Zusammenfassung
Hintergrund: Aktuelle Daten belegen einen potenziellen Nutzen der Lungensonographie (LUS) in der Erkennung interstitieller Lungenerkrankungen (ILD) durch die Auswertung von B-Linien, dem sonographischen Marker eines pulmonalen interstitiellen Syndroms. Jedoch gibt es bisher keine prospektiven Studien zum Vergleich der LS mit dem Thoraxröntgen (TR) in der ILD-Beurteilung, und es besteht kein Konsens über die konkreten echographischen Diagnosekriterien der ILD. Ziele: Ziele dieser Studie waren, (1) die Verlässlichkeit von LUS und TR in der Erkennung der ILD zu vergleichen mit hochauflösender Computertomographie (HRCT) als Goldstandard, sowie (2) die Verlässlichkeit verschiedener echographischer ILD-Diagnosekriterien zu vergleichen. Methoden: Bei 104 Patienten, die sich einer HRCT wegen Verdacht auf ILD unterzogen, wurde zusätzlich eine LUS durchgeführt. Bei 49 Patienten wurde innerhalb von 3 Monaten nach Auswertung der HRCT ein TR durchgeführt. ILD war definiert als Vorliegen von ≥5 B-Linien in ≥3 Brustbereichen. Wie in vorherigen Studien wurde außerdem ein B-Linien-Gesamtscore (TBLS) berechnet. Die Beobachter der LUS und TR waren gegenüber den HRCT-Ergebnissen und klinischen Daten verblindet. Ergebnisse: Die HRCT ergab ILD bei 50 Patienten. Das TR war spezifisch (91%; 95-%KI 80-100), aber nicht sensitiv (48%; 95-%KI 28-67). Die LUS hingegen zeigte hohe Sensitivität (92%; 95-%KI 84-99), aber geringe Spezifität (79%; 95-%KI 69-90). Bei Verwendung eines TBLS blieb die Sensitivität unverändert, die Spezifität nahm ab. Schlussfolgerungen: Die LUS könnte ein sensitives Instrument zur Erkennung der ILD sein. TR und LUS haben unterschiedliche, aber einander ergänzende Eigenschaften, und ihre kombinierte Anwendung könnte den Bedarf an HRCT verringern. Die Verwendung unterschiedlicher diagnostischer Kriterien für die Definition der ILD hat keinen Einfluss auf die Sensitivität, wohl aber auf die Spezifität.
Transfer in die Praxis von Prof. Dr. Joachim Müller-Quernheim (Freiburg i.Br.)
Hintergrund und Studienergebnisse
Die Diagnostik von diffusen Lungenparenchymerkrankungen (DPLE) erfordert einen breiten Einsatz an diagnostischen Techniken wie Lungenfunktion, Thorax-Röntgenbild (TR), hochauflösende Computertomographie (HRCT), Mikrobiologie, bronchoalveoläre Lavage und Histologie. Die Autoren evaluieren den Wert des Lungen-Ultraschalls (LUS) in diesem epikritischen Prozess der Diagnostik unter der Fragestellung, ob diese Technik das TR ersetzen kann bzw. ob eine Kombination von LUS und TR das HRCT ersetzen könnte. So könnten potenziell auf der medizinischen Seite ionisierende Strahlen minimiert und auf der wirtschaftlichen auch Kosten eingespart werden.
Zwar verbreitet sich der Einsatz von LUS in der Pneumologie zunehmend, jedoch fehlt es an allgemein akzeptierten Kriterien zur Diagnose einer DPLE. Auf dieser Grundlage haben die Autoren zwei Definitionen verglichen: Es wurden beidseits im Liegen jeweils 6 anterolaterale Areale und dann im Sitzen jeweils 6 dorsale Areale auf jeder Seite analysiert. Erfasst wurden nach international akzeptierten Kriterien B-Linien, Konsolidierungen, pleurale Verdickungen und Pleuraergüsse; ein Verdacht auf DPLE wurde geäußert, wenn in mindestens 3 Arealen mindestens 5 B-Linien gezählt wurden. Die Untersuchung dauerte bis zu 15 min. Die zweite Definition der DPLE war ein Gesamtscore der B-Linien.
Unter Nutzung der HRCT als Goldstandard zeigte die LUS eine höhere Sensitivität und eine geringere Spezifizität als das TR. Dies war unabhängig von der gewählten Definition. Die sehr geringe Spezifizität beruht auf der Tatsache, dass die zentralen Anteile der Lunge mit der LUS nicht dargestellt werden können. Die Autoren sehen für die LUS Potenzial für die diagnostische Abklärung der DPLE. Es könnten einerseits HRCTs eingespart werden und andererseits wären TR in bestimmten Situationen verzichtbar.
Fazit für die Praxis
Aktuell kann die LUS lediglich als ergänzende Technik zur diagnostischen Abklärung bei Verdacht auf DPLE eingesetzt werden. Es fehlen spezifische sonographische Kriterien für die Diagnose einer DLPE; die Untersuchung ist zeitaufwändig und das Verfahren abhängig vom Anwender. Es ist kaum vorstellbar, dass sich bei konsequentem Einsatz in der klinischen Routine nennenswerte Einsparungen an HRCTs einstellen werden, für die erfreulicherweise diagnostische Kriterien für eine Reihe von DLPE existieren. Damit sind und bleiben HRCTs für die Differentialdiagnostik, Planung der Bronchoskopie und Therapieindikation unverzichtbar. Klinisch relevant ist zudem die Schwierigkeit der LUS, ein Lungenödem von DPLE klar zu unterscheiden, da viele der Patienten auch eine Herzinsuffizienz aufweisen. Ferner müsste für eine belastbare Aussage die untersucherunabhängige Reproduzierbarkeit der B-Linien-Zählung gewährleistet sein. Für die breite Anwendung ist die Standardisierung vieler technischer Details unverzichtbar. Bei einer indizierten LUS ist es sicherlich sinnvoll, auf pleurale Veränderungen und B-Linien zu achten, um ggf. den Verdacht auf DLPE zu erhärten oder zu schwächen. Die LUS kann jedoch derzeit keine der anderen diagnostischen Techniken ersetzen.
Disclosure Statement
Hiermit erkläre ich, dass keine Interessenskonflikte in Bezug auf den vorliegenden Kommentar bestehen.