Zusammenfassung
Hintergrund: Die transbronchiale Lungen-Kryobiopsie ist ein innovatives Verfahren, um Proben aus dem Parenchym von Patienten mit diffusen Lungenparenchymerkrankungen zu entnehmen. Allerdings ist die Technik noch nicht standardisiert, und es besteht Unsicherheit bezüglich des optimalen Protokolls, u.a. im Hinblick auf die Anzahl der Proben, die Biopsiegröße und die Wahl der Biopsiestelle. Ziele: Vergleich der diagnostischen Ausbeute und Komplikationen bei der Kryobiopsie mit verschiedenen Strategien zur Entnahme von Lungengewebe (Anzahl der Proben, Biopsiestelle und Probengröße). Methoden: In die Studie nahmen wir prospektiv 46 Patienten mit Verdacht auf diffuse Lungenparenchymerkrankungen auf, für deren Diagnose eine Biopsie als nützlich erachtet wurde. Alle Patienten wurden einer transbronchialen Lungen-Kryobiopsie unterzogen, und sie wurden nach dem Zufallsprinzip entweder Gruppe A (4 Proben aus demselben Segment) oder Gruppe B (2 Proben aus einem Segment und 2 Proben aus einem anderen Segment desselben Lungenlappens) zugewiesen. Die Auswertung der Proben wurde nacheinander durchgeführt (von der ersten zur letzten Probe). Die Pathologen formulierten ihre histopathologische Diagnose jeweils neu, wenn eine weitere Probe hinzugefügt wurde. Ergebnisse: Die mittlere diagnostische Ausbeute des Eingriffs betrug 69%, wenn die 2 Gruppen kombiniert wurden und nur die erste Probenahme durchführt wurde. Wenn auch eine zweite Biopsie durchgeführt wurde, verbesserte sich die mittlere diagnostische Ausbeute, jedoch war dieser Anstieg nur dann signifikant, wenn die 2 Proben aus 2 verschiedenen Segmenten entnommen wurden (96%, Gruppe B). Schlussfolgerungen: Diese Studie legt nahe, dass bei diffusen Lungenparenchymerkrankungen die Strategie der Durchführung von 2 Biopsien mithilfe einer Kryosonde mit einer erhöhten diagnostischen Ausbeute assoziiert sein kann, sofern diese Proben aus 2 verschiedenen Segmenten innerhalb desselben Lungenlappens entnommen werden.
Transfer in die Praxis von Dr. Manfred Wagner (Nürnberg)
Differentialgiagnostik: histologische Verifizierung notwendig
Diffuse parenchymale Lungenerkrankungen umfassen ein weites Spektrum an Krankheiten und sind dementsprechend komplex in der Diagnostik. Insgesamt betrifft diese Krankheitsgruppe jedoch viele Menschen und kann schwere Krankheitsverläufe verursachen. Insbesondere Todesfälle durch interstitielle Lungenkrankheiten haben in den letzten Jahren zugenommen.
Die Heterogenität dieser Krankheitsgruppe wird in der Arbeit daran deutlich, dass die 45 untersuchten Patienten 16 verschiedenen histologischen Mustern zugeordnet wurden. Das Diagnosespektrum war breit gefächert und erstreckte sich vom Lungenkarzinom über eosinophile Pneumonien und Granulomatosen bis hin zu den interstitiellen Lungenerkrankungen im engeren Sinn.
Klinik, Labor und Bildgebungen können diese Diagnosen in der Regel nicht mit ausreichender Sicherheit belegen. Meist ist eine histologische Verifizierung einer Verdachtsdiagnose notwendig. Die Fortschritte in der Bronchoskopie haben es ermöglicht, dass mittlerweile in den meisten Fällen auf eine chirurgische Biopsie mittels VATS (videoassistierte Thoraxchirurugie) verzichtet werden kann.
Verfahren: Transbronchiale Lungen-Kryobiopsie
Entscheidend ist dabei der Einsatz der transbronchialen Lungen-Kryopbiopsie (TLCB). Auch wenn die Technik als solche seit langer Zeit bekannt ist, wurde sie erst in den letzten Jahren so verfeinert, dass aussagekräftige Biopsien aus dem Lungenparenchym entnommen werden können. Dieses Biopsieverfahren ist bisher nicht standardisiert und Ergebnisse sind deshalb nicht gut vergleichbar. Ravaglia et al. gingen der Frage nach, ob es Vorteile bringt, wenn die Biopsien aus unterschiedlichen Segmenten bzw. Lappen entnommen werden sollten: Diese Frage kann mit «ja» beantwortet werden, auch für die TLCB. Bei der VATS ist dieses Vorgehen seit langem Standard.
In der Arbeit wurden flexible Kryosonden mit einem Durchmesser von 2,4 mm eingesetzt. Das Sondenende wurde mit CO2 auf -74°C abgekühlt, das Lungengewebe wurde 5 s lang angefroren. Damit wurden im Mittel 29-30 mm2 eindrucksvoll große Partikel aus der vitalen Lunge angefroren und herausgerissen.
Eindämmung von Komplikationen: strenge Ein- und Ausschlusskriterien, exakte Bildgebung und Praxiserfahrung
Obwohl die TLCB als sichere Methode gilt, muss das Untersuchungsteam auf Komplikationen vorbereitet sein. Die strengen Ein- und Ausschlusskriterien sind gerechtfertigt und müssen sicherstellen, dass keine Gerinnungsstörung, keine pulmonale Hypertonie und keine schwerwiegende Beeinträchtigung der Lungenfunktion vorliegen, die den Patienten bei einer Blutung oder einem Pneumothorax vital gefährden könnten. Genauso wichtig ist auch eine exakte Bildgebung mittels HR-CT, die den Weg zur Biopsie bei heterogen verteilten diffusen parenchymalen Lungenerkrankungen weist. Sie muss aktuell sein, im Untersuchungsraum vorliegen, und der Untersucher muss Erfahrung und Sicherheit in der Interpretation haben.
Dass in dieser Studie keine schwere Blutung aufgetreten ist, verdanken die Untersucher der guten Patientenselektion und ihrem Geschick, aber auch glücklichen Umständen. Eine schwere Blu- tung kann bei dieser Intervention trotz aller Vorsicht auftreten. Allerdings wäre das Team gut darauf vorbereitet gewesen. Die starre Bronchoskopie bietet neben besseren Beatmungsbedingungen auch günstigere Voraussetzungen für ein effektives Blutungsmanagement, beispielsweise mit dem eingebrachten Fogarty-Ballonkatheter oder anderen Tamponade-Möglichkeiten.
Bei 16% der Patienten trat ein Pneumothorax auf. Auch wenn die Anzahl der notwendigen Pleuradrainagen nicht erwähnt wird, erscheint das hoch. Aber die Tatsache, dass keine anhaltende bronchopleurale Fistel auftrat, spricht dafür, dass die Pneumothoraces kein unlösbares Problem dargestellt haben. Dass trotz Durchleuchtungskontrolle Pleura im Biopsat vorliegen kann, belegt die Unverzichtbarkeit einer radiologischen Überwachung und Steuerung.
Studienergebnisse
Bei der Mehrzahl der Patienten (69%) konnte die Diagnose bereits gemäß der ersten Biopsie gestellt werden. In der Gruppe A (alle Biopsate aus dem gleichen Segment) blieben nur 5 von 22 Fällen und in der Gruppe B (Biopsate aus verschiedenen Lappen bzw. Segmenten) 9 von 23 Fällen nach der ersten Biopsie offen. Das wirft die Frage auf, ob mit einem (ROSE)-ähnlichen Verfahren (rapid on-site evaluation) weitere Biopsien und damit verbundene Komplikationsrisiken vermeidbar gewesen wären. ROSE wird bei EBUS-TBNA Untersuchungen, vor allem Studien eingesetzt. Bei parenchymalen Lungenerkrankungen ist die histologische Diagnostik jedoch in vielen Fällen besonders aufwändig. Allein die Feststellung, ob genügend aussagekräftiges Material vorliegt, ist hierbei nicht immer möglich. Auch wenn der Verzicht auf weitere Biopsate bei der TLCB wegen der größeren Komplikationsrisiken besonders wertvoll wäre, ist der Aufwand hierfür jedoch erheblich, der Nutzen begrenzt und beim derzeitigen Stand in der Routine nicht ohne Weiteres vertretbar.
Nach der zweiten Biopsie stieg die diagnostische Trefferquote auf 78%. Die diagnostische Ausbeute lag unter Berücksichtigung aller Proben in der Gruppe B bei beeindruckenden 96% (McNemarX2-Test), d.h. nur bei einem von 23 Patienten (4%) blieb die Diagnose offen. Nach Auswertung aller Biopsate blieben in der Gruppe A (alle Biopsate aus dem gleichen Segment) 2 von 22 Fällen (9%) unklar.
Insgesamt lag bei 15 Patienten ein UIP-Muster vor (Abb. 1a,b). Diese Patienten hätten bei einer VATS ein gewisses Exazerbationsrisiko vor allem auf der Gegenseite gehabt. Dieses Risiko wurde den Patienten mit der TLCB zwar erspart. Interessant wäre jedoch eine Auswertung im Nachhinein, bei welchen Patienten die Interpretation des HRCT bereits ein definitives UIP-Muster zugelassen hätte.
Beispiele für histologische UIP-Muster im bronchoskopischen Kryobiopsat. a Dichte Fibrose neben relativ gut erhaltenen Lungenarealen (patchy fibrosis), wenige fibroblastische Foci und Bereiche mit sogenanntem Honigwabenmuster. b Dichtes Fibrosemuster und einige fibroblastische Foci.
Beispiele für histologische UIP-Muster im bronchoskopischen Kryobiopsat. a Dichte Fibrose neben relativ gut erhaltenen Lungenarealen (patchy fibrosis), wenige fibroblastische Foci und Bereiche mit sogenanntem Honigwabenmuster. b Dichtes Fibrosemuster und einige fibroblastische Foci.
Fazit für die Praxis
Die multizentrische Studie zeigt eindrucksvoll gute Ergebnisse in sehr erfahrenen Zentren und beantwortet viele Fragen. Neben technischen Gegebenheiten wie der Verwendung der 2,4 mm-Sonde und der Gefrierzeit von etwa 5 s zeigt sie, wie wichtig eine Durchleuchtungseinrichtung, geeignete Ein-und Ausschlusskriterien sowie Sicherheitsvorkehrungen zum Komplikationsmanagement sind. Vor allem aber konnte gezeigt werden, dass die histologische Diagnostik der diffusen parenchymalen Lungenveränderungen von versierten Bronchoskopikern in Zusammenarbeit mit erfahrenen Pathologen gut und sicher möglich ist. Chirurgische Eingriffe können in vielen Fällen vermieden werden.
Zukünftige Bestrebungen sollten dahin gehen, dass im Rahmen einer Standardisierung des endoskopischen Vorgehens die Zahl der Biopsien und damit Komplikationsrisiken minimiert werden und weitere Befundkonstellationen definiert werden, bei denen auf eine invasive Diagnostik ganz verzichtet werden kann. Als wertvoller Schritt in diese Richtung hat sich auch in vielen anderen pneumologischen Zentren ein interdisziplinäres ILD (interstitial lung disease)-Board etabliert.
Disclosure Statement
Hiermit erkläre ich, dass keine Interessenskonflikte in Bezug auf den vorliegenden Wissenstransfer bestehen.