Hintergrund: Die deutschen Leitlinien zur Langzeit-Sauerstofftherapie (LTOT) wurden im Jahr 2008 von der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie (DGP) veröffentlicht, während die British Thoracic Society (BTS) ihre jüngste Leitlinie 2015 publiziert hat. Ziele: Mit dem vorliegenden Artikel soll verdeutlicht werden, in welchen wichtigen Bereichen Konsens bzw. Dissens zwischen den kürzlich veröffentlichten BTS- und DGP-Leitlinien zur LTOT besteht. Methoden: Es wurde ein direkter Vergleich der BTS- und DGP-Leitlinien in Bezug auf Kongruenzen und Differenzen durchgeführt. Im Anschluss wurde eine kritische Bewertung vorgenommen, und die Vorschläge der Autoren wurden vorgestellt. Ergebnisse: Die beiden Leitlinien sind in zwei Hauptbereichen nahezu deckungsgleich, nämlich (1) bei den Indikationskriterien für LTOT bei Patienten mit chronisch obstruktiver Lungenerkrankung (COPD) im Ruhezustand, und (2) bei der empfohlenen Dauer der LTOT über einen Zeitraum von 24 h. Es wurden jedoch acht Hauptbereiche festgestellt, in denen sich die Leitlinien erheblich unterscheiden: (1) Verfahren zur Blutgasanalyse; (2) zeitlicher Ablauf der LTOT bei stabilen Patienten; (3) LTOT bei COPD-Patienten nach einer Exazerbation; (4) ambulante Sauerstofftherapie; (5) nächtliche Sauerstofftherapie; (6) Dosierung der Sauerstoffdurchflussraten; (7) Nachsorgetermine; und (8) LTOT für Patienten, die noch rauchen. Darüber hinaus ist die BTS-Leitlinie viel detailreicher als die DGP-Leitlinie, enthält mehr Literaturhinweise (161 vs. 71) und ist aktueller. Schlussfolgerung: Es gibt große Unterschiede zwischen den beiden Leitlinien. Viele der in der BTS-Leitlinie aufgeworfenen Aspekte erscheinen sinnvoll im Hinblick auf die aktuelle Literatur, klinische Erfahrung und Verschreibungspraxis. Allerdings fehlt ein internationaler Konsens über LTOT.

Hintergrund

Obwohl eine deutsche Leitlinie zur Langzeit-Sauerstofftherapie (LTOT) Klarheit in der Verordnung ermöglichen solle, bleiben praxisrelevante Fragen offen. Die Aktualisierung der zuletzt 2008 publizierten Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie (DGP) steht aus, weil auf die in der letzten Ausgabe von Karger Kompass Pneumologie bereits erwähnte US-amerikanische Studie [1] gewartet wurde. Die Leitlinie der British Thoracic Society (BTS) ist jüngeren Datums und im Jahr 2015 erschienen.

Studienergebnisse

Der Beitrag von Magnet et al. wählt einen interessanten Ansatz und stellt die britische und deutsche Leitlinie vergleichend gegenüber. Acht wesentliche differente Punkte werden herausgehoben, bewertet und mit einer persönlichen Empfehlung versehen. Unter anderem steht die Methode der Blutgasanalyse (kapillär vs. arteriell) zur Diskussion. Die Autoren befürworten die britische Herangehensweise, die auf die arterielle Blutgasbestimmung setzt. Die arterielle Bestimmung sei genauer als die kapilläre Abnahme. Dadurch sei die Rate unnötig verordneter Sauerstofftherapien durch falsch-pathologische kapilläre Ergebnisse zu senken.

Ein wichtiger Aspekt ist der Zeitpunkt, an dem die Indikation zur LTOT gestellt werden sollte. Auch hier gibt es Unterschiede in den Leitlinien. Übereinstimmend wird eine Verordnung unmittelbar nach einer Hospitalisation oder einer Exazerbation kritisch gesehen. Eine stabile Phase von 3-4 Wochen vor Reevaluation sollte eingehalten werden.

Diskrepanzen bestehen in der Verordnung einer mobilen Sauerstofftherapie. In Deutschland besteht die Indikation, wenn der pO2 um mehr als 5 mmHg auf unter 55 mmHg bei Belastung abfällt und dann eine Verbesserung z.B. der Gehstrecke durch Sauerstoffgabe erreicht wird.

Die Briten sehen dieses Szenario nicht als Indikation, außer im Rahmen einer Rehabilitationsmaßnahme. Ein mobiles System wird verordnet, wenn der Patient nur damit auf die empfohlene Nutzungsdauer von 15 h kommt.

Beide Leitlinien geben keine klare Empfehlung, wie mit aktiven Rauchern umgegangen werden sollte.

In jedem Fall ist dieser Beitrag lesenswert und informativ.

Fazit für die Praxis

Der Großteil der Fragen in der Verordnung der Sauerstofftherapie liegt darin begründet, dass weiterhin noch unklar bleibt, worauf die Wirkung dieser Therapie basiert. Bei chronischer moderater Hypoxämie wird es nicht zu einer relevanten Gewebehypoxie kommen [2], die dann korrigiert werden müsste.

Grundsätzlich werden die Patienten in den bisherigen Studien nicht ausreichend stringent den unterschiedlichen Gruppen der chronisch respiratorischen Insuffizienz zugeordnet, die auch im DRG-System akzeptiert sind. Abzugrenzen sind die hyperkapnische von der hypoxämischen respiratorischen Insuffizienz, d.h. die Unterscheidung von Erkrankungen des Lungenparenchyms im Gegensatz zu Erkrankungen der Atemmuskulatur ist zu berücksichtigen.

Es bleibt die Hypothese zu prüfen, ob die Entlastung der Atemmuskulatur über eine Senkung der Atemarbeit durch die Sauerstofftherapie der entscheidende Grund der Wirkung und damit der Mortalitätssenkung sein wird. Erst dann wird klarer werden, welches die Verordnungskriterien für eine LTOT sind und welche praktischen Details wirklich von Bedeutung sind.

Disclosure Statement

Hiermit erkläre ich, dass keine Interessenskonflikte in Bezug auf den vorliegenden Wissenstransfer bestehen.

1.
Long-term Oxygen Treatment Trial Research Group: A randomized trial of long-term oxygen for COPD with moderate desaturation. N Engl J Med 2016;375:1617-1627.
2.
Köhler D, Haidl P: Sauerstoff in der Medizin. Pneumologie 2011;65:25-35.
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