Zusammenfassung der Studie
In die hier kommentierte Phase-III-Studie wurden Patienten mit fortgeschrittenem Endometriumkarzinom eingeschlossen. Die Patienten hatten zuvor mindesten eine platinbasierte Chemotherapie erhalten. Insgesamt 827 Patienten (697 mit pMMR-Krankheit und 130 mit Mismatch-Reparatur-defizienter Krankheit) wurden in zwei Arme randomisiert. Entweder erhielten die Patienten Lenvatinib plus Pembrolizumab (411 Patienten) oder Chemotherapie (416 Patienten). Das mediane progressionsfreie Überleben war mit Lenvatinib plus Pembrolizumab länger als mit Chemotherapie (pMMR-Population: 6,6 vs. 3,8 Monate; Hazard Ratio für Progression oder Tod, 0,60; 95% Konfidenzintervall [CI], 0,50 bis 0,72; P<0,001; insgesamt: 7,2 vs. 3,8 Monate; Hazard Ratio, 0,56; 95% CI, 0,47 bis 0,66; P<0,001). Das mediane Gesamtüberleben war mit Lenvatinib plus Pembrolizumab länger als mit Chemotherapie (pMMR-Population: 17,4 vs. 12,0 Monate; Hazard Ratio für Tod, 0,68; 95% CI, 0,56 bis 0,84; P<0,001; Gesamtüberleben: 18,3 vs. 11,4 Monate; Hazard Ratio, 0,62; 95% CI, 0,51 bis 0,75; P<0,001). Unerwünschte Ereignisse vom Grad 3 oder höher traten bei 88,9 % der Patienten auf, die Lenvatinib plus Pembrolizumab erhielten, und bei 72,7 % der Patienten, die eine Chemotherapie erhielten. Lenvatinib plus Pembrolizumab führte bei Patientinnen mit fortgeschrittenem Endometriumkarzinom zu einem signifikant längeren progressionsfreien Überleben und Gesamtüberleben als die Chemotherapie.
Abstract aus Makker V, Colombo N, Casado Herráez A, Santin AD, Colomba E, Miller DS, Fujiwara K, Pignata S, Baron-Hay S, Ray-Coquard I, Shapira-Frommer R, Ushijima K, Sakata J, Yonemori K, Kim YM, Guerra EM, Sanli UA, McCormack MM, Smith AD, Keefe S, Bird S, Dutta L, Orlowski RJ, Lorusso D; Study 309–KEYNOTE-775 Investigators. Lenvatinib plus Pembrolizumab for Advanced Endometrial Cancer. N Engl J Med. 2022 Feb 3;386(5):437-448.
Transfer in die Praxis von PD Dr. Martin Pölcher (München)
Hintergrund
Tyrosinkinase-Inhibitoren (TKI) spielten bisher in der Gynäkologischen Onkologie keine große Rolle - abgesehen vom relativ gut verträglichen Lapatinib. Allerdings verschafften uns einige klinischen Studien (z.B. mit Sorafenib) einen gewissen Respekt vor den Nebenwirkungen dieser Substanzen.
Lenvantinib, ein Multitarget-TKI, mit antitumoröser und antiangiogenetischer Wirkung gegen VEGFR, FGFR und PDGFR und in der Monotherapie bereits geprüft und bewährt (hepatozelluläres Karzinom, Nierenzellkarzinom, Schilddrüsenkarzinom), vermag auch das immunsuppressive Microenvironment eines Tumors umzuwandeln in einen «immune stimulatory state». Diese Beobachtung führt zur Rationale für eine Kombination mit einem Checkpoint Inhibitor, in diesem Fall mit dem anti-PD1 Antikörper Pembrolizumab.
Die Keynote-775 Studie führte nun zur Zulassung dieser Kombination für das progrediente Endometriumkarzinom, das zuvor platinhaltig therapiert wurde.
Ergebnisse der Studie
Der Chemotherapie-Standardarm mit der Monotherapie von Doxorubicin 60mg/m2 oder wahlweise Paclitaxel 80mg/m2 (dreimal wöchentlich, einmal pausiert) lässt schon die schwierige Therapiesitutation erahnen, die mit schlechten Ansprechraten und allenfalls kurzzeitiger Tumorreduktion einhergeht. Die primären Studienziele wurden eindrucksvoll erreicht: das Overall Survival für Patientinnen im Behandlungsarm mit Lenvantibnib/Pembrolizumab war mit 18,3 vs. 11,4 Monaten signifikant verbessert, ebenso wie die objektive Ansprechrate mit 31,9% gegenüber 14,7%. Diese Ergebnisse gelten (fast) für ein «all-comer» Kollektiv - Karzinosarkome waren nicht eingeschlossen, wohl aber mit knapp 30% die serösen Karzinome – und bei diesen, meist mikrosatellitenstabilen Tumoren, wird diese neue Kombination vermutlich häufig zum Einsatz kommen.
Allerdings ist die Toxizität (v.a. Hypertonus, Diarrhoe, Hand-Fuß-Syndrom, Proteinurie, Fatigue) eine besondere Herausforderung bei diesem neuen Regime.
Fast 90% der Patientinnen erlitten eine Grad 3 oder höhergradige Nebenwirkung, die Anzahl und das Ausmaß der Dosisreduktionen (vor allem von Lenvatinib) waren erheblich: 45,6% hatten hier zwei oder mehr Dosisreduktionen. Die mediane Dosis betrug 13,8mg/d Lenvantinib, die mediane Zeit bis zur ersten Dosisreduktion betrug 1,9 Monate.
Fazit für die Praxis
Es werden also nicht alle Patientinnen diese Therapie tolerieren. Insbesondere stellt sich die Frage der Anfangsdosierung für Patientinnen mit relevanteren Vorerkrankungen als die der Patientinnen in einem Studienkollektiv. Sollte man eventuell niedriger dosiert mit dem Lenvantinib beginnen? Ist die Startdosis zu hoch gewählt? Eine ähnliche Konstellation haben wir beim PARP-Inhibitor Niraparib erlebt, hier wurde im Nachhinein die Startdosis für ein Subkollektiv (geringeres Gewicht, niedrige Thrombozyten) reduziert, um die gefürchteten massiven Thrombozytopenien zu vermeiden. Neuere Studien suggerieren hier eine ähnliche Effektivität.
Das Therapieregime mit Lenvantinib und Pembrolizumab bietet in der beschriebenen aussichtsarmen Therapiesituation nicht weniger als eine weitere Therapielinie durch die Kombination von Immuntherapie mit oraler Erhaltungstherapie. Das Nebenwirkungsprofil erfordert aber eine intensive, engmaschige und achtsame Begleitung der Patientinnen.
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