Zusammenfassung
Hintergrund: Während die Auswirkungen der obstruktiven Schlafapnoe (OSA) auf das kardiovaskuläre Risiko bei Patienten mittleren Alters recht gut untersucht sind, wird noch diskutiert, ob die OSA auch bei älteren Menschen das Risiko erhöht. Arterielle Gefäßsteifigkeit gilt bereits als früher unabhängiger Prädiktor für das kardiovaskuläre Risiko. Ziele der Studie: Das Ziel der Studie war, festzustellen, ob OSA bei älteren Menschen signifikante Auswirkungen auf die Gefäßsteifigkeit hat und wie sich Komorbiditäten auf die Assoziation zwischen Gefäßsteifigkeit und OSA auswirken. Methoden: Wir führten in einer Universitätsklinik eine Querschnittsstudie durch. Probanden höheren Alters (≥60 Jahre) wurde zwischen November 2010 und Januar 2013 die Teilnahme angeboten. Die OSA-Diagnostik erfolgte mittels Goldstandard-Polysomnografie, die Beurteilung der Gefäßsteifigkeit anhand der Arm-Knöchel-Pulswellengeschwindigkeit (baPWV), des Herz-Knöchel-Gefäßindex (CAVI) und des zentralen systolischen und diastolischen Blutdrucks (cSBP und cDBP). Die Konzentration hochempfindlichen C-reaktiven Proteins (hs-CRP) wurde ebenfalls gemessen. Ergebnisse: Wir stellten keinen signifikanten Zusammenhang zwischen dem Schweregrad der OSA und den Gefäßsteifigkeitsparametern cSBP, cDBP, baPWV, CAVI und hs-CRP fest. Bei Patienten ohne Begleiterkrankungen oder -medikation (n = 101) war jedoch eine geringfügige Assoziation zwischen OSA und Gefäßsteifigkeitsparametern sowie hs-CRP festzustellen. Schlussfolgerung: Wir gelangen zu der Schlussfolgerung, dass OSA bei einer ansonsten gesunden Population höheren Alters mit erhöhter Gefäßsteifigkeit assoziiert ist, wobei diese Assoziation durch Begleiterkrankungen und -medikation abgeschwächt wurde, möglicherweise aufgrund von Deckeneffekten. Übersetzung aus Respiration 2015;89:304-311 (DOI: 10.1159/000371768)
Experten-Kommentar
Transfer in die Praxis
Die wechselseitige Beeinflussung von schlafbezogener Atmungsstörung und kardiovaskulärer Morbidität und Mortalität ist in den letzten Jahrzehnten sowohl in den Fokus des wissenschaftlichen als auch des klinischen Interesses gerückt.
Die in der hier vorgestellten Studie von Kim et al. verwendeten Messparameter zur Bestimmung der arteriellen Steifigkeit als Ausdruck einer Arteriosklerose und Atheromatose sind gut validiert und korrelieren mit der kardiovaskulären Morbidität und Mortalität.
2010 hat die Arbeitsgruppe um Kim und Chung [1] bereits eine Korrelation zwischen obstruktiver Schlafapnoe und der arteriellen Steifigkeit bei männlichen Probanden mittleren Alters zeigen können. Dieser Nachweis gelang nun in der Gruppe der über 60-Jährigen nicht.
Vor dem Hintergrund einer multifaktoriellen Genese der Arteriosklerose ist kritisch zu hinterfragen, ob die gewählte Studienpopulation und das Studiendesign von Kim et al. geeignet sind, eine Korrelation zwischen obstruktiver Schlafapnoe und kardiovaskulärer Morbidität und Mortalität in der älteren Bevölkerung nachzuweisen. Des Weiteren sind die genutzten Parameter zur Beschreibung der arteriellen Steifigkeit sehr sensibel und eignen sich eher zur Beschreibung von Veränderungen in der Frühphase einer Arteriosklerose. Interessant wäre die Entwicklung der arteriellen Steifigkeit unter Behandlung der obstruktiven Schlafapnoe über einen definierten Zeitraum. Besondere Berücksichtigung sollte dabei dem Verlauf der Arteriosklerose und dem Auftreten kardiovaskulärer Ereignisse zukommen. Möglicherweise lässt sich das Fortschreiten der arteriellen Steifigkeit durch eine Überdruckbehandlung bei obstruktiver Schlafapnoe positiv beeinflussen.
Fazit
Die Bedeutung der obstruktiven Schlafapnoe in der Gruppe der über 60-Jährigen mit kardiovaskulären Begleiterkrankungen und deren Behandlung muss weiterhin Gegenstand der aktuellen Forschung sein. Neben prognostischen Gesichtspunkten sollten auch Aspekte wie Tagesschläfrigkeit, Schlafqualität, Unfallrisiko, Lebensqualität, kognitive Fähigkeiten und sozioökonomische Parameter Beachtung finden. Nur durch eine umfassende Betrachtung über einen zeitlichen Längsschnitt können Therapieempfehlungen für ältere Patienten gegebenenfalls angepasst werden.
Zum Weiterlesen: Ou et al. [2] wiesen jüngst eine Reduktion von Mortalität und kardiovaskulären Ereignissen durch eine CPAP-Therapie (CPAP = continuous positive airway pressure) bei mittelgradiger und schwerer obstruktiver Schlafapnoe auch bei älteren Patienten nach.