Zusammenfassung
Hintergrund: Eine erhöhte Blutdruckvariabilität (BDV) tagsüber ist mit kardiovaskulärem Risiko assoziiert. Frühe Studiendaten deuten darauf hin, dass die obstruktive Schlafapnoe (OSA) zu einer erhöhten BDV tagsüber beitragen könnte. Ziel: Das Ziel dieser Studie war es zu beurteilen, wie sich die CPAP-Entwöhnung (kontinuierlicher positiver Atemwegsdruck) auf die BDV tagsüber auswirkt. Methoden: Insgesamt 183 Patienten, die nach OSA-Diagnose CPAP anwendeten, wurden in vier Studien per Randomisierung der CPAP-Fortführung oder -Entwöhnung zugeteilt. Blutdruckmessungen erfolgten ärztlich morgens als Dreifach-Messreihe zu Studienbeginn und im Follow-up (Tag 14). Außerdem maßen die Patienten ihren Blutdruck täglich zu Hause selbst (Tag 1-13). Der wichtigste untersuchte Endpunkt war der Behandlungseffekt auf die BDV im Rahmen der ärztlichen Visite, ausgedrückt als Standardabweichung (SD) der Dreifach-Messreihen. Weitere Endpunkte waren die BDV bei den Selbstmessungen am Morgen sowie die tägliche BDV laut Selbstmessung. Ergebnisse: Die Variabilität des systolischen Blutdrucks im Rahmen der ärztlichen Visite stieg in Reaktion auf das Wiederauftreten der OSA in der CPAP-Entwöhnungsgruppe signifikant an (Unterschied zwischen den Gruppen bei der SD der systolischen BDV: +1,14 mmHg; 95-%-KI: +0,20/+2,09; p = 0,02). Bei der Variabilität des diastolischen Blutdrucks im Rahmen der ärztlichen Visite sowie der Herzfrequenz war kein statistisch signifikanter Effekt zu verzeichnen (p = 0,38 bzw. 0,07). Auch die Variabilität der Selbstmessungen am Morgen (systolische BDV: p = 0,81; diastolische BDV: p = 0,46) und die der Day-to-day-Selbstmessungen (systolische BDV: p = 0,61; diastolische BDV: p = 0,58) wiesen keine signifikanten Unterschiede zwischen den Gruppen auf. Schlussfolgerung: Die CPAP-Entwöhnung führt zu einem geringfügigen Anstieg der Variabilität des im Rahmen einer ärztlichen Visite gemessenen systolischen Blutdrucks, wirkt sich jedoch nicht auf die am Morgen oder täglich selbstgemessene BDV aus. Wenngleich der Behandlungseffekt durch Antihypertensiva geschmälert sein könnte, ist es doch unwahrscheinlich, dass die OSA zum kardiovaskulären Risiko durch erhöhte BDV tagsüber beiträgt.
Transfer in die Praxis von Simon-Dominik Herkenrath und Prof. Dr. Winfried J. Randerath (Solingen)
Hintergrund
Die obstruktive Schlafapnoe (OSA) ist unabhängiger Risikofaktor für einen arteriellen Hypertonus. Dennoch erscheint der Effekt von CPAP (kontinuierlicher positiver Atemwegsdruck) auf die arterielle Hypertonie in vielen Untersuchungen infolge verschiedener Einflussfaktoren begrenzt. Eine fehlende Therapieadhärenz, der Einschluss nicht-hypertensiver Patienten und eine begleitende optimale Pharmakotherapie erschweren in vielen Fällen eine objektive Bewertung der Effekte von CPAP.
Dennoch konnten Kohler et al. [1] bereits im Vorhinein eine signifikante Reduktion des durchschnittlichen Blutdrucks bei effektiv behandelten Patienten nachweisen. Außerdem wurde gezeigt, dass CPAP den Blutdruck bei Patienten mit therapierefraktärer arterieller Hypertonie verbessert.
Ein gewichtiger Einflussfaktor ist die durchschnittliche Nutzungszeit der CPAP-Therapie. Campos-Rodriguez et al. [2] konnten eine Besserung des Blutdrucks nach 24 Monaten im Falle einer Therapiezeit von mehr als 3,5 h am Tag nachweisen. Vergleichbare Resultate zeigte eine randomisierte kontrollierte Studie [3], bei der es zum Nachweis einer signifikanten Reduktion des Blutdrucks um 10 mmHg bei Patienten mit mittelschwerem bis schwerem arteriellen Hypertonus kam.
Studienergebnisse
Die Arbeitsgruppe um Kohler präsentiert hier eine randomisierte kontrollierte Studie, bei der die longitudinale Blutdruckvariabilität am Tage im Fokus stand. Eine erhöhte longitudinale Visit-to-visit-Blutdruckvariabilität war in vorhergehenden Untersuchungen mit einem erhöhten kardiovaskulären Risiko vergesellschaftet. In der vorliegenden Studie standen die innerhospitale Visit-to-visit- Variabilität am Tage, die longitudinale Variabilität des selbstständig gemessenen Blutdrucks am Morgen und die longitudinale Day- to-day-Variabilität nach 14-tägigem Pausieren einer etablierten CPAP-Therapie im Vordergrund der Betrachtungen. In Bezug auf die innerhospitale Variabilität des Blutdrucks zeigte sich ein geringer, aber statistisch signifikanter Anstieg des systolischen Blutdrucks in der Gruppe derjenigen Patienten, die die CPAP-Therapie für 14 Tage unterbrochen haben (+1,14 mm Hg, 95%-KI +0,20/+2.09, p = 0,02). Weitere signifikante Unterschiede wie eine innerhospi- tale diastolische Blutdruckvariabilität oder Unterschiede der longitudinalen Blutdruckvariabilität in den häuslichen Messungen ergaben sich im Vergleich zu einer Kontrollgruppe, die die CPAP-Therapie fortführte, nicht.
Methodisch wurde sehr sorgfältig gearbeitet. Es wurden nur Patienten eingeschlossen, die eine durchschnittliche CPAP-Nutzungszeit über 4 h und eine manifeste Schlafapnoe aufwiesen (ODI >10/h einer aktuellen Pulsoxymetrie ohne Therapie). Dennoch ist der gewählte Beobachtungszeitraum von nur 14 Tagen vor dem Hintergrund des untersuchten Parameters eine mögliche Hauptursache für den Nachweis allenfalls marginaler Effekte von CPAP auf die longitudinale Variabilität des Blutdrucks am Tage.
Kritik und Fazit für die Praxis
Die pathophysiologischen Effekte einer OSA sind komplex und beinhalten die Freisetzung von Katecholaminen, systemische Inflammation, oxidativen Stress, Insulinresistenz sowie die Freisetzung von Fettsäuren. Durch die Etablierung einer CPAP-Therapie sind diese Effekte kurzfristig zu beeinflussen, sodass mit Abnahme der Katecholamin-Freisetzung auch die innernächtliche Blutdruckvariabilität abnimmt [4]. Langfristig geht die OSA durch die beschriebenen Effekte bekanntermaßen mit einer erhöhten arteriellen Steifigkeit und einem erhöhten Arterioskleroserisiko einher. Zur Evaluation der Auswirkungen einer CPAP-Therapie auf diese langfristigen Veränderungen erscheint der Endpunkt der longitudinalen Blutdruckvariabilität am Tage im Setting einer kurzfristig pausierten CPAP-Therapie wahrscheinlich nicht optimal. Endgültige Rückschlüsse, ob es durch CPAP langfristig nicht doch zu einer positiven Beeinflussung der pathophysiologischen Auswirkungen einer OSA kommen kann, lässt diese Untersuchung nicht zu. Gerade das Wissen über pathophysiologische Mechanismen und die Erkenntnisse vorhergehender Untersuchungen legen den positiven Effekt der CPAP-Therapie in Bezug auf einen arteriellen Hypertonus sogar nahe.
Disclosure Statement
Hiermit erklären wir, dass keine Interessenskonflikte in Bezug auf den vorliegenden Wissenstransfer bestehen.