Hintergrund: Die klinischen Folgen von asbestassoziierten diffusen Pleuraverdickungen (diffuse pleural thickening, DPT) sind bisher ungeklärt.Ziele: Klärung der Zusammenhänge zwischen dem Bildgebungsbefund DPT und der Lungenfunktion.Methoden: Von Patienten mit asbestassoziierter DPT wurden medizinische Daten zu folgenden Aspekten gesammelt: Asbestexposition am Arbeitsplatz oder im Wohnumfeld in der Vorgeschichte; anfängliche Symptome; Schwere der Dyspnoe laut modifizierter Skala des Medical Research Council; Raucheranamnese; radiologische Befunde; Ergebnisse von Lungenfunktionstests.Ergebnisse: Zwischen 2005 und 2010 gab es in den Institutionen der Autoren 106 DPT-Patienten (103 Männer (97,2%) und 3 Frauen (2,8%)). Der Altersmedian bei Diagnosestellung lag bei 69 Jahren (Bereich 46-88 Jahre). Die Asbestexposition am Arbeitsplatz erlebten die Patienten in folgenden Formen: Herstellung von Asbestprodukten (n = 17); Schiffbau (n = 14); Bau (n = 13); Wärmedämmungsarbeiten (n = 12); Sanitärarbeiten; Aufbringung von Asbestspray; Elektrikerarbeiten (jeweils n = 7) sowie Transport und Abrissarbeiten (jeweils n = 4). Die mediane Dauer der Asbestexposition betrug 25 Jahre (Bereich 2-54 Jahre), und die mittlere Latenzzeit bis zum Einsetzen der DPT betrug 46 Jahre (Bereich 25-66 Jahre). Die Beteiligung des Zwerchfell-Rippen-Winkels (costophrenic angle; CPA) korrelierte negativ mit der prozentualen Vitalkapazität (%VC; r = -0,448, p < 0,01). Die Dicke der Pleura und die Ausdehnung der Pleuraverdickung in kraniokaudaler und horizontaler Richtung laut Thorax-Computertomographie (Thorax-CT) korrelierten ebenfalls negativ mit %VC (r = -0,226, p < 0,05; r = -0,409, p < 0,01 bzw. r = -0,408, p < 0,01).Schlussfolgerungen: DPT entwickeln sich nach einer langen Latenzzeit in der Folge von Asbestexposition am Arbeitsplatz und verursachen ausgeprägte Störungen der Atemfunktion. Das Ausmaß der DPT sollte durch eine Thorax-CT beurteilt werden; das konventionelle Röntgen des Thorax ist bedeutsam, um die Beteiligung des CPA zu beurteilen.Übersetzung aus Respiration 2014;88:277-284 (DOI: 10.1159/000364948)

Originalartikel:

Nobukazu Fujimotoa Katsuya Katoc Ikuji Usamid Fumikazu Sakaie Takeshi Tokuyamaf Seiji Hayashig Kenji Miyamotoh Takumi Kishimotob

aDepartment of Medical Oncology, Okayama Rosai Hospital, Okayama, Japan; bDepartment of Internal Medicine, Okayama Rosai Hospital, Okayama, Japan; cDepartment of Radiology, Okayama University Hospital, Okayama, Japan; dDepartment of Internal Medicine, Asahi Rosai Hospital, Owariasahi, Japan; eDepartment of Radiology, Saitama Medical University International Medical Center, Hidaka, Japan; fDepartment of Internal Medicine, Saiseikai-Chuwa Hospital, Sakurai, Japan; gDepartment of Respiratory Medicine, Kinki-Chuo Chest Medical Center, Sakai, Japan; hFaculty of Health Sciences, Hokkaido University, Sapporo, Japan

Verbote zur Herstellung und Verwendung von Asbest gibt es in einigen europäischen Ländern bereits seit 40 Jahren. Deutschland erließ entsprechende Regelungen 1993 (§ 15 GefStoffV). Doch in vielen Ländern der Welt wird auch heute noch Asbest abgebaut und verarbeitet. Japan, das Land der Autoren der hier kommentierten Studie, verbot zwar 1995 die Asbestsilikate Krokydolith (sogenanntes Blauasbest) und Amosit (sogenanntes Braunasbest), jedoch erst 2012 erfolgte auch das vollständige Verbot von Chrysotil (Weißasbest) [1]. Während in Deutschland für den Zeitraum 2015-2020 der Höhepunkt asbestinduzierter Erkrankungen erwartet wird [2,3], wird dieser Zenit in Japan entsprechend verzögert vermutlich erst 2025-2033 erreicht [4]. Pneumologen werden noch viele Jahre Expositionsfolgen wie Bronchialkarzinome, Pleuramesotheliome und insbesondere auch Fibrosen von Pleura und Lunge - Asbestosen - beurteilen müssen. Mit Letzteren beschäftigt sich die Arbeit von Fujimoto et al.

Die Autoren untersuchten den Zusammenhang von im Röntgenbild und in der Transmissions-Computertomographie beurteilten Ausdehnungen von Pleuraverbreiterungen, Asbestosen und Fibrosierungen bzw. Ausrundungen der costophrenischen Winkel mit den spirometrischen Befunden, den klinischen Beschwerden und der früheren Asbestexposition. Diese war im untersuchten Kollektiv mit einer Dauer von durchschnittlich über 25 Jahren erheblich; die Latenzzeit von 46 Jahren war bemerkenswert lang, maximal lagen sogar 66 Jahre zwischen Expositionsbeginn und ersten Krankheitszeichen. In Deutschland gehen wir von Latenzen von im Mittel 30-35 Jahren aus. Die Autoren beschrieben Tätigkeiten im Schiffbau und in der Asbestproduktion als besonders belastend; Dosisberechnungen, etwa die von «Asbestfaser-Jahren», wurden nicht durchgeführt.

Die Patienten klagten vordringlich über Luftnot und Husten. Das über Ausdehnung und Dicke bestimmte Ausmaß der Pleurafibrosierungen korrelierte mit der Minderung der Vitalkapazität (VC) in Prozent gegenüber dem Sollwert. Dieses Ergebnis überrascht zunächst nicht, doch 91% der Probanden wiesen bereits eine VC von <80% des Solls auf. Bemerkenswert erscheint, dass insbesondere die Ausrundung des costophrenischen Winkels einen deutlichen Einfluss auf die Abnahme der VC zeigte; auch bei geringer Ausprägung stellte sich hier die beidseitige Fibrosierung im Zwerchfell-Rippen-Winkel als besonders gravierend dar. 50% des Kollektivs wiesen einen ein- oder beidseitigen benignen Erguss in der Vorgeschichte auf. Dagegen hatten nur 7% eine Fibrosierung der Lunge, also eine Asbestose (gemäß ILO-Klassifikation [5]). Fujimoto et al. beleuchteten auch kurz den Aspekt einer Atemwegsobstruktion: 28% der Patienten wiesen eine FEV1/FVC von <0,7 auf; 24% hatten eine kombinierte respiratorische Funktionsstörung. Jedoch waren 25% Raucher und 62% Exraucher, daher wagten die Autoren keine Aussage zur Ursache der Obstruktion, sondern empfahlen weitere Studien.

Die Folgen der Asbestexposition beschäftigen weiterhin sowohl die Wissenschaft als auch den medizinischen Versorgungssektor. Viele Länder haben noch nicht das Maximum der zu erwartenden Erkrankungen erreicht. Für die weiterhin Asbest produzierenden Länder, vor allem Russland, China, Brasilien und Kasachstan, lässt sich die Erkrankungsrate noch gar nicht prognostizieren. Insbesondere erscheinen die Hochrechnungen gewagt, wenn sich, wie in dem von Fujimoto et al. untersuchten Kollektiv, eine mittlere Latenzzeit von weit über 40 Jahren etablieren sollte.

Die Asbestose und asbestbedingte Pleuraverdickung führen zu einer restriktiven Ventilationsstörung. Die regelhafte Verminderung der VC in Abhängigkeit von der Ausdehnung der Veränderungen wird durch die hier vorgestellte Studie bestätigt. In der pneumologischen Praxis fällt im Erstkontakt mit betroffenen Patienten die Minderung der VC durch die einseitige oder beidseitige Fibrosierung der costophrenischen Winkel auf. Die Ursache dafür liegt vermutlich nicht nur im Volumenverlust an Lungengewebe; auch der häufige Befund eines benignen Pleuraergusses in der Vorgeschichte lässt hier an einen anderen Pathomechanismus, wie beispielsweise eine großflächige Verklebung der Pleura, denken.

1.
www.ibasecretariat.org/asbestos_ban_list.php (letzter Abruf 16. Oktober 2014).
2.
Pesch B, et al: Int J Hyg Environ Health 2010;213:44-51.
3.
Peto J, et al: Br J Cancer 1999;79:666-672.
4.
Azuma K, et al: Int J Occup Environ Health 2009;15:166-172.
5.
www.ilo.org/wcmsp5/groups/public/--ed_protect/--protrav/--safework/documents/publication/wcms_178182.pdf (letzter Abruf 16. Oktober 2014).
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