Zusammenfassung
Hintergrund: Kardiovaskuläre Erkrankungen sind die häufigste Todesursache bei Patienten mit chronisch-obstruktiver Lungenerkrankung (COPD). Die Auswirkungen kardiovaskulärer Begleiterkrankungen auf die Prognose der COPD sind jedoch weitgehend ungeklärt. Ziele: Das Ziel dieser Studie war es, die Auswirkungen kardiovaskulärer Begleiterkrankungen auf die Prognose der COPD zu untersuchen. Methoden: Wir schlossen 229 Patienten mit COPD ein, die sich zwischen Januar 2000 und Dezember 2012 am Ajou University Hospital größeren kardialen Untersuchungen wie einer Koronarangiografie und Echokardiografie unterzogen hatten. Bei dieser retrospektiv untersuchten Kohorte führten wir Überlebensanalysen durch. Ergebnisse: Kaplan-Meier-Analysen ergaben, dass COPD-Patienten ohne Linksherzinsuffizienz (mittlere Überlebenszeit 12,5 ± 0,7 Jahre) länger überlebten als COPD-Patienten mit Linksherzinsuffizienz (mittlere Überlebenszeit 6,7 ± 1,4 Jahre; p = 0,003) und dass die Überlebenszeit von nichtanämischen COPD-Patienten (mittlere Überlebenszeit 13,8 ± 0,8 Jahre) länger war als die von anämischen COPD-Patienten (mittlere Überlebenszeit 8,3 ± 0,8 Jahre; p < 0,001). Die Überlebenszeit bei COPD und koronarer Herzkrankheit (KHK; mittlere Überlebenszeit 11,37 ± 0,64 Jahre) unterschied sich nicht von der bei COPD ohne KHK (mittlere Überlebenszeit 11,98 ± 0,98 Jahre; p = 0,703). Einem multivariaten Cox-Regressionsmodell zufolge waren eine niedrigere Hämoglobinkonzentration, eine niedrigere linksventrikuläre Ejektionsfraktion und eine niedrigere Einsekundenkapazität (FEV1) unabhängig mit einer höheren Mortalität in der Gesamtgruppe der COPD-Patienten assoziiert (p < 0,05). Schlussfolgerungen: Die Hämoglobinkonzentration, die linksventrikuläre Ejektionsfraktion und eine niedrigere FEV1 wurden als unabhängige Risikofaktoren für die Mortalität von COPD-Patienten identifiziert, die sich einer umfangreichen Herzuntersuchung unterzogen; dies weist darauf hin, dass die Versorgung von COPD-Patienten interdisziplinäre Ansätze erfordert. Übersetzung aus Respiration 2015;90:199-205 (DOI: 10.1159/000437097) © 2016 S. Karger GmbH, Freiburg
Experten-Kommentar
Transfer in die Praxis
Bei Patienten mit chronisch-obstruktiver Lungenerkrankung (COPD) stellen kardiovaskuläre Erkrankungen eine sehr häufige Todesursache dar.
In der hier kommentierten Studie versuchte eine südkoreanische Arbeitsgruppe mit einer retrospektiven Analyse herauszufinden, welchen Einfluss kardiovaskuläre Komorbidität auf die Langzeitmortalität bei COPD hat.
In der Datenbank der Klinik wurden 5207 Patienten identifiziert, die sich dort sowohl in der Kardiologie als auch der Pneumologie innerhalb eines Zeitraums von 12 Jahren vorgestellt hatten. Von diesen wurden 229 COPD-Patienten, die zeitnah auch eine Koronarangiografie und Echokardiografie erhalten hatten, in die Studie eingeschlossen. D.h., es handelt sich um ein sehr stark selektiertes Patientenkollektiv von 4% des Gesamtkollektivs, das nicht repräsentativ für COPD-Patienten erscheint. Da die Patienten sowohl aus der kardiologischen als auch der pneumologischen Abteilung rekrutiert wurden, ist anzunehmen, dass sich viele von ihnen mit Luftnot oder thorakalem Druckgefühl vorgestellt hatten, die bei entsprechendem Risikoprofil sowohl durch eine COPD, aber auch durch eine Linksherzinsuffizienz oder koronare Herzkrankheit (KHK) begründet sein können.
Eine Linksherzinsuffizienz war definiert als linksventrikuläre Ejektionsfraktion (LVEF) < 40% in der Echokardiografie, eine KHK als Koronarstenose > 50% und eine COPD war spirometrisch definiert als FEV1/VC < 70% nach Bronchospasmolyse-Test.
Die Analyse ergab, dass COPD-Patienten eine erhöhte Mortalität aufwiesen, wenn eine begleitende Linksherzinsuffizienz und eine Anämie vorlagen. Eine KHK hatte keinen Einfluss auf die Langzeitmortalität.
Wie ist das zu erklären? Dass die KHK keinen Einfluss auf die Langzeitmortalität hatte, kann daran liegen, dass die Patienten besser medikamentös behandelt wurden. Wahrscheinlich bekamen sie häufiger einen β-Blocker und einen ACE-Hemmer, was - vor allem durch den β-Blocker nachweislich - zu einer Reduktion der kardiovaskulären Mortalität führt. Eine stabile KHK ohne Linksherzinsuffizienz kann optimal medikamentös behandelt heute mit einer guten Prognose einhergehen. Eine Linksherzinsuffizienz als Komorbidität erhöht signifikant die Mortalität, nicht nur bei COPD-Patienten. In dieser Studie wurde nur eine LVEF < 40% als Linksherzinsuffizienz angesehen. Wie diese willkürliche Einteilung zustande kam, ist unklar. Warum nicht eine LVEF < 45% oder 50%? De facto wurde also nur eine mindestens mittelschwere systolische Herzinsuffizienz als Linksherzinsuffizienz definiert. Über die NYHA-Klasse der Patienten, deren Belastbarkeit, das Vorliegen einer diastolischen Herzinsuffizienz mit erhaltender systolischer LV-Funktion, einer Rechtsherzinsuffizienz oder von Biomarkern wie dem «brain natriuretic peptide» findet man keine Daten. Insofern sind viele Patienten mit einer klinisch relevanten Herzinsuffizienz hierbei sicher artefiziell falsch klassifiziert worden.
Für die Anämie ist schon seit vielen Jahren bei vielen Erkrankungen bekannt, dass sie einen negativen Prädiktor für die Mortalität darstellt. Das gilt sowohl für die Linksherzinsuffizienz als auch für die COPD. Die Ursache hierfür liegt in einer ausgeprägteren systemischen Inflammation bei diesen Patienten, die die Krankheitsprogression fördert, mit mehr Komorbiditäten vergesellschaftet ist und damit auch mit einer schlechteren Prognose.
Fazit
Die Luftnot bei COPD kann auch kardialer Genese sein! COPD-Patienten, insbesondere solche mit fortgeschrittener COPD, sind als Hochrisikokollektiv anzusehen! Das wird immer noch oft übersehen. Die Suche nach kardiovaskulären Komorbiditäten bei COPD-Patienten sollte anhand der deutlichen Auswirkungen auf die Mortalität unbedingt intensiviert werden. Eine bessere medikamentöse oder interventionelle Therapie der KHK bzw. Herzinsuffizienz wird mit hoher Wahrscheinlichkeit auch mit einer besseren Prognose bei COPD einhergehen. Eine ausführlichere kardiale Diagnostik bei COPD-Patienten erscheint dringend erforderlich. Eine kardiale Anamnese und ein EKG bei Erstvorstellung sollten daher bei COPD obligat sein. Eine Echokardiografie wird aus Kapazitätsgründen leider nicht bei allen Patienten möglich sein. Hinsichtlich eines Screenings auf eine relevante kardiale Insuffizienz könnten geeignete Laborbiomarker weiterhelfen.