Abstract
Objectives: Severe acute respiratory syndrome coronavirus 2, the novel coronavirus responsible for coronavirus disease (COVID-19), has been a major cause of morbidity and mortality worldwide. Gastrointestinal and hepatic manifestations during acute disease have been reported extensively in the literature. Post-COVID-19 cholangiopathy has been increasingly reported in adults. In children, data are sparse. Our aim was to describe pediatric patients who recovered from COVID-19 and later presented with liver injury. Methods: This is a retrospective case series study of pediatric patients with post-COVID-19 liver manifestations. We collected data on demographics, medical history, clinical presentation, laboratory results, imaging, histology, treatment, and outcome. Results: We report 5 pediatric patients who recovered from COVID-19 and later presented with liver injury. Two types of clinical presentation were distinguishable. Two infants aged 3 and 5 months, previously healthy, presented with acute liver failure that rapidly progressed to liver transplantation. Their liver explant showed massive necrosis with cholangiolar proliferation and lymphocytic infiltrate. Three children, 2 aged 8 years and 1 aged 13 years, presented with hepatitis with cholestasis. Two children had a liver biopsy significant for lymphocytic portal and parenchyma inflammation, along with bile duct proliferations. All 3 were started on steroid treatment; liver enzymes improved, and they were weaned successfully from treatment. For all 5 patients, extensive etiology workup for infectious and metabolic etiologies was negative. Conclusions: We report 2 distinct patterns of potentially long COVID-19 liver manifestations in children with common clinical, radiological, and histopathological characteristics after a thorough workup excluded other known etiologies.
Abstract aus Cooper S, Tobar A, Konen O, et al.: Long COVID-19 liver manifestation in children. J Pediatr Gastroenterol Nutr 2022;75:244–251.
Transfer in die Praxis von Prof. Dr. Dr. Bertram Bengsch (Freiburg im Breisgau)
Hintergrund
Im April 2022 wurde ein Anstieg akuter Hepatitisfälle ohne ätiologische Zuordnung bei zuvor gesunden Kindern in der Altersgruppe unter 10 Jahren in Großbritannien festgestellt. Aufgrund schwerer Verläufe mit akutem Leberversagen mussten einige Kinder lebertransplantiert werden. Ein einzelner Auslöser konnte jedoch nicht definitiv identifiziert werden, die Ausschlussdiagnostik beinhaltete Hepatitisviren und andere bekannte Auslöser einer akuten Hepatitis.
Der starke Anstieg der Fallzahlen in einem kurzen Zeitraum in Großbritannien wies auf eine epidemische infektiöse Genese hin. Es bestand eine zeitliche Korrelation zur Beendigung der gegen COVID-19 gerichteten Schutzmaßnahmen, die auch gegen eine Vielzahl anderer Viren effektiv gewesen waren. In der Folge kam es zu einem deutlichen Anstieg von Infekten bei Kindern, sodass die Vermutung bestand, dass eine infektiöse Ursache für den Anstieg der Hepatitisfälle bei Kindern verantwortlich sei. Tatsächlich wurde bei den in Großbritannien untersuchten pädiatrischen Patienten mit unklarer akuter Hepatitis gehäuft der Nachweis von adenoviralen Infektionen, aber auch Epstein-Barr-Virus (EBV)-, Cytomegalovirus (CMV)- oder anderen in der Altersgruppe häufigen Virusinfektionen (z.B. Enteroviren) geführt. Eine Exposition zu SARS-CoV-2 (severe acute respiratory syndrome coronavirus 2) wird ebenfalls vermutet. Die führende Hypothese besteht aktuell in der Annahme, dass ein zusätzlicher unbekannter Faktor den natürlichen Verlauf der eigentlichen milden Adenovirusinfektion modifiziert und zu schweren Verläufen führen kann. Einer der diskutierten Faktoren ist eine zugrunde liegende oder stattgehabte Coronavirusinfektion, die jedoch nur in etwa 15% der Patienten nachgewiesen war.
Generell ist die Rolle einer Leberbeteiligung bei der SARS-CoV-2 Infektion bei Kindern wenig untersucht. In Einzelfällen ist eine schwere Hepatitis auch im Rahmen eines akuten COVID-19-Verlaufes bei Kindern beschrieben [1], ebenfalls kann es im Rahmen des COVID-19-assoziierten multisystemischen inflammatorischen Syndroms (MIS-C) zu einer schweren Leberbeteiligung kommen.
Ergebnisse der Studie
In der von Cooper et al. vorgelegten Arbeit wird über eine weitere mögliche COVID-19-assoziierte Leberpathologie bei Kindern berichtet. In der Fallsammlung von 5 pädiatrischen Patienten aus Israel beschreiben die Autoren schwere Verläufe mit Leberversagen nach einer stattgehabten COVID-19-Infektion. Die 5 Kinder hatten einen asymptomatischen oder milden COVID-19-Verlauf vor dem Leberversagen. 2 Säuglinge (3 und 5 Monate) mussten lebertransplantiert werden, bei den älteren Kindern (8–13 Jahre) wurde eine Steroidtherapie durchgeführt, eine Lebertransplantation konnte vermieden werden. Bei den Säuglingen zeigte sich in der Explantatleber eine massive Nekrose mit cholangiozellulärer Proliferation und Lymphozyteninfiltraten. Bei den älteren Kindern fanden sich in den Leberbiopsien ebenfalls deutliche lymphozytäre Infiltrationen, vor allem periportal, aber auch parenchymal. Eine führende Rolle der Inflammation des Portaltraktes wird auch durch die radiologischen Befunde unterstützt, die ein portales Ödem, eine Verdickung der Gallenblasenwand und Zeichen der mechanischen Cholestase beinhalten. Diese Befunde weisen auf eine immunvermittelte Genese der Erkrankung hin und passen zu einem Ansprechen der älteren Kinder auf die Steroidtherapie.
Wie ist jedoch die Evidenz hinsichtlich einer zugrunde liegenden COVID-19-Infektion zu betrachten? Beim jüngsten Patient (3 Monate) trat die Hepatitis 21 Tage nach der COVID-19-Diagnose auf. Bei dem nächstälteren Säugling (5 Monate) bestand hinsichtlich der COVID-19-Infektion lediglich ein Nachweis von SARS-CoV-2-IgG, die aber in dem Alter möglicherweise auch noch maternal bedingt sein könnten. Ferner wurde bei ihm auch der Nachweis einer Adenovirus- und CMV-Infektion geführt, es kam auch zur Ausbildung eines Hämophagozytose-Syndroms und die genetische Diagnostik zeigte einige immunologische Risikoallele. Bei dem nächstälteren, 8 Jahre alten Patient trat die Hepatitis 130 Tage nach seiner COVID-19-Diagnose auf. Bei dem anderen 8 Jahre alten Kind war im Rahmen einer milden akuten SARS-CoV-2-Infektion ein leichter Transaminasenanstieg gefunden worden, das schwere Leberversagen trat 94 Tage nach diesem Befund auf. Nach initiierter Steroidtherapie wurde eine aplastische Anämie diagnostiziert, die mit einer Knochenmarkstransplantation behandelt wurde. Der 13-jährige Patient präsentierte sich initial mit einer akuten Hepatitis im Rahmen einer COVID-19-Infektion, die sich spontan besserte und nach 39 Tagen mit normalisierten Leberwerten als geheilt galt. Nach weiteren 14 Tagen kam es jedoch zu einem erneuten schweren Leberversagen, das auf eine dann initiierte Steroidtherapie ansprach.
Die dargestellten klinischen Verläufe weisen somit eine große Heterogenität auf, ferner bestehen bei den wenigen Patienten unterschiedliche Komorbiditäten. Zudem muss hinterfragt werden, ob der große Altersunterschied der Säuglinge zu den älteren Kindern einen sinnvollen Vergleich ermöglicht. Darüber hinaus bestehen Uneinheitlichkeiten bei der virologischen und hepatologischen Diagnostik und Therapie. Insgesamt ist die Aussagekraft der Studie somit gering. Auffallend ist jedoch die bei allen Patienten beschriebene Latenz zwischen der im Einzelfall gut dokumentierten initialen COVID-19-Infektion und dem Auftreten der ausgeprägten Leberpathologie sowie das histologisch ähnliche Befallsmuster. Die beschriebenen Fälle mit den starken Hinweisen auf eine immunvermittelte Pathologie weisen somit auf eine Rationale für die Steroidtherapie hin, die gerade bei den Säuglingen nicht angewandt wurde.
Kann aus diesen Daten jedoch bereits die Evidenz für ein Long- oder Post-COVID-Syndrom abgeleitet werden? Unter dem Begriff Long/Post-COVID wird eine Gruppe von gesundheitlichen Langzeitfolgen verstanden, die mindestens 4 Wochen nach einer Infektion mit SARS-CoV-2 auftreten. Die Long-COVID-Kriterien werden in der Fallsammlung gerade bei den Säuglingen mit schwerem Verlauf nicht erfüllt. Ein Nachweis von SARS-CoV-2-Antigenen konnte zum Zeitpunkt des Leberversagens nicht geführt werden. Die Latenz zwischen der COVID-19-Infektion und dem Auftreten der Hepatitis passt insgesamt besser zu einer sekundären immunvermittelten Genese, die möglichweise durch die vorangegangene Infektion getriggert, aber nicht notwendigerweise für eine prolongierte Manifestation der SARS-CoV-2-Infektion spezifisch ist. Die bei adulten Patienten beschriebene Pathogenese einer Post-COVID-19-Cholangiopathie nach schwerem intensivmedizinischen Verlauf scheint bei den hier vorgestellten Fällen nicht vorzuliegen. Der Kommentator wäre daher bei der Einordnung der beschriebenen Fälle als Long-COVID-19-Manifestation der Leber zurückhaltend.
Es bleibt ebenfalls unklar, ob die beschriebene Pathologie pathogenetisch vergleichbar mit den Fällen in Großbritannien ist. So hatte nur ein geringer Teil der in Großbritannien dokumentierten Fälle einen Nachweis für COVID-19 gezeigt. Zudem bestehen Unterschiede bezüglich der Altersgruppen und durch das in Großbritannien im Gegensatz zur israelischen Studie epidemiologische Auftreten.
Die Fallsammlung mit den beschriebenen Assoziationen zu einer vorangegangenen COVID-19-Infektion unterstreicht trotz ihrer Limitationen insgesamt die Notwendigkeit für eine genaue medizinische, insbesondere hepatologische, virologische, immunologische und histopathologische Aufarbeitung unklarer, nach einer COVID-19-Infektion auftretender pädiatrischer Hepatitisfälle, die möglicherweise von einer Steroidtherapie profitieren können.
Fazit für die Praxis
Im zeitlichen Zusammenhang nach einer COVID-19-Infektion ist es in Einzelfällen zu schwerem Leberversagen bei Kindern gekommen.
Die radiologische und histologische Aufarbeitung weist auf eine immunvermittelte Pathologie mit prominenter Cholangiopathie hin.
Eine Steroidtherapie wurde in Einzelfällen erfolgreich durchgeführt.
Die Evidenz für einen kausalen Zusammenhang zwischen der Genese der akuten Hepatitis als Long- oder Post-COVID-19-Manifestation ist aktuell nicht ausreichend belegt.
Disclosure Statement
Die Arbeitsgruppe des Kommentators untersucht ebenfalls die Pathogenese immunvermittelter Lebererkrankungen, es besteht kein finanzieller Interessenskonflikt.
Zweitveröffentlichung
Dieser Beitrag wurde erstveröffentlicht in Kompass Autoimmun 2023;5:24–26 (DOI: 10.1159/000528933).