Von einigen Tabakraucher*innen werden elektronische Zigaretten (E-Zigaretten) als Hilfsmittel zum Rauchstopp verwendet. Wirksamkeit und Sicherheit müssen aber noch nachgewiesen werden. Die Autor*innen dieser Studie führten eine offene, kontrollierte Studie mit erwachsenen Personen durch, die täglich mindestens fünf herkömmliche Zigaretten konsumierten und die sich bei einem Rauchentwöhnungsprogramm anmelden wollten. Die Proband*innen wurden in zwei Gruppen eingeteilt: Die eine Gruppe bekam gratis E-Zigaretten und E-Liquids, eine Standardberatung zum Rauchstopp und die Möglichkeit, eine (kostenpflichtige) Nikotin-Ersatztherapie zu nutzen. Die andere Gruppe bekam nur eine Standardberatung und einen Gutschein, den sie für alles, auch für eine Nikotin-Ersatztherapie, ausgeben konnten. Hauptziel der Studie war es, zu messen, wie viele der Teilnehmer*innen nach sechs Monaten dauerhaft mit dem Rauchen aufgehört hatten. Ebenso wurde untersucht, wie viele Teilnehmer*innen nach sechs Monaten angaben, weder Tabak noch Nikotin (egal ob durch Rauchen, E-Zigaretten oder Nikotin-Ersatztherapie) zu konsumieren, sowie ihre Atemwegsbeschwerden und ernsten Nebenwirkungen. Die Studie stellt fest, dass die Gruppe mit den E-Zigaretten-Nutzer*innen deutlich mehr Erfolg hatte als die Gruppe, die einen Gutschein erhalten hatte. Außerdem wurde abgefragt, wie viele Teilnehmer*innen in der Woche vor dem 6-Monats-Besuch nicht geraucht hatten. Dabei stellte sich heraus, dass in der Gruppe mit den E-Zigaretten fast doppelt so viele Teilnehmer*innen nicht mehr geraucht hatten wie in der Gutscheingruppe, aber dass in der Gutscheingruppe mehr Teilnehmer*innen waren, die gar kein Nikotin mehr konsumierten. Die Hinzunahme von E-Zigaretten zur herkömmlichen Raucherentwöhnungsberatung führte bei Raucher*innen zu einer höheren Abstinenz vom Tabakkonsum im Vergleich zur alleinigen Raucherentwöhnungsberatung. Unerwünschte Nebenwirkungen traten in der E-Zigarettengruppe häufiger auf.

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Zusammenfassung von Auer R, Schoeni A, Humair JP, et al.: Electronic Nicotine-Delivery Systems for Smoking Cessation. N Engl J Med. 2024 Feb 15;390(7):601–610 (DOI: 10.1056/NEJMoa2308815).

Hintergrund

Weltweit gilt das Rauchen als der größte, individuell vermeidbare Risikofaktor für die Entstehung von Erkrankungen, einer Verschlechterung und einem vorzeitigen Versterben. In Deutschland gibt es eine S3-Leitlinie zur Behandlung der Tabakabhängigkeit [1], die regelmäßig aktualisiert wird, aber in der Praxis bisher wenig umgesetzt scheint. Ebenso widmet sich die Nationale Versorgungsleitlinie COPD mit einem gesonderten Kapitel der Tabakentwöhnung [2]. Dennoch ist die Rauchprävalenz in Deutschland vergleichsweise hoch und Aufhörwunsch und Behandlungsangebote wenig verbreitet.

Seit mehr als 10 Jahren sind sogenannte E-Zigaretten und ebenso Tabakerhitzer am deutschen Markt verfügbar und werden von Konsument*innen u.a. bei Aufhörversuchen «off label» eingesetzt. Bisher liegen auch international keine evidenzbasierten Empfehlungen zur Nutzung, Nikotinkonzentration, Frequenz usw. vor, während die relevanten medizinischen Fachgesellschaften, allen voran die WHO, eindeutig vor deren (langfristigen) Schädlichkeit warnt und von deren Gebrauch und dem Einsatz bei der Entwöhnung abrät. Die wissenschaftliche Diskussion wird durch vereinfachende Narrative und Einflussnahme der Industrie erschwert#.

Kürzlich wurde im New England Journal of Medicine eine kontrollierte Studie von Reto Auer und Kolleg*innen zur Tabakentwöhnung mit E-Zigaretten publiziert, die bezüglich (der Beobachtung von Nebenwirkungen und) des langfristigen Rauchverhaltens sorgfältiger konzipiert ist als ältere Studien.

Ergebnisse der Studie und Kommentierung

Das Forschungsdesign sah zwei Gruppen von aufhörwilligen Raucher*innen vor, die entweder kostenlose E-Zigaretten (und nicht kostenlose Ersatzpräparate) oder einen Gutschein erhielten, der z.B. für den Kauf von Ersatzpräparaten genutzt werden konnte. Beide Gruppen erhielten darüber hinaus ein psychosoziales Beratungsangebot. Die E-Zigarettennutzer*innen waren nach 6 Monaten zwar eher rauch- (59,6%), aber nicht nikotinfrei (20,1%) im Vergleich zur Kontrollgruppe (38,5% bzw. 33,7%) (siehe Abb 1).

In dieser Studie wurden Effekte zum Einsatz von E-Zigaretten nicht mit einer fachgerechten Nikotinersatztherapie (NET) verglichen, sondern mit der Möglichkeit, eine NET mittels eines geldwerten Gutscheins kaufen und benutzen zu können. Das haben nur etwa 60% der Kontrollgruppe getan. Es besteht entsprechend ein systematischer Nachteil.

Zur Nutzung der E-Zigaretten liegen keine evidenzbasierten Empfehlungen vor und so gab es auch hier kein exaktes Nutzungsschema, an das sich die Studienteilnehmer*innen halten sollten. Sie konnten zwischen unterschiedlichen Dosierungen und Aromen frei wählen. Leider wurden diese Auswahlentscheidungen nicht ausführlicher dokumentiert und analysiert, sondern nur durch Mediane dargestellt; ebenso wenig wurde der Frage nachgegangen, ob körperlich stärker abhängige Raucher*innen zu Studienbeginn die E-Zigaretten häufiger nutzten – gegebenenfalls mit höheren Nikotindosierungen.

Eine biochemische Validation mittels Urin zur Bestimmung der Abstinenz konnte nicht immer gewährleistet werden. Stattdessen wurde ein relativ hoher Kohlenmonoxid (CO)-Wert (9 ppm) als ausreichend «rauchfrei» eingeschätzt. Diese Angaben werden aber als «biochemisch validiert» zusammengefasst, hier schwanken die Ergebnisse zwischen 20% und 40% aller Teilnehmenden je nach Messzeitpunkt. Das exhalierte CO ist bei E-Zigaretten methodisch bedingt aber ohnehin deutlich niedriger als bei konventionellen Zigaretten. Mithin liegt ein systematischer Bias zugunsten der E-Zigarette vor.

Die eingeschlossenen Teilnehmer*innen waren für Entwöhnungswillige relativ jung (median 38 Jahre), haben mit dem Rauchen spät begonnen (etwa mit 16 Jahren) und waren mit einem Fagerströmwert von 4,3 eher leicht körperlich abhängig; der Anteil mit einer Schulbildung von > 9–11 Jahren lag bei etwa 8%. Die Ergebnisse lassen sich entsprechend nur mit Einschränkungen auf eine deutsche Raucherpopulation übertragen.

Die Autoren nennen selbst eine Vielzahl weiterer Limitationen, nicht zuletzt fiel die Durchführung der Studie in die Hochzeiten der COVID-19-Pandemie mit diversen unterschiedlichen Einschränkungen an den Studienzentren. Die Studie war nicht verblindet und die Study Nurses haben gleichzeitig die Tabakentwöhnung sowie das Follow-up durchgeführt. Eine höhere Drop-out-Quote in der Kontrollgruppe ist ein weiterer systematischer Fehler, der zu einer geringeren Erfolgsrate in der Kontrollgruppe führen könnte. Schließlich ist die Studie in der Schweiz durchgeführt worden. Die Schweiz ist das Land mit dem höchsten Conflict of Interest hinsichtlich der Tabakindustrie.

Fazit für die Praxis

Die leitlinienbasierte Tabakentwöhnung ist wirksam, gut untersucht und empfehlenswert, während der Einsatz von E-Zigaretten zur Rauchentwöhnung weiterhin mit vielen Risiken und Unsicherheiten verbunden bleibt.

Anmerkung

# Im Einklang mit den Grundprinzipien des Rahmenübereinkommens der Weltgesundheitsorganisation zur Eindämmung des Tabakgebrauchs (WHO-FCTC) und den Vorgaben aus den Leitlinien zu Artikel 5.3 des WHO-FCTC sieht das WHO-Kollaborationszen­trum für Tabakkontrolle einen fundamentalen und unüberbrückbaren Konflikt zwischen den Interessen der Tabakindustrie und gesundheitspolitischen Interessen. Die Konferenz der Vertragsparteien des WHO-FCTC weist im Hinblick auf neue und neu entstehende Tabakprodukte wie elektronische Zigaretten darauf hin, dass Tabakkontrollaktivitäten vor kommerziellen und anderen berechtigten Interessen im Zusammenhang mit diesen Produkten zu schützen sind. Verbindungen zur Tabakindustrie und zu E-Zigarettenherstellern können daher zur Ablehnung eines Abstracts führen (siehe auch https://www.dkfz.de/de/krebspraevention/Veranstaltungen/1_Deutsche-Konferenz-fuer-Tabakkontrolle.html (letzter Aufruf 06.03.2024)).

Disclosure Statement

SA: Mitglied Aktionsbündnis Nichtrauchen; KV: Durchführung von ambulanten und stationären Tabakentwöhnungsangeboten, ärztlichen Fortbildungen, Mitgliedschaften in Fachgesellschaften.

1.
Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF)
:
S3-Leitlinie «Rauchen und Tabakabhängigkeit: Screening, Diagnostik und Behandlung» (Langversion)
. Verfügbar unter https://register.awmf.org/assets/guidelines/076-006l_S3_Rauchen-_Tabakabhaengigkeit-Screening-Diagnostik-Behandlung_2021-03.pdf (letzter Abruf 06.03.2024).
2.
Ärztliches Zentrum für Qualität in der Medizin (ÄZQ): Nationale Versorgungsleitlinie COPD (Langversion)
. Verfügbar unter https://www.leitlinien.de/themen/copd/2-auflage/2-auflage (letzter Abruf 06.03.2024).