Abstract
Hintergrund: Die chronisch-obstruktive Lungenerkrankung (COPD) stellt eine hohe Belastung für die öffentliche Gesundheit und eine schwere Einschränkung für die Betroffenen dar. Bei den meisten Menschen mit COPD ist die Erkrankung jedoch noch gar nicht diagnostiziert.Ziele: Beurteilung der Prävalenz der COPD und von Strategien zur Erkennung der COPD im Rahmen der Primärversorgung.Methoden: Die Studie wurde an einer zufällig ausgewählten Stichprobe allgemeinärztlicher Praxen (AP) in Salzburg, Österreich, durchgeführt. Patienten im Alter von ≥40 Jahren beantworteten einen Fragebogen und unterzogen sich einer Spirometrie nach Bronchodilatation (PBD). Als nichtreversible Atemwegsobstruktion galt dabei eine PBD-FEV1/FVC <0,70. Die Einstufung des Schweregrads der spirometrisch definierten COPD erfolgte gemäß den GOLD-Empfehlungen.Ergebnisse: 60 AP wurden zufällig für die Studienteilnahme ausgewählt, jedoch waren nur 30 (50%) zur Teilnahme bereit. 1230 von 9820 Patienten (12,52%) erklärten sich mit dem Protokoll einverstanden. Die Qualität der PBD-Spirometrie wurde evaluiert; 882 (71,7%) entsprachen den Qualitätskriterien der American Thoracic Society und European Respiratory Society (ATS/ERS-Standards). 7,5% (95%-KI: 5,7-9,4%) der Patienten hatten eine COPD vom Schweregrad II+ (FEV1/FVC < 0,7 und FEV1 < 80% des Sollwerts), aber nur 22,4% gaben an, bereits eine ärztliche COPD-Diagnose erhalten zu haben. Ein ähnliches Bild ergab sich bei der Salzburger Burden-of-Obstructive-Lung-Disease(BOLD)-Stichprobe von 2005, mit einer Prävalenz von 10.7% für COPD Grad II+ laut GOLD und einem undiagnostizierten Anteil von 82,3%.Schlussfolgerungen: Bei der Primärversorgung sind die Prävalenz und die Unterdiagnostizierung der COPD so hoch, wie kürzlich für die BOLD-Studie berichtet. Die überraschend geringe Teilnahmequote bei den AP und den Patienten deutet darauf hin, dass der Prävention von COPD keine hohe Priorität beigemessen wird und dass eine Schärfung des Problembewusstseins für COPD erfolgen muss, bevor Strategien zur aktiven Identifizierung von Krankheitsfällen erfolgreich sein können.Übersetzung aus Respiration 2014;87:136-143 (DOI:10.1159/000354796)
Originalartikel: Detection of Chronic Obstructive Pulmonary Disease in Primary Care in Salzburg, Austria: Findings from the Real World
Gertraud Weissa Ina Steinachera Bernd Lamprechta Lea Schirnhofera Bernhard Kaisera Andreas Sönnichsenb Michael Studnickaa
aUniversity Clinic of Pneumology, bInstitute of General Practice, Family Medicine and Preventive Medicine, Paracelsus Medical University, Salzburg, Austria
Transfer in die Praxis
Eine österreichische Arbeitsgruppe bot Allgemeinärzten in der Region Salzburg die Teilnahme an einer Studie an, mit der die Bereitschaft zur und die Praktikabilität der Früherkennung der chronisch-obstruktiven Lungenerkrankung (COPD) überprüft werden sollten.
60 Allgemeinärzte wurden randomisiert ausgewählt; 50% nahmen an der Studie teil. Innerhalb von 3 Monaten wurden über 9000 Patienten angesprochen (alle Praxisbesucher; unabhängig davon, ob respiratorische Symptome vorlagen). Nur 12% der Patienten waren bereit, sich einer Spirometrie zu unterziehen. Die Bereitschaft war bei Rauchern deutlich niedriger als bei Nichtrauchern. 28% der Spirometrien waren verwertbar. Bei 7,2% lag das COPD-GOLD-Stadium II vor, bei 17% das COPD-GOLD-Stadium I.
Die Autoren kamen zu dem Schluss, dass ein unselektioniertes Spirometrie-Screening in der hausärztlichen Praxis nicht erfolgreich ist.
Für die Pneumologie bedeutet dies, dass das Bewusstsein für die Relevanz der COPD bei Hausärzten, z.B. in Qualitätszirkeln, weiter verstärkt werden muss. Gleichzeitig besteht Nachholbedarf in der Schulung der Mitarbeiter, die Spirometrien durchführen. Allerdings wird die Rate der Patienten, die aufgrund eingeschränkter mentaler und manueller Fähigkeiten die Spirometrie nicht korrekt durchführen, höher als in der pneumologischen Fachpraxis sein.
Fazit
Die Studie erfüllt ihre Aufgabe, «Real-Life-Daten» zur Früherkennung von COPD-Patienten zu liefern. Eine unselektionierte Untersuchung der Patienten ist nicht zielführend. So sollten bei der Patientenauswahl in erster Linie die Symptome und das Risikoprofil berücksichtigt werden. Pneumologen sollten den Kollegen in den Allgemeinpraxen mehr Unterstützung bei der Durchführung und der Befundung von Spirometrien anbieten. Hier kommt den regionalen Qualitätszirkeln eine hohe Bedeutung zu. Für die Mitarbeiter in Allgemeinpraxen sollten Hospitationen in Lungenfunktionslaboren angeboten werden. Denn wenn eine Untersuchung sicher und zuverlässig durchgeführt werden kann, steigt auch die Motivation, diese dem Patienten anzubieten. Gleichzeitig sinkt der Arbeitsaufwand.
Über den Deutschen Lungentag kann die Information der Bevölkerung bezüglich der Früherkennung von Lungenerkrankungen intensiviert werden.