Liebe Leserinnen und Leser, liebe Kolleginnen und Kollegen,
die Tabakepidemie – genauer gesagt die Tabakpandemie – mit ihren verheerenden Folgen für die Gesundheit wird als eine vorübergehende Episode in die Menschheitsgeschichte eingehen. Ihre Besonderheit besteht darin, dass sie im Unterschied zu anderen Epidemien ausschließlich menschengemacht ist und Profitinteressen eines Industriezweigs das treibende Agens sind. Das bedeutet aber auch, dass menschliches Handeln sie beenden kann. Dem widmet sich die «Strategie für ein Tabakfreies Deutschland 2040», ein Stufenprogramm in 10 Handlungsfeldern aus dem Bereich der Prävention und Therapie [1]. Dabei sind vielfältige Widerstände zu überwinden, die ein stringentes gesundheitspolitisches Handeln voraussetzen. Dem Einfluss der Tabakindustrie auf die Politik soll entgegengewirkt und die Prävention soll deutlich intensiviert werden. Dafür ist die Erhöhung der Tabaksteuer ein ganz wichtiges Instrument. Als weitere wichtige Elemente werden Aufklärung, Jugendschutz und rauchfreie öffentlich zugängliche Räume und Arbeitsstätten benannt. Auch soll die Tabakindustrie daran gehindert werden, den zurückgehenden Tabakkonsum durch neue Nikotinprodukte wie E-Zigaretten und Tabakerhitzer zu kompensieren, weil dadurch neue Konsumenten generiert werden und die Nikotinabhängigkeit bei bereits Konsumierenden perpetuiert wird.
Zur «Strategie 2040» gehören neben der Prävention auch verstärkte Anstrengungen bei der Therapie der Tabakabhängigkeit. Diesem Thema widmet sich der Schwerpunkt der vorliegenden Ausgabe des Kompass Pneumologie. Es sind mehr Therapeutinnen und Therapeuten notwendig, um die vielen Rauchenden, die von allein den Konsum nicht beenden können, zu beraten und zu behandeln. Sie müssen ausgebildet und ihre Leistung muss angemessen finanziert werden. Die Ausbildung sollte Bestandteil der Aus- und Weiterbildung in allen Institutionen des Gesundheitswesens werden. Für die Therapie ist bereits jetzt ein abgestuftes Instrumentarium vorhanden, das sich in vielen Untersuchungen als effektiv erwiesen hat [2‒4].
Wichtig ist die innere Haltung aller derjenigen in den Gesundheitsberufen Tätigen, die mit Rauchendenden in Kontakt treten. Zu häufig wird das Problem ignoriert, weil ein zu geringer therapeutischer Effekt erwartet wird. Dabei hat sich allein schon das Abfragen der Rauchgewohnheiten als wirksam herausgestellt. Die darauffolgende Kurzberatung dauert nur wenige Minuten und kann leicht erlernt werden. Das Gespräch beinhaltet das Angebot zur Hilfestellung beim Rauchstopp und kann je nach Patientenwunsch und -bereitschaft durch weitergehende Therapieangebote erweitert werden. Dafür stehen niedrigschwellige Angebote wie Aufklärungsbroschüren und Telefonberatungen der Bundeszentrale für Gesundheitliche Aufklärung (BZGA), digitale Gesundheitsangebote (DIGA) bis hin zu Einzel- und Gruppentherapien zur Verfügung. Lesen Sie dazu die Übersichtsarbeit von Yichen E. Fang und Mitarbeitenden, die sich mit der Wirksamkeit von E-Health-Interventionen zur Rauchentwöhnung beschäftigt, die Sie in deutscher Übersetzung exklusiv in diesem Heft finden.
Wichtig ist auch die medikamentöse Unterstützung mit Nikotinersatzmitteln oder suchthemmenden Medikamenten. Ihre Kosten wurden bisher durch die Kostenträger mit der Eingruppierung als sogenannte Lifestyle-Mittel nicht erstattet. Hier kommt aktuell etwas in Bewegung: Das «Gesetz zur Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung» von 2021 hat festgelegt, dass Versicherte mit einer schweren Tabakabhängigkeit innerhalb von drei Jahren eine einmalige Erstattung von Arzneimitteln zur Tabakentwöhnung im Rahmen von Therapieprogrammen erhalten sollen. Der Gemeinsame Bundesausschuss arbeitet zurzeit an der Ausgestaltung dieser Regelung. Die Einschränkung auf Rauchende mit einer sogenannten «schweren Tabakabhängigkeit» ist zu kritisieren, weil wissenschaftlich nicht zu begründen. Auch die Therapieprogramme selbst sind bislang nicht ausreichend vergütet und fehlen deshalb als flächendeckendes Angebot [5].
Es kann nicht akzeptiert werden, dass die lebenswichtige Therapie der Tabakabhängigkeit im Unterschied zu anderen Krankheiten weiterhin nicht finanziert wird.
Es bleibt also trotz einiger Fortschritte noch viel zu tun bei der Beendigung der Tabakpandemie!
Ich wünsche Ihnen eine interessante und informative Lektüre der aktuellen Ausgabe des Kompass Pneumologie
Ihr
Prof. Dr. Wulf Pankow