Abstract
Eine indische Frau mittleren Alters mit Schmerzen im Kniegelenk hatte seit 6 Monaten täglich ayurvedische Medikamente (Ostolief®- und Arthrella®-Tabletten) eingenommen. Sie stellte sich mit einer sich verschlechternden Dyspnoe, mit Husten und einem seit 2 Monaten fortschreitenden Gewichtsverlust in der pneumologischen Klinik vor. Sie war Hausfrau, hatte nie geraucht und hielt keine Vögel. Die körperliche Untersuchung ergab feine Rasselgeräusche beim Einatmen. Trommelschlägelfinger, Gelenkdeformitäten oder -schwellungen, Hautläsionen oder eine Lymphadenopathie mit vergrößerten zervikalen Lymphknoten lagen nicht vor. In der hochauflösenden Computertomographie waren diffuse zentrilobuläre Knoten mit Milchglastrübung zu erkennen. In der Spirometrie wurde eine restriktive Ventilationsstörung festgestellt (FVC 44% des Sollwerts, FEV1/FVC-Quotient 93%), und das Autoimmun-Screening war negativ. In der bronchoalveolären Lavage wurde eine Lymphozytose mit erhöhtem CD4/CD8-Verhältnis (T-Helfer-/T-Suppressorzellen) entdeckt. Kulturen für Bakterien, Mykobakterien, Pilze, Viren und Pneumocystis carinii waren negativ. In der bronchoskopischen Lungenbiopsie wurden eine Alveolitis mit lymphozytärer Infiltration des Interstitiums sowie peribronchioläre, nichtverkäsende Granulome festgestellt. Die Diagnose «Hypersensitivitätspneumonitis infolge ayurvedischer Medikation» wurde gestellt. Der Patientin wurde geraten, die auslösenden Medikamente abzusetzen; eine Behandlung mit hochdosierten Steroiden und prophylaktisch verabreichtem Bactrim® wurde eingeleitet und über 3 Monate wieder ausgeschlichen; sie schlug gut an, und die radiologische Bildgebung zeigte eine vollständige Abheilung. Die Patientin wurde 1 Jahr nachbeobachtet; ein Rückfall trat nicht auf.
Gesicherte Tatsachen: Die Hypersensitivitätspneumonitis (HP) ist durch eine nicht-Immunglobulin-E(IgE)-vermittelte Immunreaktion auf inhalierte Antigene im Lungenparenchym gekennzeichnet; die auslösenden Antigene stammen von Bakterien, Schimmelpilzen, Hefen oder Vögeln. Gelegentlich kann eine HP auch durch Arzneimittel verursacht werden, wobei die radiologischen und histopathologischen Merkmale nicht von denen einer immunologischen Reaktion auf inhalierte organische Antigene zu unterscheiden sind.
Neue Aspekte: Dies ist der erste Bericht über einen Fall von HP infolge der Einnahme ayurvedischer Präparate. Ayurveda ist eine alternative Medizin, die leicht verfügbar ist und schwerpunktmäßig auf den Aufbau eines gesunden Stoffwechselsystems durch pflanzliche Wirkstoffmixturen abzielt.
Eine 52-jährige Inderin wurde wegen Belastungsdyspnoe, produktiven Hustens und eines Gewichtsverlusts von 3 kg über 2 Monate an die pneumologische Klinik überwiesen. Sie hatte kein Fieber, aber Schmerzen im rechten Kniegelenk und nahm deswegen seit 4 Monaten die ayurvedischen Präparate Ostolief® und Arthrella®, die auch eine gewisse Linderung bewirkten. Die Patientin war Hausfrau, hatte nie geraucht und in letzter Zeit keine Fernreisen unternommen, hielt keine Vögel oder sonstigen Haustiere und verneinte die Frage nach einer Exposition gegenüber organischen Chemikalien oder Heißwasser-Aerosolen. Sie war fieberfrei, und es lagen Trommelschlägelbildung der Finger sowie leichte bilaterale Rasselgeräusche beim Einatmen vor. Eine zervikale Lymphadenopathie oder Gelenkdeformitäten waren nicht festzustellen. Die Leukozytenzahl war auf 12 × 109/l erhöht, ohne dass eine Eosinophilie vorlag; die Blutsenkungsgeschwindigkeit war auf 62 mm/h erhöht, und der Rheumafaktor betrug 10,4 U/ml (<10,3). Im Thoraxröntgen zeigten sich bilateral unscharf begrenzte noduläre Trübungen, in der Spirometrie ein restriktives Ventilationsmuster (mit einem «forced expiratory volume in 1 second» (FEV1) von 1,11 l (54% des Sollwerts), einer «forced vital capacity» (FVC) von 1,19 l (44% des Sollwerts) und einem FEV1/FVC-Verhältnis von 93% des Sollwerts) und in der hochauflösenden Computertomographie (HRCT) diffuse zentrilobuläre Knoten (Abb. 1a-d). Die bronchoalveoläre Lavage (BAL) ergab ein umgekehrtes CD4/CD8-Verhältnis von 0,4 (0,7-2,5) sowie negative Kulturen für Bakterien, Mykobakterien, Pilze, Viren und Pneumocystis carinii. Durch eine bronchoskopische Lungenbiopsie konnte eine Alveolitis mit lymphozytischer Infiltration des Interstitiums und peribronchiolären, nichtverkäsenden Granulomen, die auf eine HP hindeuteten, bestätigt werden. Eine durch ayurvedische Präparate induzierte HP wurde diagnostiziert.
Die HP ist ein komplexes Syndrom, dessen Intensität, klinisches Bild und natürlicher Verlauf variieren. Sie ist gekennzeichnet durch eine nicht-IgE-vermittelte Immunreaktion auf inhalierte Antigene im Lungenparenchym [1]. Die auslösenden Antigene können von Bakterien, Schimmelpilzen, Hefen oder Vögeln stammen. Auch die indirekte Exposition über einen Partner kann nachweislich eine HP hervorrufen, was die Identifizierung des auslösenden Antigens erschweren kann. Gelegentlich kann eine HP auch durch Arzneimittel wie Methotrexat, Cyclophosphamid, Mesalamin, Fluoxetin, Amitriptylin oder Paclitaxel verursacht werden; die radiologischen und histopathologischen Merkmale sind hierbei nicht von denen einer immunologischen Reaktion auf inhalierte organische Antigene zu unterscheiden [2]. Unlängst wurde ein Bericht über einen Fall von interstitieller Pneumonie veröffentlicht, der durch den Verzehr des chinesischen Krauts Bofu-Tsusho-San ausgelöst wurde [3].
Die HP macht 4-15% aller interstitiellen Erkrankungen aus [1]. Eine Kohorte von 199 Patienten mit einem Altersschnitt von 55 Jahren, 56% Frauen und 6% aktuellen Rauchern erbrachte eine belastbare Evidenz dafür, dass das Rauchen von Zigaretten vor HP schützt. Dyspnoe (98%), Husten (91%), Thoraxbeschwerden (35%) und grippeähnliche Symptome (34%) sind charakteristisch für die HP; körperliche Symptome sind unter anderem Rasselgeräusche (87%), Trommelschlägelfinger (21%) und Giemen (16%). Die häufigsten Auslöser sind Vogel-Antigene (66%), Bakterien (19%) und Schimmelpilze (13%) [4]; kürzlich wurden auch Berichte über Mykobakterien vorgelegt, die die «Whirlpool-Lunge» oder die «Metallarbeiterlunge» verursachen und so zu HP führen [5,6].
Für arzneimittelinduzierte Lungenerkrankungen gibt es keine festen Kriterien. Eine gründliche Medikamentenanamnese, eine systematische Diagnostik, der histologische Nachweis einer Lungenschädigung und der Ausschluss von anderen Ursachen dieser Schädigung sind erforderlich [2]. Die gut dokumentierte Tatsache, dass Methotrexat in hohen und niedrigen Dosen HP verursachen kann, weist auf eine idiosynkratische Reaktion hin, die nicht mit dem Folsäure-Antagonismus zusammenhängt. Patienten, die mit dem Wirkstoff in Berührung kommen, entwickeln Fieber, periphere Eosinophilie mit einem Anstieg der CD4-Zellen in der BAL-Flüssigkeit sowie histologische Anzeichen für eine mononukleare Zellinfiltration und eine granulomatöse Inflammation, die wiederum auf eine Überempfindlichkeitsreaktion hindeuten. Ein klinisches Vorhersagemodell wurde entwickelt, um abzuschätzen, wie wahrscheinlich eine HP ist und ob weiterführende Untersuchungen erforderlich sind. Das Modell umfasst sechs Prädiktoren für HP: 1) eine Exposition gegenüber einem bekannten auslösenden Antigen, 2) eine Symptommanifestation 4-8 h nach der Exposition, 3) eine positive Immunpräzipitation, 4) Rasselgeräusche beim Einatmen, 5) wiederkehrende Symptome und 6) Gewichtsverlust. Die Wahrscheinlichkeit einer HP liegt zwischen 98%, wenn alle sechs Prädiktoren vorliegen, und 0%, wenn keiner gegeben ist.
Die HP wird nach ihrer klinischen Präsentation als akut, subakut oder chronisch klassifiziert. Eine akute HP ist das Ergebnis eines intermittierenden und intensiven Kontakts mit dem verursachenden Antigen und manifestiert sich in einem grippeähnlichen Syndrom mit Fieber, Schüttelfrost, Kopfschmerzen und Unwohlsein, schwerer Dyspnoe, einem Engegefühl in der Brust und trockenem Husten. Die subakute HP ist die Folge einer kontinuierlichen, geringen Belastung durch inhalierte Antigene oder einer nichtdiagnostizierten akuten HP und äußert sich durch produktiven Husten, Dyspnoe, Fieber, Müdigkeit und Gewichtsverlust über Tage bis Wochen. Unerkannte akute/subakute Episoden oder eine progrediente Krankheit können zu einer chronischen HP führen, deren Ursache dann eine chronische Antigenexposition ohne akute Episoden ist [7]. In einer kürzlich durchgeführten Cluster-Analyse einer großen Gruppe von HP-Patienten konnte nicht zwischen den Kategorien «akut», «subakut» und «chronisch» differenziert werden; stattdessen wurde vorgeschlagen, nur die Kategorien «akut» und «chronisch» zu verwenden [8]. Die wichtigste Differenzialdiagnose der akuten HP ist die Lungeninfektion. Differenzialdiagnosen der chronischen HP sind die idiopathische interstitielle Pneumonie und die Sarkoidose. Eine HP manifestiert sich häufiger als Sarkoidose mit Rasselgeräuschen beim Einatmen (87% versus 15%), während bei Sarkoidosen häufiger hiläre und/oder mediastinale Lymphadenopathien zu beobachten sind (46% versus 2%). Granulome sind bei einer HP entlang der Atemwege und bei einer Sarkoidose als perilymphangitisches Muster zu sehen. Laboranalysen sind für die Diagnose in der Regel nicht sinnvoll, da im Fall von falsch-negativen Ergebnissen unklar ist, ob die falschen Antigene getestet wurden oder ob eine HP auch in Abwesenheit spezifischer Antikörper gegen das auslösende Antigen auftreten kann. Das «enzyme-linked immunosorbent assay» (ELISA) ist die Methode der Wahl für die Bestimmung der Präzipitine und der Gesamt-Immunglobulin-G-Antikörper. Inhalations-Provokationstests mangelt es an standardisierter Protokollierung; sie werden nicht empfohlen. Eine typische Anomalie in der Spirometrie ist ein restriktives Ventilationsmuster mit geringer Diffusionskapazität der Lunge für Kohlenmonoxid. Bei Patienten mit «Farmerlunge» durch ein Emphysem kann ein gemischtes obstruktives/restriktives Muster auftreten [4].
In der HRCT kann bei akuter HP eine diffuse Trübung des Luftraums oder eine bilaterale Milchglastrübung vorliegen; bei subakuter HP können zentrilobuläre Knötchen, lobuläre Areale verringerter Densität und Vaskularität in der Inspiration sowie eine dynamische Hyperinflation (Air trapping) in der Exspiration zu sehen sein; bei chronischer HP können sich hingegen eine interstitielle Fibrose und Honigwabenmuster zeigen. Lobuläre Areale mit verringerter Densität, zentrilobulären Knötchen und ohne Prädominanz im unteren Bereich grenzen allerdings die chronische HP von der idiopathischen pulmonalen Fibrose und der unspezifischen interstitiellen Pneumonie ab [9].
Eine BAL-Lymphozytose ist obligatorisch, aber nicht spezifisch. Das CD4/CD8-Verhältnis ist in der Regel herabgesetzt, kann aber auch - auf für eine Sarkoidose übliche Werte - ansteigen. Eine akute HP ist durch bronchiolozentrische lymphoplasmozytische Infiltration, Fibrinablagerung und neutrophile Infiltrationen gekennzeichnet, eine subakute HP durch bronchiolozentrische Pneumonie mit interstitieller lymphoplasmozytischer Infiltration, zellulärer Bronchiolitis und kleinen, locker angeordneten Granulomen und eine chronische HP durch Fibrose mit Honigwabenmuster, ähnlich einer gewöhnlichen interstitiellen Pneumonie. In einem neueren Bericht wird Cathepsin K als sensitiver immunhistochemischer Marker für Mikrogranulome bei HP empfohlen [4,8,9,10].
Die Therapie basiert auf der Vermeidung des Antigens; in schweren Fällen, oder wenn eine vollständige Elimination des Antigens nicht möglich ist, werden Kortikosteroide empfohlen. Inhalative Steroide und Pentoxifyllin sind in einigen Studien und im Rahmen von Lungentransplantationen bei Patienten mit chronischer fibrotischer HP angewendet worden [4,8]. Der Verlauf der HP ist sehr variabel, mit dem richtigen Management lässt sich jedoch in den meisten Fällen von akuter und subakuter HP eine Verbesserung oder Normalisierung der Lungenfunktion erzielen. Unserer Patientin wurde empfohlen, die ayurvedischen Mittel abzusetzen. Eine Behandlung mit 60 mg oralem Prednisolon täglich (1 mg/kg/Tag) und Cotrimoxazol zur Prophylaxe gegen Pneumocystis jirovecii wurde begonnen und über 3 Monate wieder ausgeschlichen. Die Therapie schlug gut an, und die radiologische Bildgebung zeigte eine vollständige Abheilung. Die Patientin wurde 1 Jahr nachbeobachtet; ein Rückfall trat nicht auf (Abb. 2). Dies ist der erste Bericht über einen Fall von HP infolge ayurvedischer Medikation. Ärzte sollten bei Patienten mit klinischen und radiologischen Merkmalen einer interstitiellen Lungenerkrankung äußerst wachsam sein und eine eventuelle Antigenexposition in der Vorgeschichte sorgfältig abfragen.