiesen werden, das Rauchen aufzugeben.
Glykogenspeicherkrankheiten
Morbus Pompe mit später Verlaufsform
Morbus Pompe mit später Verlaufsform (late-onset Pompe disease, LOPD) ist eine autosomal rezessiv vererbte Glykogenspeicherkrankheit, die auch als Glykogenose Typ II bezeichnet und durch eine mangelnde Enzymaktivität der lysosomalen sauren α-Glucosidase verursacht wird. Die Akkumulation von Glykogen in der Skelett- und Atemwegsmuskulatur kann zu Myopathie mit fortschreitender Verschlechterung der Mobilität und Lungenfunktion führen. Erwachsene Patienten zeigen im Allgemeinen die Spätform. Diese kann in jedem Lebensalter ab der Kindheit auftreten und ist durch eine langsam fortschreitende Beteiligung der Stamm- und proximalen Gliedermuskulatur, fehlende kardiale Beteiligung und einen weniger schweren Verlauf als bei der klassischen Form gekennzeichnet.
Häufigste Todesursache ist in mehr als 70% der Fälle eine respiratorische Insuffizienz [46]. Bei manchen LOPD-Patienten kann die respiratorische Insuffizienz der Gliedermuskelschwäche vorausgehen [47]. Ursache der pulmonalen Funktionsstörung bei LOPD ist eine Schwäche der Zwerchfell- und Atemhilfsmuskulatur, die eine periphere alveoläre Hypoventilation und Tageshyperkapnie zur Folge hat [48,49]. Patienten mit respiratorischer Insuffizienz benötigen eine unterstützende Beatmung. Die fortschreitende, bisweilen tödlich verlaufende, respiratorische Insuffizienz ist hauptsächlich dadurch bedingt, dass die Atemmuskulatur nicht in der Lage ist, den für eine normale In- und Exspiration erforderlichen Druck aufzubauen [50,51].
Seit 2006 ist die ERT mit rekombinanter humaner α-Glucosidase die einzige verfügbare Behandlung, die nachweislich die motorische und respiratorische Funktion bei mindestens zwei Dritteln der LOPD-Patienten verbessert oder stabilisiert und den Bedarf an unterstützender Beatmung senkt [52]. Doch auch bei behandelten Patienten kann sich die Lungenfunktion zunehmend verschlechtern, was vermutlich daran liegt, dass die ERT erst spät eingeleitet wurde, nachdem bereits irreversible Muskelschädigungen eingetreten waren [53]. Der Effekt der ERT auf die Lungenfunktion scheint mit dem Alter des Patienten sowie mit der Restlungenfunktion des Patienten bei Therapiebeginn zusammenzuhängen. Daher ist es entscheidend, respiratorische Manifestationen frühzeitig zu erkennen, um den größtmöglichen therapeutischen Nutzen für die Patienten mit LOPD zu erzielen. Die Beurteilung der Lungenbeteiligung erfolgt anhand von Standard-Lungenfunktionstests, einschließlich FVC im Sitzen und in Rückenlage mit Messung des Volumenabfalls beim Wechsel vom Sitzen zum Liegen (FVC-Abfall), der als Marker der diaphragmalen Funktionsstörung vorgeschlagen wurde [54,55].
Mukopolysaccharidosen
Mukopolysaccharidosen (MPS) sind durch einen Defekt der lysosomalen Enzyme, die Glykosaminoglykane (GAG) spalten, gekennzeichnet. Es lassen sich acht verschiedene Typen von MPS unterscheiden, bei denen jeweils eines von zehn GAG-spaltenden Enzymen einen Defekt aufweist. Der Erbgang verläuft autosomal rezessiv, bis auf MPS Typ II, die X-chromosomal vererbt wird. Bei allen MPS handelt es sich um fortschreitende multiviszerale Erkrankungen mit Beteiligung des muskuloskelettalen Systems (Knochen und Gelenke), Herz, Lunge, Augen (Kornea, Retina und Sehnerven), Leber und Milz sowie, bei einigen Erkrankungen, des ZNS [56].
Respiratorische Manifestationen treten bei Patienten mit MPS sehr häufig auf und sind oft ein Leitsymptom [57]. Prädisponierende Faktoren für eine respiratorische Insuffizienz bei MPS-Patienten sind unter anderem Atemwegsobstruktion und restriktive Ventilationsstörungen. Die Atemwegsobstruktion wird durch Ablagerungen von Glykosaminoglykanen in den oberen Atemwegen (die dadurch zunehmend verengt werden) und durch Deformitäten von Schädel, Wirbelsäule und Trachea hervorgerufen. Durch die Ablagerung von Glykosaminoglykanen im Interstitium der Lunge sowie Thoraxdeformitäten und eine verminderte diaphragmale Beweglichkeit kommt es zu restriktiven Ventilationsstörungen. Zu den klinischen Manifestationen gehören Dyspnoe, herabgesetzte Sputum-Clearance, Husten und Gie- men. Die Obstruktion der oberen Atemwege mit obstruktiver Schafapnoe (OSA) führt zusammen mit den Thoraxdeformitäten und der Trachealverziehung aufgrund von Wirbelsäulendeformitäten zu einem regelmäßigen vollständigen Kollaps der Atemwege, wie er beispielsweise bei Erwachsenen mit Morquio-Syndrom beschrieben wird (Abb. 3). Die Ablagerung von GAG in Pharynx, Larynx und Trachea kann das Anästhesierisiko erhöhen und ein spezielles Atemwegsmanagement erforderlich machen.
Deswegen sollten die Patienten von Anästhesiologen betreut werden, die mit MPS vertraut sind. Alle Patienten sollten regelmäßig eine Pneumokokken- und Influenza-Impfung sowie eine frühzeitige Behandlung gegen Atemwegsinfektionen erhalten, und es sollten manuelle und/oder mechanische Interventionen zur Förderung der Sputum-Clearance erfolgen [57]. Die Versorgungsleitlinien für MPSI und MPS VI empfehlen daher, bei Diagnosestellung und anschließend alle 6 bis 12 Monate Lungenfunktionstests durchzuführen [58]. Zur Früherkennung einer OSA sollten alle Patienten zum Zeitpunkt der Erstdiagnose sowie während des weiteren Follow-up polysomnographisch untersucht werden. Erwiesenermaßen hat die ERT bei Patienten mit MPS I, II und VI einen positiven Effekt auf die Lungenfunktion [59,60,61]. Die bei erwachsenen Patienten zu beobachtende Verbesserung wird verschiedenen Mechanismen zugeschrieben, wie verminderte Akkumulation von GAG in den Atemwegen, verbesserte Mobilität, Größenrückgang von Leber und Milz sowie erhöhte Brustwand-Compliance, stärkere Atemwegsmuskulatur und vermehrte Zwerchfellexkursionen [61,62,63,64]. Zur Behandlung junger MPS-I-Patienten mit schwerer Verlaufsform wird eine hämatopoetische Stammzelltransplantation (HSZT) empfohlen, da diese aufgrund der Durchlässigkeit der Blut-Hirn-Schranke für Stammzellen den kognitiven Verfall verhindern kann. Der Effekt der HSZT bei anderen MPS-Typen ist eher gering [65,] und ihr Einfluss auf die Lungenfunktion ist lediglich in Einzelfallberichten belegt, von denen einige eine positive Wirkung auf das Schnarchen und die OSA zeigen [66].
Erkrankungen kleiner Moleküle, die eine Intoxikation hervorrufen
Respiratorische Symptome sind oftmals das erste unspezifische Zeichen einer akuten metabolischen Dekompensation in dieser Gruppe von Erkrankungen. Sowohl bei Säuglingen als auch bei Erwachsenen kommt es als physiologische Reaktion auf die metabolische Azidose zu einer Tachypnoe. Die Hyperventilation ist auch das Hauptsymptom der Hyperammonämie, auch wenn keine metabolische Azidose vorliegt, da Ammoniak eine zentrale Atemstimulation bewirkt, die oft zu einer sekundären respiratorischen Alkalose führt [67]. Eine Tachypnoe ohne sonstige Hinweise auf eine Lungenerkrankung kann daher das Leitsymptom von Aminoazidopathien (wie beispielsweise Ahornsirup-Krankheit), Organoazidurien (wie Methylmalonazidurie oder Propionazidurie) und Störungen des Harnstoffzyklus (wie Ornithin-Transcarbamylase-Mangel) sein. In diesen Fällen tritt die Tachypnoe gewöhnlich nicht isoliert auf, sondern in Verbindung mit Zeichen einer Enzephalopathie.
Zwar ist eine primäre Lungenbeteiligung auf die nachfolgend beschriebenen Erkrankungen beschränkt, doch sollten Hausärzte die akuten respiratorischen Zeichen angeborener Stoffwechselkrankheiten kennen, da lebensbedrohliche Dekompensationen behandelbar sind, wenn sie frühzeitig erkannt werden.
Störungen im Aminosäurestoffwechsel
Lysinurische Proteinintoleranz
Die lysinurische Proteinintoleranz (LPI) ist eine erbliche hyperdibasische Aminoazidurie, der eine Störung des Transports von kationischen Aminosäuren über das y+L-System in der basolateralen Membran gastrointestinaler und renaler Epithelzellen zugrunde liegt. Ursache der autosomal rezessiv vererbten LPI sind Mutationen im SLC7A7-Gen, das für das y+LAT-1-Protein kodiert.
Die Diagnose stützt sich auf klinische Befunde und biochemische Untersuchungsergebnisse [68]. Zu den häufigsten Manifestationen der LPI im Säuglingsalter gehören gastrointestinale Erkrankungen, Gedeihstörung, frühzeitige Osteoporose, Nierenerkrankung und Abneigung gegenüber proteinreicher Nahrung. In der biochemischen Untersuchung zeigt sich eine gestörte Rückresorption dibasischer Aminosäuren (Lysin, Arginin und Ornithin) mit vermehrter Ausscheidung im Urin und grenzwertig niedrigen Plasmakonzentrationen. Die Ernährungstherapie mit eiweißarmer Diät und Substitution von Citrullin führt zu einer klinischen Verbesserung, hauptsächlich durch Senkung der Hyperammonämie [69].
Eine Lungenbeteiligung ist bei LPI häufig zu beobachten und kann sich in drei Stadien entwickeln. Im ersten Stadium sind bei asymptomatischen Patienten interstitielle Trübungen in den Thorax-Röntgenaufnahmen zu erkennen. Im zweiten Stadium zeigen sich diffuse retikulonoduläre interstitielle Verdichtungen. Bei einer weiteren Krankheitsprogression kommt es im dritten Stadium zu einer respiratorischen Insuffizienz und pulmonalen Alveolarproteinose (PAP). Die PAP ist durch massenhaftes Auftreten von lipoproteinspeichernden Makrophagen mit schaumigem Zytoplasma in den Alveolen gekennzeichnet [70]. Fälle mit tödlich verlaufender respiratorischer Insuffizienz wurden hauptsächlich bei Patienten unter 15 Jahren beschrieben [71,72]. Der Genotyp korreliert nicht mit dem Phänotyp, denn Familienangehörige mit der gleichen Mutation können eine komplett unterschiedliche Lungenbeteiligung zeigen [73]. Typischerweise sind in der Thorax-Röntgenaufnahme bilaterale Infiltrate zu erkennen, und die HR-CT zeigt Milchglastrübungen sowie eine Konsolidierung des Luftraums mit interlobulären septalen Verdichtungen, die zu dem charakteristischen diffusen oder lokalisierten «crazy paving»-Muster führen. In einer finnischen Fallserie wiesen die meisten erwachsenen Patienten in der HR-CT eine interstitielle Lungenerkrankung auf, wohingegen nur wenige von ihnen klinische Symptome entwickelten [72]. Möglicherweise zeigt die interstitielle Lungenerkrankung in der HR-CT nicht das typische «crazy paving»-Muster (Abb. 4) [74]. Daher ist bei Vorliegen einer unklaren Lungenerkrankung bei jungen Patienten unbedingt ein Screening auf LPI zu erwägen.
Die Pathogenese der Lungenerkrankung bei LPI ist nicht bekannt. Unter Umständen entsteht die Fibrose als Folge der Pathomechanismen, die die Alveolarproteinose verursachen, oder sie ist mit diesen assoziiert. Die beeinträchtigte Clearance apoptotischer Zellen bei LPI, durch die es zur Alveolarproteinose kommt, kann zur Entwicklung einer abnormen Entzündungs- und Immunreaktion und letztlich zu einer Fibrose führen. Ferner liegen Hinweise vor, dass die erhöhte Synthese von Stickstoffmonoxid in Anwesenheit inflammatorischer Zytokine eine fortschreitende Lungenerkrankung hervorrufen kann [69]. Die Behandlung mit Arginin wird kontrovers diskutiert, denn sie verschlechtert möglicherweise das Outcome von LPI-Patienten durch verstärkte Bildung von NO. Für die Behandlung wird eine Substitution mit niedrig dosiertem Citrullin empfohlen, da Citrullin vom Organismus in Arginin umgewandelt wird. Bedauerlicherweise scheint die frühzeitige Substitution von Citrullin keinen Effekt auf die respiratorischen Komplikationen zu haben [75]. Die frühzeitige Gabe hochdosierter oraler Kortikosteroide kann das Fortschreiten der Lungenerkrankung verlangsamen, wirkt jedoch möglicherweise nicht bei allen betroffenen Patienten und ist daher weiterhin Gegenstand von Diskussionen [76]. Die bronchoalveoläre Lavage zur Entfernung von lipoproteinhaltigem Material aus den Alveolarräumen scheint nicht in allen Fällen gleichermaßen wirksam zu sein [72]. Eine Lungentransplantation wird wegen der Gefahr eines erneuten Auftretens der Erkrankung in der transplantierten Lunge nicht empfohlen [77]. Eine mögliche HSZT zur Behandlung einer pulmonalen Alveolarproteinose bei LPI wurde diskutiert. Die Rationale für diesen therapeutischen Ansatz beruht auf der Hypothese einer Funktionsstörung der Lungenmakrophagen [75,78].
Erkrankungen mit Beteiligung des Energiestoffwechsels
Mitochondriopathien
Der Begriff Mitochondriopathien bezeichnet eine Gruppe von Erkrankungen, die durch Defekte der mitochondrialen Atmungskette hervorgerufen werden. Das klinische Bild imponiert durch vielfältige und multisystemische Symptome [79]. Zwar finden sich häufig neuromuskuläre Störungen, doch können Mitochondriopathien entweder ausschließlich oder gleichzeitig auch andere Organe betreffen. Pulmonale Manifestationsformen der Mitochondriopathien umfassen respiratorische Insuffizienz, rezidivierende Schlafapnoe, diaphragmale Strukturanomalien und pulmonale Hypertonie. Die respiratorische Insuffizienz kann durch muskuläre Erschöpfung bedingt sein, die Folge einer Belastungsintoleranz aufgrund von Laktatazidose ist oder durch ein Ereignis wie beispielsweise eine Pneumonie ausgelöst wird. Es liegen Beobachtungen einer rezidivierenden Schlafapnoe in Verbindung mit Enzephalopathie vor, die überwiegend zentraler Natur war. Die in pädiatrischen Fallberichten beschriebene pulmonale Hypertonie [80] ist möglicherweise dadurch erklärbar, dass die Mitochondrien eine zentrale Rolle für die Physiologie der Lungengefäße spielen, da sie als Sauerstoffsensoren agieren und reaktive Sauerstoffspezies bilden [81]. Für die Diagnose einer Mitochondriopathie ist ein breit gefächerter Ansatz notwendig, der biochemische, histopathologische und elektronenmikroskopische Untersuchungen, Enzymassays von verschiedenen Geweben und molekulare Analysen beinhaltet [82]. Ein klinischer Fallstrick ist, dass die Lunge nie als einziges Organ beteiligt ist, da Gewebe mit hohem Energieverbrauch (renale Tubuluszellen, Leber-, Muskel und Herzmuskelzellen sowie Gehirnzellen) meist am stärksten betroffen sind.
Tragende Säule der Behandlung von Patienten mit Mitochondriopathien ist derzeit die Unterstützungstherapie. Körperliche Aktivität scheint bei Mitochondriopathien einen günstigen Effekt zu haben. Aerobes Training ist mit einer erhöhten maximalen Arbeits- und oxidiativen Kapazität sowie mit einer Senkung der Belastungsintoleranz assoziiert [83]. Zwar werden derzeit zahlreiche Wirkstoffe in klinischen Studien untersucht, doch gibt es gegenwärtig keine Therapie zur Behandlung der Mitochondriopathien mit nachgewiesener Wirksamkeit. Pharmakologische Ansätze, die in diesem Zusammenhang untersucht wurden, sind beispielsweise die Gabe von Kofaktoren der Atmungskette sowie die Behandlung mit Antioxidantien und Wirkstoffen, die sekundäre biochemische Defekte ausgleichen. Welche Auswirkungen diese medikamentösen Therapien auf die Lungenfunktion haben, ist noch unklar [84]. Selten sind respiratorische Symptome die Erstmanifestation bei erwachsenen Patienten mit bis dahin undiagnostizierter IEM. Allerdings gibt es etliche Fallberichte über erwachsene Patienten, bei denen erst in höherem Lebensalter eine respiratorische Insuffizienz aufgetreten ist, die durch eine zuvor undiagnostizierte mitochondriale Myopathie hervorgerufen wurde [85].
Zur Beurteilung der Lungenbeteiligung sollten zu Beginn der Untersuchung und anschließend entsprechend der klinischen Indikation bzw. bei Auftreten von Symptomen Lungenfunktionstests durchgeführt werden. Zu den möglichen Interventionen gehören auch nichtinvasive Maßnahmen wie beispielsweise CPAP (continuous positive air pressure). Bei manchen Patienten mit chronischer respiratorischer Insuffizienz und wiederholt notwendigen Intubationen ist unter Umständen eine spezielle anästhesiologische Versorgung wie etwa eine Tracheotomie erforderlich [86].
Schlussfolgerung
Die Zahl der erwachsenen Patienten mit einer angeborenen Stoffwechselkrankheit nimmt aufgrund der immer besseren klinischen Versorgung und umfangreicheren diagnostischen Verfahren zu. Häufig kommt es bei diesen Patienten zu einer Lungenbeteiligung, bei der besondere Aufmerksamkeit geboten ist, da sie spezielle Versorgung und Überwachung erfordert. Die größte Gruppe bilden Patienten mit interstitieller Lungenerkrankung, die durch eine Speicherung komplexer Moleküle bedingt ist, wie beispielsweise bei Sphingolipidose. Erkrankungen der oberen Atemwege treten häufig bei MPS auf, insbesondere bei MPS I, II, IV und VI, und eine respiratorische Insuffizienz mit verminderter FVC kann ein Leitsymptom von LOPD sein. Das therapeutische Vorgehen sollte in einem multidisziplinären Team erörtert werden, dem ein Pulmologe und ein in Stoffwechselerkrankungen erfahrener Arzt angehören, und das idealerweise durch Ärzte unterstützt wird, die über die erforderlichen Fähigkeiten für das Management von Atemwegserkrankungen verfügen, wie Anästhesiologen sowie Hals-, Nasen- und Ohrenärzte. In der Vergangenheit beschränkte sich das Krankheitsmanagement bei zahlreichen IEM auf die unterstützende Behandlung und Symptomlinderung. Heute stehen verschiedene therapeutische Ansätze wie ERT, HSZT und Substratreduktionstherapie zur Verfügung, die die Prognose der IEM-assoziierten Lungenerkrankungen verbessern. Ein klinischer Verdacht, eine frühzeitige Erkennung und rasche Diagnose sowie eine entsprechende Behandlung der respiratorischen Manifestation sind entscheidend, da sie sowohl Auswirkungen auf die Lebenserwartung als auch auf die Lebensqualität der Patienten haben können.
Dank
Wir danken Valentin Basset und Stephane Quarroz vom Service- und Zentrallabor für Hämatologie, Universitätsspital Lausanne, Schweiz, für die histologischen Darstellungen.