Zusammenfassung
Hintergrund: Es ist bekannt, dass endotheliale Dysfunktion im Kontext von obstruktiver Schlafapnoe (OSA) oder Tabakkonsum auftreten kann. Die schädlichen Auswirkungen auf die vaskuläre Funktion bei gleichzeitigem Vorliegen beider Bedingungen sind hingegen weitgehend unbekannt. Ziel: Untersuchung der Frage, ob die Gleichzeitigkeit von OSA und Rauchen eine additive Schädigung im Hinblick auf endotheliale Dysfunktion bewirkt. Methoden: Eine männliche Population aus China ohne chronische innere Erkrankungen in der Vorgeschichte wurde gebeten, einen Fragebogen unter anderem zur Rauchexposition in Packungsjahren zu beantworten und sich einer Polysomnographie und einer peripheren arteriellen Tonometrie (PAT) zur Beurteilung der endothelialen Funktion zu unterziehen. Gemessen wurden die Serumwerte von 8-Isoprostan, AOPP (advanced oxidation protein products) und MCP-1 (monocyte chemo-attractant protein-1). Ergebnisse:114 Männer wurden in die Studie eingeschlossen. Die PAT-Ratio, korrigiert für Alter und Body-Mass-Index, korrelierte invers mit dem Gesamt-Schweregrad der OSA: Apnoe-Hypopnoe-Index (AHI), r = -0,160 (p = 0,092); Sauerstoff-Entsättigungsindex, r = -0,214 (p = 0,024); Dauer der Sauerstoffsättigung <90%, r = -0,219 (p = 0,020) und Mindest-Sauerstoffsättigung, r = 0,250 (p = 0,008). Die PAT-Ratio sank mit steigender Zahl der Packungsjahre (p = 0,018). Sie war niedriger, wenn Raucheranamnese und mittelschwere bis schwere OSA (AHI ≥15/h) gleichzeitig vorlagen, als wenn nur einer oder keiner der Faktoren gegeben war (p = 0,011). Die Serumwerte von 8-Isoprostan und AOPP hingen positiv mit der Schwere der OSA zusammen, während MCP-1 mit der Quantität der Rauchexposition korrelierte. Multiple lineare Regressionsanalysen ergaben, dass die Schwere der intermittierenden Hypoxie, der MCP-1-Wert und die Zahl der Packungsjahre unabhängig Prognosefaktoren für die PAT-Ratio waren. Schlussfolgerung: Während OSA - insbesondere intermittierende Hypoxämie - und Rauchen für sich genommen schon unabhängige Risikofaktoren darstellten, war das gleichzeitige Vorliegen von mittelschwerer bis schwerer OSA und Tabakkonsum mit den schwersten Beeinträchtigungen der endothelialen Funktion assoziiert. Übersetzung aus Respiration 2016;91:124-131 (DOI:10.1159/000443527)
Experten-Kommentar
Hintergrund
Die obstruktive Schlafapnoe (OSA) ist inzwischen ein anerkannter Risikofaktor für die Entwicklung einer Arteriosklerose und rückt immer mehr in den Fokus wissenschaftlicher Forschungsarbeiten. In der vorliegenden Studie wurde die endotheliale Dysfunktion als Vorläufer einer Arteriosklerose über eine periphere arterielle Tonometrie bei gesunden Probanden untersucht. Hierbei stand insbesondere der additive Nachteil einer OSA und eines gleichzeitigen Tabakkonsums im Fokus. Zusätzlich lag ein Augenmerk auf der Bestimmung von AOPP (advanced oxidation protein products) und Serum 8-Isoprostane als Marker für oxidativen Stress sowie von MCP-1 (monocyte chemo-attractant protein-1). Hierbei handelt es sich um einen inflammatorischen Mediator, der eine Monozyten-Infiltration in arteriosklerotischen Plaques vermittelt.
Es konnte gezeigt werden, dass AOPP und 8-Isoprostane mit dem Ausmaß der OSA korrelieren, wohingegen eine Assoziation zum Ausmaß des Tabakkonsums nicht vorlag. Demgegenüber zeigte sich ein erhöhtes Level von MCP-1 bei Rauchern, verglichen mit der Gruppe der Nichtraucher. Eine Assoziation zum Ausmaß der OSA konnte in der vorliegenden Studie nicht nachgewiesen werden, obschon erhöhte MCP-1-Level bei Patienten mit OSA in kleineren Studien bereits nachweisbar waren [1,2].
An der Ausbildung einer Arteriosklerose sind multiple Zellsysteme wie Monozyten, T-Lymphozyten, Makrophagen und Mastzellen beteiligt. Interferon-γ, eine lokale Komplementaktivierung, die verminderte Produktion beziehungsweise der vermehrte Abbau von Kollagen sowie die Apoptose glatter Muskelzellen spielen bei der akuten Plaqueruptur mit konsekutivem Auftreten eines Myokardinfarktes oder eines ischämischen Schlaganfalls eine große Rolle [3,4,5,6,7,8]. Die Pathophysiologie der Arteriosklerose und akuter Plaquerupturen ist vor dem Hintergrund der Komplexität immer noch Gegenstand aktueller Forschungsarbeiten.
Transfer in die Praxis
Die Arbeitsgruppe von Lui leistet mit der vorliegenden Studie einen wichtigen Beitrag, das Risiko einer schweren Beeinträchtigung der endothelialen Funktion durch gleichzeitiges Vorliegen einer mittelschweren bis schweren OSA und Tabakkonsum besser einschätzen zu können. Gerade vor dem Hintergrund der multifaktoriellen Genese einer Arteriosklerose und akuter Plaquerupturen sind multimodale Therapieansätze zur Risikoreduktion unerlässlich. Die hier gewonnen Erkenntnisse helfen im klinischen Alltag, besser über eine Therapieeinleitung entscheiden zu können - gerade bei jüngeren Patienten mit grenzwertigen Befunden ohne Komorbiditäten, jedoch mit OSA in Kombination mit chronischem Tabakkonsum.
Dass die oben aufgeführten Biomarker (8-Isoprostane, AOPP) als Prädiktoren für das Vorliegen einer OSA im klinischen Alltag Eingang finden werden, ist trotz nachgewiesener Korrelation mangels Spezifität nicht zu erwarten. Lediglich bei der Einschätzung des Gesamt-Arterioskleroserisikos können diese behilflich sein.
Das Vorliegen erhöhter MCP-1-Level ist für viele Erkrankungen wie die chronisch obstruktive Lungenerkrankung und die arterielle Hypertonie nachgewiesen worden [9,10]. In der vorliegenden Studie ist mit hoher Wahrscheinlichkeit erneut die geringe Spezifität eines erhöhten MCP-1-Levels Ursache eines fehlenden Nachweises einer Korrelation zur OSA, obschon das Patientenkollektiv keine bekanntermaßen bestehenden Komorbiditäten besaß.
Fazit
Der Arbeitsgruppe von Lui gelingt der Nachweis, dass bei Vorliegen einer OSA und eines gleichzeitigen Tabakkonsums ein additiver Nachteil hinsichtlich des Arterioskleroserisikos gegenüber dem Vorliegen nur eines bzw. keines Risikofaktors besteht. Gerade dieser additive Nachteil betont noch einmal die Notwendigkeit und Wichtigkeit einer ausführlichen Anamnese, um das individuelle Risiko für Folgeerkrankungen gerade bei grenzwertig behandlungsbedürftiger OSA besser abschätzen und über eine etwaige Therapieeinleitung besser entscheiden zu können. Der Einzug der Biomarker in den klinischen Alltag ist mangels Spezifität eher unwahrscheinlich, macht aber erneut die Bedeutung der OSA und des Tabakkonsums als Risikofaktoren einer Arteriosklerose deutlich.