Obstruktive Schlafapnoe und schlafbezogene Hypoxie werden in Zusammenhang mit einer erhöhten Hospitalisierungsrate und Sterblichkeit bei Patienten mit COVID-19 gebracht. In dieser Studie wurde der Zusammenhang zwischen obstruktiver Schlafapnoe (OSA), der Schwere von COVID-19 und der damit verbundenen Mortalität weiter untersucht. Zusätzlich wurde der Einfluss klinischer und demographischer Faktoren auf den Krankheitsverlauf von COVID-19 untersucht. In dieser retrospektiven Studie wurden erwachsene Patienten eingeschlossen, bei denen vor der Entdeckung der Omikron-Variante eine COVID-19-Infektion diagnostiziert wurde. Die Autoren verglichen die Schwere der COVID-19-Erkrankung und die Sterblichkeit in Abhängigkeit von der Diagnose einer OSA. Die Studienpopulation umfasste 44 275 Patienten, die positiv auf COVID-19 getestet wurden. Von diesen hatten 97% einen milden oder asymptomatischen Verlauf, 1,2% zeigten einen moderaten Verlauf und 1,8% einen schweren Verlauf. Eine OSA wurde bei 980 (2,2%) Patienten diagnostiziert. In einer multivariaten Analyse zeigte sich, dass die Diagnose einer OSA das Risiko für einen schweren Verlauf von COVID-19 um das 1,6-fache (95%-Konfidenzintervall: 1,1–2,4) im Vergleich zu milden Verläufen erhöhte. Es zeigte sich jedoch kein Anstieg der Sterblichkeit bei Patienten mit OSA. Interessanterweise hatten Patienten mit mittlerem und hohem sozioökonomischen Status ein 1,6-fach höheres Risiko für einen schweren COVID-19-Verlauf als Patienten aus der Gruppe mit niedrigem sozioökonomischen Status (95%-Konfidenzintervall (KI): 1,2–2,1 bzw. 95%-KI: 1,1–2,3). Das Sterberisiko aufgrund von COVID-19 war bei Patienten mit mittlerem und hohem sozioökonomischen Status 1,6- bzw. 3,1-mal höher (95%-KI: 1,1–2,5 bzw. 95%-KI: 1,8–5,3) als bei Patienten mit niedrigem sozioökonomischen Status. Die Diagnose einer OSA erwies sich als unabhängiger Risikofaktor für einen schweren COVID-19-Verlauf. Zudem stieg das Risiko für eine schwere COVID-19-Erkrankung und die damit verbundene Sterblichkeit mit höherem sozioökonomischem Status.

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Zusammenfassung von Nassi-Liberman O, Oberman B, Strahl T, Yosef N, Shlomi D. Association between obstructive sleep apnea (OSA) and COVID-19 severity. J Sleep Res. 2024 Jun 12:e14260.

Hintergrund

Während der SARS-CoV-2-Pandemie demonstrierten zahlreiche Studien, dass kardiovaskuläre und respiratorische Komorbiditäten das Risiko für eine schwere COVID-19-Erkrankung erhöhen. Eine Assoziation zwischen der obstruktiven Schlafapnoe (OSA) und dem Schweregrad der COVID-19-Erkrankung wurde in einigen kleineren Studien ebenfalls herausgearbeitet. Als Gründe für diesen Zusammenhang wurde vermutet, dass die Risikofaktoren der OSA (wie z.B. höheres Lebensalter, Adipositas, kardiovaskuläre Erkrankungen) auch als Risikofaktoren für einen schweren Verlauf einer COVID-19-Erkrankung bekannt sind und die Addition der Faktoren ein schlechteres Outcome begünstigen. Zudem könnten die repetitiven Sauerstoffentsättigungen in der Nacht in Kombination mit der Hypoxämie im Rahmen einer COVID-19-Erkrankung zu einem schwereren Verlauf führen. Schließlich wurde spekuliert, ob die durch die OSA induzierte proinflammatorische Situation und die Apnoe-assoziierten Veränderungen der Gerinnung die COVID-19-assoziierte Entzündungsreaktion ebenso wie den Zytokinsturm verstärken und die virale Replikation vorantreiben könnten.

Vor diesem Hintergrund untersuchte eine israelische Arbeitsgruppe um Oria Nassi-Liberman den Zusammenhang zwischen der OSA und dem Schweregrad der COVID-19-Erkrankung in einem sehr großen Kollektiv.

Ergebnisse der Studie

Es handelt sich um eine retrospektive Studie auf der Basis von Daten aus dem israelischen Gesundheitsministerium. Die Studienpopulation beinhaltete alle Patienten, die mindestens 18 Jahre alt waren und zwischen März 2020 und Ende November 2021 die Diagnose einer COVID-19-Erkrankung erhielten. Die hospitalisierten Patienten wurden analog den Empfehlungen des israelischen Gesundheitsministeriums in Patienten mit milder, moderater und schwerer Erkrankung eingeteilt. Die nicht hospitalisierten Patienten wurden als asymptomatisch oder als milde Verlaufsform klassifiziert. Die gesamte Studienpopulation wurde dann hinsichtlich der schon bekannten Diagnose einer OSA bzw. einer etablierten CPAP (continuous positive airway pressure)-Therapie analysiert. Schließlich wurden zwei Patientengruppen miteinander verglichen: nämlich Patienten mit und ohne OSA, wobei die Patienten mit OSA wiederum in eine Gruppe mit CPAP-Therapie und eine ohne CPAP-Therapie weiter unterteilt wurde. Zusätzlich wurde der Impfstatus der Studienpopulation erhoben. Insgesamt wurden 44 275 Patienten in die Studie eingeschlossen. 97% der Teilnehmer hatten eine milde oder asymptomatische Erkrankung, 1,2% eine moderate und 1,8% eine schwere Erkrankung. 2,2% der Studienpopulation (980 Patienten) hatte eine OSA. Die Patienten mit Schlafapnoe waren signifikant älter und signifikant häufiger männlich.

Das Risiko für die Entwicklung einer schweren COVID-19-Erkrankung im Vergleich mit der einer milden Erkrankung war für Patienten mit OSA 4,5-fach und das Risiko für die Entwicklung einer moderaten Erkrankung im Vergleich zu einer milden Erkrankung 4,3-fach höher. Die Gesamtmortalität der Studienpopulation betrug 1,2% und war signifikant höher bei den OSA-Patienten im Vergleich zu den Patienten ohne OSA. In einer multivariaten Analyse war die OSA mit einem 1,6-fach erhöhten Risiko für die Entwicklung einer schweren COVID-19-Erkrankung assoziiert. Eine zusätzlich durchgeführte multivariate Analyse der Mortalität aufgrund der COVID-19-Erkrankung ergab – wie erwartet – das Alter als signifikanten Risikofaktor, wohingegen jede zusätzliche COVID-19-Impfung zu einer Reduktion des Mortalitätsrisikos führte. Die Diagnose OSA verursachte keinen Anstieg der COVID-19-assoziierten Mortalität.

Fazit für die Praxis

Die Studie von Nassi-Liberman et al. bestätigt in einer großen Studienpopulation die bereits in früheren, kleineren Studien beobachtete Assoziation zwischen dem Vorliegen einer OSA und dem Risiko für einen schweren COVID-19-Verlauf. Neben dem – erneut demonstrierten - mortalitätssenkenden Effekt einer Impfung gegenüber SARS-CoV-2 illustriert diese Studie noch einmal eindrücklich, dass Patienten mit einer OSA einer besonderen Beachtung beim Erleiden von schweren Infekten, wie z.B. einer SARS-CoV-2-Infektion, bedürfen. Leider war die Studie aufgrund der geringen Fallzahl der CPAP-therapierten Patienten und der fehlenden CPAP-Adhärenzdaten nicht in der Lage, den Effekt einer möglicherweise protektiven CPAP-Therapie in diesem Zusammenhang zu untersuchen. Es kann daher nur spekuliert werden, dass das erhöhte Risiko eines schweren COVID-19-Verlaufes durch eine konsequent angewandte CPAP-Therapie auf das normale Risiko reduziert werden kann. Unabhängig von dem Zusammenhang einer OSA und dem Infektionsverlauf zeigt diese Studie aber erneut, dass die OSA eine ernstzunehmende Erkrankung ist.

Disclosure Statement

Es bestehen keine Interessenskonflikte in Bezug auf den vorliegenden Wissenstransfer.