Abstract
Background: Pulmonary haemorrhage with hypoxia caused by anti-neutrophil cytoplasmic antibody (ANCA)-associated vasculitis (AAV) has a high early mortality. Avacopan, an oral C5a receptor antagonist, is an approved treatment for AAV, but patients with pulmonary haemorrhage requiring invasive pulmonary ventilation support were excluded from the Avacopan for the Treatment of ANCA-Associated Vasculitis (ADVOCATE) Trial. Methods: A retrospective, observational, multicentre case series of AAV patients with hypoxic pulmonary haemorrhage, requiring oxygen support or mechanical ventilation, who received avacopan. Results: Eight patients (62.5% female), median age 64 years (range 17–80), seven with kidney involvement, median estimated glomerular filtration rate (eGFR) 11 (range 5–99) mL/min/1.73 m2, were followed for a median of 6 months from presentation. Seven were newly diagnosed (87.5%), five were myeloperoxidase-ANCA and three proteinase 3-ANCA positive. All had hypoxia, four requiring mechanical ventilation (three invasive and one non-invasive). Intensive care unit (ICU) stay for the four patients lasted a median of 9 days (range 6–60). Four received rituximab and cyclophosphamide combination, three rituximab and one cyclophosphamide. Four underwent plasma exchange and one received 2 months of daily extracorporeal membrane oxygenation therapy. Following the initiation of avacopan after a median of 10 days (range 2–40), pulmonary haemorrhage resolved in all patients, even the two who had 1 month of refractory pulmonary haemorrhage prior to avacopan. Additionally, after 1 month, the median prednisolone dose was 5 mg/day (range 0–50), with three patients successfully discontinuing steroid use. Two patients suffered serious infections, two discontinued avacopan, one permanently due to a rash and one temporarily after 3 months due to neutropenia. All patients survived and no re-hospitalization occurred.
Abstract aus Chalkia A, Flossmann O, Jones R, et al.: Avacopan for ANCA-associated vasculitis with hypoxic pulmonary haemorrhage. Nephrol Dial Transplant 2024;39:1473–1482.
Transfer in die Praxis von Prof. Dr. Sibylle von Vietinghoff (Bonn) und Dr. Peyman Falahat (Bonn)
Hintergrund
Die ANCA-assoziierten Vaskulitiden (ANCA = anti-Neutrophile zytoplasmatische Antikörper) der kleinen Blutgefäße betreffen häufig Nieren und Lunge. Unbehandelt sind diese Autoimmunerkrankungen damit lebensbedrohlich. Die therapeutische Immunsuppression bei schweren, systemischen Verläufen umfasst nach aktuellem Standard zumindest initial Glukokortikoide in Kombination mit Cyclophosphamid als Antiproliferativum oder Rituximab zur B-Zell-Depletion [1]. Damit werden hohe Remissionsraten erreicht [2]. Gleichzeitig tragen Infektionen in aktuellen Kohorten in ähnlichem Umfang zu Morbidität und Mortalität bei wie die Grunderkrankung [2‒4]. Avacopan, ein oraler Antagonist des Komplementspaltprodukts C5a, das als Anaphylatoxin wirkt und die Aktvierung angeborener Immunzellen durch ANCA amplifiziert, ist eine vergleichsweise neue zugelassene Ergänzung der Therapie. Es wurde primär als Ersatz der Glukokortikoidtherapie getestet. Nach 2 Phase-II-Studien zeigt die Phase-III-Studie ADVOCATE eine Nicht-Unterlegenheit bezüglich einer Remission nach 26 Wochen und eine Überlegenheit nach 52 Wochen [5].
Ergebnisse der Studie
Die hier vorliegende Fallserie umfasst 8 Patienten mit hypoxischer pulmonaler Hämorrhagie im Rahmen einer ANCA-assoziierten Vaskulitis aus verschiedenen Zentren in Großbritannien.
Alle Patienten waren sauerstoffpflichtig, 3 Patienten benötigten eine invasive mechanische Beatmung, 1 Patient eine nichtinvasive mechanische Beatmung und 1 Patient eine High-Flow-Therapie. Patienten mit diesem Schweregrad waren aus der Zulassungsstudie von Avacopan ausgeschlossen [5]. 6 Patienten erhielten innerhalb von 10 Tagen und 2 Patienten innerhalb des ersten und zweiten Monats nach Diagnosestellung Avacopan. Weshalb jeweils eine Therapie mittels Avacopan initiiert wurde, wird nicht erläutert. Die vorherige Behandlung erfolgte mit Cyclophosphamid (n = 1), Rituximab (n = 3) oder beidem (n = 4) sowie hochdosierten Glukokortikoiden (kumulative Dosis 750–4500 mg). Zusätzlich wurde in 4 von 8 Fällen ein Plasmaaustausch durchgeführt und in 1 Fall wurden intravenöse Immunglobuline verabreicht. Bei 7 von 8 Patienten lag zusätzlich eine Nierenbeteiligung vor. Ob die renale Beteiligung der Grund für die Initiierung des Plasmaaustauschs war, geht aus der Fallserie nicht hervor. 2 der Patienten, die einen Plasmaaustausch erhalten haben, zeigten bis zum Beginn der Therapie mittels Avacopan anhaltende pulmonale Hämorrhagien. Einer benötigte sogar eine extrakorporale Membranoxygenierung.
Bei allen Patienten konnte eine Remission der ANCA-assoziierten Vaskulitis erreicht werden (Abb 1). Die exkretorische Nierenfunktion der Patienten mit renaler Beteiligung war in 2 von 7 Fällen stabil und in 3 Fällen verbesserte sich die geschätzte glomeruläre Filtrationsrate (eGFR). 2 der Patienten blieben dialysepflichtig. Nach 1 Monat Avacopan-Therapie konnte die Prednisolon-Dosis auf im Median 5 mg reduziert werden. In 3 Fällen wurde sie ganz beendet. Kein Patient erlitt innerhalb der 6-monatigen Nachbeobachtungszeit ein Rezidiv oder wurde rehospitalisiert.
(A) Patient 2 nach dem ersten Monat: Röntgenaufnahme des Brustkorbs: bilaterale interstitielle Infiltrate; (B) Patient 2 nach 2 Monaten: CT-Scan des Brustkorbs: Diffuse Milchglastrübung der Lungen, residualer apikaler Pneumothorax links, lokulärer lateraler/basaler Hydropneumothorax links; (C) Patient 2 nach 6 Monaten: CT-Scan des Brustkorbs: Signifikant verbesserte diffuse Milchglastrübung mit subtiler residualer diffuser erhöhter Lungendichte, multiple diffuse bilaterale, überwiegend subsolide Milchglasknötchen, residuale Bereiche von Narbenbildung/Atelektase und Traktionsbronchiektasen (Abb. 1 aus Nephrol Dial Transplant 2024;39:1473–1482. DOI: 10.1093/ndt/gfae020).
(A) Patient 2 nach dem ersten Monat: Röntgenaufnahme des Brustkorbs: bilaterale interstitielle Infiltrate; (B) Patient 2 nach 2 Monaten: CT-Scan des Brustkorbs: Diffuse Milchglastrübung der Lungen, residualer apikaler Pneumothorax links, lokulärer lateraler/basaler Hydropneumothorax links; (C) Patient 2 nach 6 Monaten: CT-Scan des Brustkorbs: Signifikant verbesserte diffuse Milchglastrübung mit subtiler residualer diffuser erhöhter Lungendichte, multiple diffuse bilaterale, überwiegend subsolide Milchglasknötchen, residuale Bereiche von Narbenbildung/Atelektase und Traktionsbronchiektasen (Abb. 1 aus Nephrol Dial Transplant 2024;39:1473–1482. DOI: 10.1093/ndt/gfae020).
Bei 25% der Patienten trat eine schwere Infektion auf. Dies ist ein höherer Anteil als in der Avacopan-Gruppe der ADVOCATE-Studie (13,3%) [5]. Die hier berichtete Fallserie umfasst allerdings deutlich schwerer erkrankte Patienten mit einer medikamentösen 4- bzw. 5-fachen Immunsuppression.
In der Tat zeigt eine aktuelle Arbeit an einer Kohorte von 102 spanischen Patienten, dass die Aktivierung des Komplementsystems mit dem klinischen Schweregrad korreliert [6]. Das Ausmaß der Komplementaktivierung, insbesondere von Faktor H, assoziierte nicht nur kurzfristig mit der Krankheitsschwere, sondern auch langfristig mit der Remissionserreichung. Dies unterstreicht die Relevanz dieser Form der humoralen Immunität in der ANCA-assoziierten Vaskulitis.
Fazit für die Praxis
Diese unkontrollierte Fallserie spricht dafür, dass eine Komplementblockade auch bei schwerer Lungenbeteiligung bei ANCA-assoziierter Vaskulitis wirksam sein könnte. Insbesondere bei therapierefraktären Fällen könnten damit die immunsuppressiven und antiinflammatorischen Therapiestrategien um eine mechanistisch neue ergänzt werden.
Disclosure Statement
Es liegen keine Interessenkonflikte vor.
Zweitveröffentlichung
Dieser Wissenstransfer wurde erstveröffentlicht in Kompass Autoimmun 2025;7 (DOI:10.1159/000543121).