Zusammenfassung
Hintergrund: Die Auswirkungen einer langfristigen PAP-Beatmung auf das kardiovaskuläre Risiko von mittel- bis hochgradig adipösen Patienten mit obstruktiver Schlafapnoe (OSA) sind bisher nur unzureichend geklärt. Ziel: Beurteilung der Wirkung von CPAP- oder nichtinvasiver Beatmung (NIV) auf das Auftreten kardiovaskulärer Ereignisse bei adipösen OSA-Patienten. Methoden: Wir führten eine nichtinterventionelle Beobachtungsstudie bei adipösen OSA-Patienten durch, die zwischen 2007 und 2010 in der Schlafklinik der Universität von Grenoble rekrutiert, mit CPAP oder NIV behandelt und 5,6 Jahre lang von einer Organisation für häusliche Pflege nachbeobachtet wurden. Wir beurteilten klinische Merkmale, Blutchemiewerte sowie Atemwegs- und Gefäßfunktion zu Studienbeginn. Kardiovaskuläre Ereignisse wurden mittels telefonischer Befragung untersucht. Ergebnisse: Insgesamt 103 Patienten erklärten sich bereit, an der Studie teilzunehmen (55 Männer, 48 Frauen; das mittlere Alter betrug bei der Diagnose 54,1 ± 10,5 Jahre und der Body-Mass-Index (BMI) 40,3 ± 5,5 (Mittelwert ± Standardabweichung); CPAP: n = 75; NIV: n = 28). Adipositas vom Schweregrad I, II und III lag bei 17,5, 33,0 bzw. 49,5% der Population vor. Bei Patienten in PAP-Behandlung (n = 69) betrug die mittlere nächtliche Nutzungsdauer 6,3 ± 2,4 h. 31 Patienten beendeten die PAP-Behandlung während des Nachbeobachtungszeitraums. 3 Patienten, die NIV anwendeten, verstarben. Nichttödliche kardiovaskuläre Ereignisse (n = 27) traten bei 19 Patienten auf; bei diesen Patienten waren das Lebensalter, die Anzahl der Komorbiditäten und die Triglyceridspiegel höher als bei Patienten ohne Ereignisse. Bei den Patienten, die die Behandlung abgebrochen haben, war die Ereignisrate hoch und korrelierte mit der Anzahl der Komorbiditäten, während der BMI zu Studienbeginn nicht prädiktiv für die Ereignisrate war. Schlussfolgerungen: Die Studie deutet darauf hin, dass eine regelmäßige PAP-Beatmung bei adipösen OSA-Patienten mit einer Schutzwirkung im Hinblick auf das kardiovaskuläre Risiko assoziiert sein könnte, insbesondere bei Vorliegen von Multiborbidität.
Transfer in die Praxis von Simon-Dominik Herkenrath und Winfried J. Randerath (Solingen)
Hintergrund
Wie schwierig die Beurteilung der prognostischen Bedeutung einer Positivdrucktherapie bei obstruktiver Schlafapnoe (OSA) in Bezug auf die kardiovaskuläre Mortalität und Morbidität ist, zeigte die jüngste Diskussion in Bezug auf die Ergebnisse des SAVE-Trial. Bei der bisher größten internationalen, randomisierten und multizentrischen Studie zu diesem Thema mit insgesamt 2717 Teilnehmern und nachfolgend hochrangiger Publikation [1], wurden ähnliche Endpunkte wie bei der vorliegenden Studie von Marotta et al. gewählt (kardiovaskuläre Mortalität und Morbidität inklusive Myokardinfarkt, Apoplex sowie Krankenhausaufenthalte infolge einer instabilen Angina pectoris, Herzinsuffizienz oder transitorischer ischämischer Attacke). Ein additiver Benefit einer CPAP-Therapie bei obstruktiver Schlafapnoe im Rahmen einer Sekundärprophylaxe bei kardiovaskulär vorerkrankten Patienten unter optimaler medikamentöser Therapie konnte im SAVE-Trial nicht nachgewiesen werden. Mögliche Ursachen wie die geringe Schläfrigkeit der Probanden mit geringer CPAP-Adhärenz und niedrige Nutzungszeiten wurden ausführlich diskutiert. Letztlich lässt auch die bisher größte Studie zu diesem Thema keine abschließenden Rückschlüsse zu.
Studienergebnisse und Kritik
Vor dem Hintergrund der Erkenntnisse des SAVE-Trial ergeben sich in der vorliegenden Studie von Marotta et al. in Anbetracht der Probandenzahl (n = 103) insbesondere Defizite in Bezug auf Design und Interpretation:
Inhomogene Studienpopulation
Die untersuchte Population ist inhomogen: Dies bezieht sich sowohl auf die schlafmedizinische Diagnose (OSA/OHS) als auch auf die eingeleitete Therapie (CPAP/NIV). Obschon Probanden mit OHS in der statistischen Auswertung letztlich keine Berücksichtigung fanden, wurden dennoch 28/103 OSA-Patienten mit einer nichtinvasiven Beatmungstherapie behandelt. Dies führt zu der Annahme, dass entweder die schlafmedizinische Diagnose unsauber erhoben, oder die Therapieform inadäquat gewählt ist. Begründet wird das Vorgehen mit einer Intoleranz gegenüber hohen CPAP-Druckwerten, der Persistenz obstruktiver Ereignisse und/oder einer fehlenden Normalisierung der Bikarbonat-Konzentration. Spätestens Letzteres gibt Anhalt für das zusätzliche Vorliegen einer nächtlichen alveolären Hypoventilation, zumindest bei einem Teil der Patienten.
Protektiver Effekt von CPAP/NIV gegenüber kardiovaskulärer Mortalität und Morbidität nicht eindeutig belegt
Die Schlussfolgerung, dass CPAP/NIV einen protektiven Effekt in Bezug auf die kardiovaskuläre Mortalität und Morbidität besitzt, ist vor dem Hintergrund der präsentierten Daten nicht eindeutig belegt: Methodisch wurde die Population nach einem Follow-up von 5,6 Jahren in eine Gruppe von Patienten mit Therapieabbruch und eine Gruppe weiterhin behandelter Patienten aufgeteilt. 31/100 Patienten brachen die CPAP/NIV-Therapie zu einem unbekannten Zeitpunkt innerhalb des Follow-ups ab, 3 Todesfälle wurden in der Gruppe der Patienten mit NIV-Therapie verzeichnet. Es erfolgt die Darstellung von kardiovaskulären Ereignissen/Jahr pro 100 Patienten aufgetrennt nach der Anzahl von Komorbiditäten und fortgesetzter bzw. abgebrochener CPAP/NIV-Therapie. Die genaue Anzahl der Patienten mit 1, 2, 3 und 4 Komorbiditäten ist in der Gruppe der Patienten mit Therapieabbruch nicht klar benannt, jedoch kann vor dem Hintergrund der geringen Anzahl an Komorbiditäten (Mittelwert 1,33) und Patienten mit Therapieabbruch (n = 31) gerade in der Gruppe mit 4 Komorbiditäten und Therapieabbruch keine allzu hohe Patientenzahl vorliegen. Insbesondere der nicht vorhandene Fehlerindikator des Balkens in der zugehörigen Grafik könnte gar vermuten lassen, dass nur ein Patient in diese Gruppe fällt. Lediglich die kombinierte Betrachtung sowohl der CPAP/NIV-Therapie als auch der Anzahl der Komorbiditäten je Patient führt zu statistisch signifikanten Ergebnissen. Hieraus lässt sich jedoch nicht schlussfolgern, dass die PAP-Therapie per se einen protektiven Effekt hat. Eine deutlichere Hervorhebung dieser Einschränkung wäre wünschenswert gewesen.
Fazit für die Praxis
Unter welchen Umständen CPAP in der Behandlung der OSA neben einem unzweifelhaften symptomatischen Benefit auch eine prognostische Bedeutung hat, bleibt in Anbetracht der widersprüchlichen Studienlage weiterhin unklar. Gerade deshalb ist eine saubere Abgrenzung der OSA gegenüber anderen schlafbezogenen Atmungsstörungen wie dem OHS oder der nächtlichen alveolären Hypoventilation von entscheidender Bedeutung. Nur durch saubere Studiendesigns mit einer homogenen Population, einer einheitlichen Therapieform, großen Teilnehmerzahlen und mehreren Studienzentren wird es gelingen, endgültige Rückschlüsse in Bezug auf die prognostische Bedeutung von CPAP bei OSA zuzulassen.
Disclosure Statement
Hiermit erklären die Autoren, dass keine Interessenskonflikte in Bezug auf den vorliegenden Kommentar bestehen.