Zusammenfassung
Hintergrund: Mit der zunehmenden Verbreitung von Lungenkrebs-Screenings gewinnt auch die minimalinvasive Untersuchung solitärer Lungenrundherde an Bedeutung. Ziele: Wir berichten über die Ergebnisse der erstmaligen Anwendung eines kürzlich entwickelten bronchoskopischen Verfahrens, bei dem solitäre Lungenrundherde auf transparenchymalen Wege erreicht werden. Methoden: Es handelte sich um eine prospektive, einarmige Interventionsstudie. Wir untersuchten Patienten mit einem solitären Lungenrundherd in der CT-Bildgebung, bei denen der Verdacht auf einen malignen Tumor bestand. Anhand der CT-Aufnahme des Patienten wurden ein Zugangspunkt (POE; point of entry) in den Atemwegen sowie ein avaskulärer Weg vom POE durch das Lungengewebe bis zum solitären Lungenrundherd berechnet. Mit einem Set katheterbasierter Instrumente und unter fusionierter Fluoroskopie wurde ein getunnelter Trakt vom POE bis zum Rundherd angelegt. Die Patienten blieben zur Beobachtung für mindestens 72 h in unserer Klinik. Der primäre Endpunkt der Studie war die Beurteilung der Machbarkeit eines Zugangs und einer Biopsie bei solitären Lungenrundherden außerhalb eines Operationssaals. Ergebnisse: Es wurden 6 Patienten rekrutiert; bei 5 Patienten wurde ein getunnelter Weg angelegt. Während der Eingriffe traten keine unerwünschten Ereignisse auf. In 2 Fällen wurde 2 h nach dem Eingriff ein Pneumothorax mittels Thoraxröntgen diagnostiziert; in einem Fall machte der Pneumothorax eine Drainage erforderlich. Bei allen 5 Patienten, bei denen ein getunnelter Pfad angelegt wurde, konnten adäquate Biopsieproben entnommen werden. Schlussfolgerungen: Die Studie belegt, dass ein bronchoskopischer transparenchymaler Zugang zu solitären Lungenrundherden außerhalb des Operationssaals durchführbar ist. Übersetzung aus Respiration 2016;91:302-306 (DOI:10.1159/000445032)
Experten-Kommentar
Hintergrund
Bei mehr als jedem vierten Patienten wird im CT der Lunge zufällig ein Rundherd entdeckt. In der Praxis ist es häufig ein großes Problem, die Malignom-Wahrscheinlichkeit und das postoperative Risiko vorherzusagen. Bei hohem Malignom-Risiko, guter funktioneller Operabilität und der Option einer kurative Resektion fällt es leicht, die Indikation zur Operation zu stellen. Befunde mit geringer Malignom-Wahrscheinlichkeit werden gegebenenfalls im Verlauf kontrolliert.
Für alle anderen Patienten wird derzeit versucht, in Empfehlungen und Leitlinien über komplexe Flussdiagramme der Situation gerecht zu werden. Wenn sich therapeutische Konsequenzen ergeben, soll eine histologische Abklärung mit möglichst geringer Invasivität versucht werden. Hierbei können Materialentnahmen von außen oder durch die Atemwege von innen erfolgen. Bei der Punktion von außen unter CT-Kontrolle, seltener sonografisch, variiert das Komplikationsrisiko stark. Die Pneumothoraxraten werden um 15% angegeben. Bei sehr schlechter Lungenfunktion könnte ein solches Ereignis in ungünstigen Situationen lebensbedrohlich werden, weshalb bei manchen Patienten darauf verzichtet werden muss. Die Biopsie von innen kann nur bronchoskopisch erfolgen und war damit bisher immer an die anatomischen Strukturen gebunden. Um die Erfolgsaussichten abzuschätzen, wird deshalb im vorher durchgeführten CT neben anderen Kriterien auch auf das sogenannte bronchus sign, einen zum Herd führender Atemweg, geachtet.
Transfer in die Praxis
In diesem Artikel wird ein komplett neuer Einsatzbereich der Bronchoskopie beschrieben, in dem ein endoskopisches Vorgehen nicht mehr an anatomische Strukturen gebunden ist.
BTPNA (bronchoscopic transparenchymal nodule access) beschreibt erstmals eine Nadelbiopsie über das Bronchoskop durch das Lungenparenchym nach Abgleich zwischen Durchleuchtungseinheit und dem Archimedes Virtual Bronchoscopy Navigation System. Das Verfahren wird damit unabhängig von einem möglichen «bronchus sign». In dieser Arbeit wird belegt, dass dieses Vorgehen bei 5 von 6 Patienten machbar war und aussagekräftiges Material erbracht hat. Eine Prozedur konnte wegen Software-Problemen nicht durchgeführt werden. Alle 5 Patienten hatten ein Lungenkarzinom, darunter ein kleinzelliges Bronchialkarzinom. Bei den 4 operierten Patienten wurde die Histologie im chirurgischen Resektat bestätigt. Dass während der Prozedur keine Komplikation aufgetreten ist, ist sicher auch dem Geschick der beiden sehr erfahrenen Untersucher zu verdanken sowie der Auswahl der Punktionsstelle durch die Bronchuswand (POE; point of entry) auf dem 1,3-7,5 cm langen Tunnelweg durch das Lungenparenchym unter Meidung von vaskulären Strukturen. Der Zeitaufwand war erheblich: 8-20 min zur Planung und 8-25 min zur Durchführung. Die Durchleuchtungszeiten betrugen 1,3-7,5 min. Die Rundherde hatten eine Größe zwischen 15 und 26 mm. Der Abstand zur Pleura betrug 1-39 mm. Die beiden Patienten mit dem geringsten Pleura-Abstand haben danach einen Pneumothorax entwickelt, wobei einer drainagepflichtig war. Stichkanalmetastasierungen sind bei transthorakalen Punktionen beim Lungenkarzinom selten. Ob dieses Risiko für die BTPNA ganz auszuschließen ist, ist derzeit nicht bekannt.
Diese Methode vereint Vorteile, aber auch Risiken und Komplexität von Bronchoskopie und CT-Punktion. Es werden sowohl an die Untersucher als auch an die Technik und Software hohe Anforderungen gestellt. Dies gilt sowohl für die Durchführung als auch für das Management möglicher Komplikationen. Zum jetzigen Zeitpunkt und in naher Zukunft sind die notwendigen Voraussetzungen sicher nur in wenigen Zentren zu schaffen. Funktionell sehr schlechte Patienten könnten durch einen Pneumothorax vital gefährdet werden. Hier ist im Einzelfall zu erwägen, ob eine VATS mehr Sicherheit bieten kann.
Fazit
Zweifellos besteht bereits jetzt ein Bedarf für diese Methode, auch wenn nur ein geringer Prozentsatz der sehr hohen Zahl von Fällen mit Rundherden davon profitieren wird. Besonders hilfreich wird es für Patienten sein, die zwar funktionell ausreichend, jedoch nicht kurativ resektabel sind und bei denen wegweisende therapeutische Konsequenzen erwartet werden. Die BTPNA ist ein weiteres Beispiel dafür, wie stark die Bronchoskopie von neuen Entwicklungen profitiert, kontinuierlich neue Einsatzbereiche erschließt und damit zu den besonders zukunftsträchtigen Methoden zählt.