Abstract
Hintergrund: Für die Behandlung der pulmonalen Hypertonie (PH) in Verbindung mit chronisch-obstruktiver Lungenerkrankung (COPD) gibt es keine Therapieempfehlungen. Ziel: Beurteilung der Auswirkung einer PH-spezifischen Therapie bei Patienten mit COPD. Methoden: Alle konsekutiven Patienten mit schwerer PH (mittlerer Pulmonalarteriendruck (mPAP) ≥35 mmHg) und COPD, die spezifische PH-Medikation erhielten und sich zu Behandlungsbeginn sowie nach 3- bis 12-monatiger Behandlung einer Rechtsherzkatheteruntersuchung unterzogen, wurden anhand einer prospektiven Registerauswertung analysiert. Ergebnisse: 26 Patienten wurden in die Studie eingeschlossen; das Follow-up dauerte im Median 14 Monate. Die mittlere Einsekundenkapazität betrug 57 ± 20% des Sollwerts, und das Verhältnis von Einsekundenkapazität zu forcierter Vitalkapazität betrug im Mittel 47 ± 12%. Die Dyspnoe lag NYHA-(New York Heart Association) Schweregrad II bei 15%, im NYHA-Grad III bei 81% und im NYHA-Grad IV bei 4%. Die Erstlinientherapien umfassten Endothelin-Rezeptor-Antagonisten (11 Patienten), Phosphodiesterase-5-Hemmer (11 Patienten), Kalziumkanalblocker (1 Patient), Kombinationstherapien (3 Patienten; davon bei 2 mit einem Prostanoid). Nach 6 ± 3 Monaten war der pulmonale Gefäßwiderstand von 8,5 ± 3 auf 6,6 ± 2 Wood-Einheiten gesunken (p < 0,001), mit signifikanten Verbesserungen des Herzindex von 2,44 ± 0,43 auf 2,68 ± 0,63 Liter × min × m-2 (p = 0,015) und des mPAP von 48 ± 9 auf 42 ± 10 mm Hg (p = 0,008). Bei Dyspnoe, 6-Minuten-Gehstrecke, echokardiographischen Parametern sowie dem NT-proBNP-Spiegel bestand kein signifikanter Unterschied. Auch bei der arteriellen Sauerstoffsättigung nach 3- bis 12-monatiger Behandlung lag kein signifikanter Unterschied vor. Schlussfolgerungen: Spezifische Medikation bei PH kann hämodynamische Parameter bei COPD-Patienten mit schwerer PH verbessern. Geeignete prospektive, randomisierte Studien sind erforderlich, um den potenziellen langfristigen klinischen Nutzen einer solchen Therapie zu beurteilen. Übersetzung aus Respiration 2015;90:220-228 (DOI:10.1159/000431380)
Experten-Kommentar
Transfer in die Praxis
Viele Patienten leiden an einer COPD. Ein moderater Teil der COPD-Patienten entwickelt ein chronisches Cor pulmonale mit einer milden bis moderaten pulmonalen Hypertonie (PH). Nur bei einem sehr kleinen Teil der COPD-Patienten findet sich eine schwere PH bzw. schwere Rechtsherzinsuffizienz. Unter einer schweren PH bei Lungenerkrankung versteht man nach der aktuellen Leitlinie zur PH einen mittels Rechtsherzkatheter gemessenen mittleren Pulmonalarteriendruck >35 mm Hg oder einen mittleren Pulmonalarteriendruck ≥25 mm Hg und einen Herzindex <2,5 l × min × m2 bei einem pulmonalkapillären Verschlussdruck von ≤15 mm Hg. Bei diesen Fällen kann man vermuten, dass neben der COPD auch eine eigenständige oder mit der COPD assoziierte Form der pulmonalvaskulären Erkrankung vorliegt, die gegebenenfalls von einer vasoaktiven Therapie der PH profitieren kann.
In der vorliegenden Studie wurde von einer französischen Arbeitsgruppe in einer retrospektiven Registerauswertung von Patienten mit PH eine Subgruppe von 26 COPD-Patienten identifiziert, die an einer schweren PH litten und vasoaktiv behandelt wurden. Alle Patienten erhielten initial und in der Verlaufskontrolle nach 6 Monaten (Mittel) einen Rechtsherzkatheter. Unter der vasoaktiven Therapie der schweren PH besserten sich erwartungsgemäß die hämodynamischen Parameter (mittlerer Pulmonalarteriendruck, Herzindex und pulmonalvaskulärer Widerstand). Interessanterweise resultierte dies jedoch nicht in einer funktionellen Besserung der Patienten. Die 6-Minuten-Gehstrecke zeigte unter der vasoaktiven Therapie eine nicht signifikante Tendenz zu Besserung. Die echokardiographischen Parameter der Rechtsherzinsuffizienz und das NT-proBNP besserten sich nicht.
Fazit
Bisher gibt es keine Empfehlung, Patienten mit COPD und PH vasoaktiv zu behandeln. Nur bei den sehr seltenen Fällen von schwerer PH kann in einem erfahrenen Zentrum ein Therapieversuch diskutiert werden. Eine klare Strategie, wie die Patienten anhand spezifischer Charakteristika identifiziert werden können, existiert bislang nicht. Die Hämodynamik der COPD-Patienten mit schwerer PH lässt sich durch die vasoaktive Therapie verbessern. Relevante Nebenwirkungen der Therapie waren nicht zu sehen, die gefürchteten relevanten Abfälle der Oxygenierung waren nur selten nachweisbar. Wenn die vasoaktive Therapie jedoch nicht zu einem besseren funktionellen Outcome, einer geringeren Morbidität oder Mortalität der Patienten führt, kann diese noch nicht empfohlen werden. Zukünftige kontrollierte und randomisierte Studien mit dieser speziellen Patientengruppe müssen zeigen, ob bei einer längeren Therapiedauer ein positiver Effekt auf das Outcome der Patienten mit COPD und schwerer PH zu erzielen ist.