Hintergrund: Die frühzeitigere Erkennung akuter Exazerbationen (AE) bei chronisch-obstruktiver Lungenerkrankung (COPD) könnte die Zahl von Notfallaufnahmen und stationärer Behandlungen verringern. Die Ergebnisse bisheriger Studien zu COPD-Managementprogrammen mit telemedizinischer Unterstützung sind widersprüchlich. Ziele: Beurteilung der Durchführbarkeit, Sicherheit und Akzeptanz der Telemedizin bei COPD. Methoden: Die Patienten beantworteten täglich einen Online-Fragebogen, der auf die Erkennung von AE-COPD ausgelegt war. Die verwendete Telemedizin-Plattform ist integriert in ein umfassendes elektronisches Patientendaten-Repository, das 2017 laut Gesetz für alle Patienten in der Schweiz verfügbar sein muss. Bei Verdacht auf eine AE-COPD meldete sich das Studienteam telefonisch beim Patienten. Ergebnisse: Von 339 Patienten im Screening wurden 14% in die Studie aufgenommen. Die häufigsten Gründe für den Ausschluss waren mangelnde technische Ausstattung und fehlende Bereitschaft zur Studienteilnahme (50%). Die Daten lagen zu 88% vollständig vor; 94% der Patienten schlossen die Studie ab. Das telemedizinische Vorgehen umfasste 230 Anrufe, die zur Feststellung von 60 AE-COPD bei 22 Patienten führten. Drei AE-COPD wurden nicht erkannt. Die Sensitivität und Spezifität sowie der positive und negative Vorhersagewert des fragebogengestützten telemedizinischen Vorgehens zur Erkennung von AE-COPD betrugen 95, 98, 26 bzw. 99,9%. Die Gesamtzufriedenheit der Patienten im Hinblick auf ihren Gesundheitszustand stieg signifikant (VAS 8-8,7; p = 0,002). Schlussfolgerungen: Die telemedizinische Betreuung zusätzlich zum COPD-Management nach geltendem Therapiestandard ist bei einer ausgewählten Untergruppe der Patientenpopulation durchführbar. Unserer Einschätzung nach könnte eine telemedizinische Strategie für bis zu 50% der COPD-Patienten geeignet sein. Compliance, Akzeptanz und Zufriedenheit der Patienten waren sehr hoch. Mit dem vorgeschlagen Vorgehen entging uns nur eine sehr geringe Zahl von AE-COPD. Allerdings war die telefonische Überprüfung der telemedizinischen Warnmeldungen erforderlich. Insgesamt verzeichneten wir in dieser Machbarkeitsstudie ein positives Aufwand-Nutzen-Verhältnis.

Hintergrund

Spätestens seit der ersten Generation der «digital natives» sind Smartphone, Apps und Tablets/iPads aus dem Alltag nicht mehr wegzudenken. Für die sogenannte Generation Y ist eine Trennung zwischen online und offline längst nicht mehr sinnvoll. Das Internet und vor allem soziale Netzwerke sind zentrale Lebensbestandteile und werden nicht mehr grundsätzlich hinterfragt. In der Medizin stehen der Verbreitung dieser Technologien jedoch noch Vorbehalte entgegen. Eine Ferndiagnose über die neuen Medien steht im konkreten Gegensatz zum alten Leitsatz «Am Telefon und durch die Hose stellt man keine Diagnose». Nach unserer gegenwärtigen Auffassung vom ärztlichen Tun ist es mehr als fraglich, ob die persönliche Arzt-Patienten-Beziehung durch virtuelle Beziehungen ersetzt werden kann. Zudem setzt der Datenschutz für diesen sensiblen Bereich besonders hohe Hürden.

Andererseits bietet die Telemedizin die Möglichkeit den Lebensstil von Patienten direkt zu beeinflussen, um präventive Impulse zu setzen oder Therapien an die aktuelle Situation anzupassen. Der Patient kann von einer maßgeschneiderten Therapie und kontinuierlichen Überwachung seiner Gesundheit profitieren. Für die Gemeinschaft der Sozialversicherten kann sich telemedizinische Versorgung in niedrigeren Aufwendungen für ärztliche Leistungen niederschlagen. Auch die Ärzte können davon profitieren, da der Patient unabhängig von Praxiszeiten und überfüllten Wartezimmern im Team betreut werden kann.

Studienergebnisse

Die Schweizer Gruppe aus St.Gallen untersuchte eine Gruppe von 48 Patienten mit COPD-Stadium GOLD B-D, die mehr als ein Jahr über ein Telemonitoring-System medizinisch überwacht wurde. Jeweils morgens wurde eine SMS mit 8 definierten Fragen zum Gesundheitszustand an die Patienten versendet und die Antworten mittags im Team (Pneumologe und Studienschwester) ausgewertet. Die Patienten wurden angerufen und beraten, wenn eine Exazerbation entdeckt wurde. Bei Nichtbeantwortung wurde eine Erinnerung per SMS versendet, um die Teilnahmequote zu erhöhen. Dies führte dazu, dass die Daten an 88% der Tage erhoben werden konnten. Unter den Patienten waren 27 von 40 (67,5%) sauerstoffpflichtig, und 11 von 40 (27,5%) benötigen sogar eine nichtinvasive Beatmung. Die hohe Zahl von 60 entdeckten Exazerbationen ist daher durchaus plausibel. Aus Patientensicht wurde das Konzept gut angenommen, die Zufriedenheit nahm mit der Dauer der Überwachung sogar zu. Die Kosten-Nutzen Analyse der frühzeitigen Entdeckung von Exazerbationen ergab durchschnittliche Kosten von 80 CHF pro Patient und Jahr.

Kritik und Fazit für die Praxis

Die vorliegende Studie zeigt die gute Akzeptanz eines medizinischen Telemonitoring bei motivierten und vorher ausgewählten Patienten mit COPD. Die Vermeidung von Krankenhausbehandlungen wurde angestrebt, kann im vorliegenden Fall aber durch die Selektion besonders complianter Patienten beeinflusst worden sein. Es ist zudem ein grundsätzlicher Nachteil der Methode, dass die Auswertungen nur wochentags erfolgten.

Dennoch ist der Vormarsch des Telemonitoring im Lifestyle-Bereich, wo Pulsuhren und Fitness-Überwachungsapps einen Boom erleben, nicht aufzuhalten. Auch in der Medizin können bereits zahlreiche Körperfunktionen durch Telemonitor-Systeme überwacht werden. Risikopatienten kommen schneller in die Klinik, oder passen ihre Medikation unter Anleitung und Überwachung an den aktuellen Bedarf an. Es gibt zahlreiche positive Telemonitoring-Beispiele aus der Kardiologie, der Onkologie und der Pneumologie, wo die Patienten teils durch Ärzte oder auch Schwestern betreut wurden. Unklar ist dabei, inwieweit die freie Arztwahl mit der technologischen Bindung des Patienten an das telemedizinische Zentrum noch gewährleistet ist. Aus Patientensicht ist es sicher beruhigend, wenn ein Ärzte- bzw. Schwesternteam dem der Patienten vertraut, seine Daten täglich ansieht und immer ansprechbar ist bzw. mit Rat zur Seite steht. Die Frage, wer diese aufwendige Betreuung übernehmen kann und wie die Finanzierung dieser Leistungen erfolgen soll, steht der flächendeckenden Verbreitung jedoch noch im Wege. Aus berufspolitischer Sicht muss unbedingt darauf geachtet werden, dass Billiganbieter mit fragwürdiger Qualifikation diesen «Markt» nicht für sich in Anspruch nehmen.

Hiermit erkläre ich, dass keine Interessenskonflikte in Bezug auf den vorliegenden Kommentar bestehen.

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