KarMMa ist eine offene, einarmige, multizentrische, multinationale Phase-II-Studie zur Bewertung der Wirksamkeit und Sicherheit von Idecabtagen Vicleucel (ide-cel) bei erwachsenen Patienten mit rezidiviertem und refraktärem Multiplem Myelom (RRMM) in Nordamerika und Europa. Der primäre Endpunkt der Studie ist die Gesamtansprechrate (Overall Response Rate, ORR), die von einem unabhängigen Prüfungsausschuss (IRC) gemäß den Kriterien der International Myeloma Working Group (IMWG) bewertet wird. Ein wichtiger sekundärer Endpunkt ist ein komplettes Ansprechen (complete Response, CR) oder besser. Bei ide-cel handelt es sich um eine BCMA-gerichtete, genetisch modifizierte autologe CAR-T-Zell-Immuntherapie. Ide-cel besteht aus einem murinen extrazellulären einkettigen variablen Fragment (single-chain variable fragment, scFv), das spezifisch für die Erkennung von BCMA ist und an eine humane CD8-α-Gelenk- und Transmembrandomäne gebunden ist. Diese ist im Tandem mit den zytoplasmatischen T-Zell-Signaldomänen CD137 4–1BB und CD3-ζ-Kette fusioniert. Ide-cel erkennt und bindet an BCMA auf der Oberfläche von multiplen Myelom-Zellen, was zur Proliferation von CAR-T-Zellen, zur Ausschüttung von Zytokinen und zur anschließenden zytolytischen Abtötung von BCMA-exprimierenden Zellen führt. Ide-cel führte bei der Mehrheit der stark vorbehandelten Patienten mit refraktärem und rezidivierendem Myelom zu einem Ansprechen; ein MRD-negativer Status wurde bei 26% der behandelten Patienten erreicht. Bei fast allen Patienten traten toxische Wirkungen des Grades 3 oder 4 auf, am häufigsten hämatologische toxische Wirkungen und Zytokin-Freisetzungssyndrome (Cytokine-release syndrome, CRS). (ClinicalTrials.gov Identifier: NCT03361748)

Abstract aus Munshi NC, Anderson LD Jr, Shah N, et al. Idecabtagene Vicleucel in Relapsed and Refractory Multiple Myeloma. N Engl J Med. 2021 Feb 25;384(8):705–716.

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Hintergrund

Bei der Behandlung des Multiplen Myeloms wurden in den letzten Jahren sehr gute Fortschritte erzielt. Allerdings ist die Behandlung des rezidivierten/refraktären Multiplen Myeloms weiterhin eine große Herausforderung. Modifizierte T-Zellen mit zielgerichteten chimären Antigen-Rezeptoren (CAR-T-Zellen) stellen neue Optionen zur zellulären Immuntherapie dar. Gegen CD19 gerichtete CAR-T-Zellen sind bereits zur Behandlung bestimmter maligner CD19-positiver B-Zell-Erkrankungen zugelassen. Die gegen das B-cell maturation antigen (BCMA) gerichtete CAR-T-Zell-Therapie Idecabtagene Vicleucel (Ide-Cel) hatte in einer Phase 1 Studie vielversprechende Ergebnisse bei der Behandlung des refraktären/rezidivierten Multiplen Myeloms gezeigt. In der hier vorgestellten Studie werden die Ergebnisse der Phase 2 Studie zur Behandlung des rezidivierten/refraktären Multiplen Myeloms mit der anti-BCMA CAR-T-Zell-Therapie Ide-Cel berichtet (KarMMa Studie).

Ergebnisse der Studie

Insgesamt wurden 140 Patienten in die Studie eingeschlossen, wovon 128 Patienten die Infusion mit Ide-Cel (4 Patienten mit 150 × 106, 70 mit 300 × 106 und 54 mit 450 × 106 CAR-T-Zellen) erhielten. Bei lediglich einem Fall war die Herstellung der CAR-T-Zellen nicht erfolgreich. Vor Infusion der CAR-T-Zellen erhielten die Patienten eine lymphodepletierende Chemotherapie mit Fludarabin (30mg/m2/d) und Cyclophosphamid (300mg/m2/d) über 3 Tage. Das mediane Alter der behandelten Patienten betrug 61 Jahre (33–78 Jahre) mit im Median 6 vorangegangenen Therapielinien (3–16). Darunter befanden sich auch Patienten mit hoher Tumorlast (51% aller Patienten), extramedullärer Erkrankung (39%), ISS-R III (16%) sowie Hochrisiko-Zytogenetik (35%). Die Mehrzahl der Patienten war triple-refraktär (refraktär auf einen Immunmodulator, einen Proteasom-Inhibitor und einen Anti-CD38 Antikörper). 112 Patienten erhielten eine Bridging-Therapie während des Herstellungsprozesses, allerdings zeigten darunter nur 5 Patienten ein Ansprechen der Erkrankung.

Bei einer medianen Nachbeobachtung von 13,3 Monaten kam es zu einem Gesamtansprechen bei 73% der Patienten und insgesamt 33% hatten mindestens eine komplette Remission. 26% aller Patienten erreichten eine MRD-Negativität bei einer Sensitivität von 10–5. Bei der höchsten Dosis von 450 × 106 CAR-T-Zellen bestand ein Trend zu besserem und tieferem Ansprechen. Die mediane Dauer des Ansprechens betrug 10,7 Monate, das progressionsfreie Überleben 8,8 Monate und das Gesamtüberleben 19,4 Monate. Von den rezidivierten Patienten wurden 28 erneut mit Ide-Cel behandelt, worunter interessanterweise 6 Patienten ein erneutes Ansprechen zeigten.

Zu schwerwiegenden Nebenwirkungen (≥ Grad 3) kam es bei fast allen behandelten Patienten (99%). Darunter waren häufig vorübergehende hämatologische Toxizitäten wie Neutropenie, Anämie und Thrombopenie. Schwere Infektionen traten bei 22% der Patienten auf. Zu einem Zytokin-Freisetzungs-Syndrom (CRS) kam es in 84% der Patienten, wobei 5% aller Patienten ein CRS ≥ Grad 3 hatten. Eine Neurotoxizität wurde insgesamt bei 18% der Patienten beobachtet. Eine Grad 3 Neurotoxizität trat bei 3% der Patienten auf, Grad 4 oder 5 Neurotoxizität wurde nicht beobachtet. Die Behandlung der CRS und Neurotoxizität erfolgte mit Tocilizumab und Glucokortikoiden.

Die Autoren haben darüber hinaus eine umfangreiche Analyse der Pharmakokinetik und potentieller Biomarker durchgeführt. Pro-inflammatorische Marker wie Zytokine, Ferritin und C-reaktives Protein zeigten einen Anstieg nach Ide-Cel Infusion mit höheren Spitzenwerten in Patienten, bei welchen ein CRS ≥ Grad 3 auftrat. Die Werte pro-inflammatorischer Moleküle vor Ide-Cel Gabe korrelierten allerdings nicht mit dem Auftreten höhergradiger CRS oder ICANs. Das vor Therapie erhöhte lösliche BCMA (sBCMA) zeigte einen raschen Abfall bei Ansprechen des Myeloms. Die Reduktion von sBCMA korrelierte mit der Tiefe des Ansprechens. Bei 95% der Patienten mit mindestens einer kompletten Remission konnte das sBCMA zwischenzeitlich nicht mehr nachgewiesen werden. Zum Zeitpunkt des Rezidivs nach CAR-T-Zell-Therapie wurde bei 97% ein erneuter Anstieg des sBCMA Wertes gemessen. Auch die BCMA-Expression auf den Myelomzellen war bei Erkrankungsrückfall in 93% der Patienten positiv. Ein Verlust der BCMA-Expression zeigt sich in 4% der Rezidive. Die maximale CAR-T-Zell Expansion trat im Median nach 11 Tagen auf und die sogenannte CAR-T-Zell Exposition nahm mit höherer CAR-T-Zell-Dosis zu. Die CAR-T-Zellen konnten nach 6 Monaten in 59% der Patienten nachgewiesen werden, nach 12 Monaten noch in 36% der Patienten. Allerdings schützten die persistierenden CAR-T-Zellen nicht vor einem Rückfall der Erkrankung. Es konnte jedoch nicht geklärt werden, ob bei einem Erkrankungsrückfall die Myelomzellen resistent gegenüber den CAR-T-Zellen wurden oder ob die Funktionsfähigkeit der CAR-T-Zellen beeinträchtigt wurde.

Fazit für die Praxis

Neben den bereits zugelassenen CD19-gerichten CAR-T-Zell-Therapien zur Behandlung bestimmter B-Zell Erkrankungen zeigen die hier vorgestellten und auch weitere Studienergebnisse eine beträchtliche Wirksamkeit der CAR-T-Zell-Therapien (BCMA-gerichtet) gegen das Multiple Myelom. Dies ist auch bei intensiv vorbehandelten Patienten mit hoher Tumorlast und ungünstigem genetischen Risikoprofil der Fall.

Die Ursachen, die im Verlauf zu einem erneuten Rezidiv der Erkrankung, auch unter Persistenz der CAR-T-Zellen und der BCMA-Expression, führen, müssen allerdings noch besser verstanden werden, um zukünftig langanhaltende Remissionen erreichen zu können.

Die CAR-T-Zell-Therapien ergänzen die bestehenden Therapieoptionen beim rezidivierten/refraktären Multiplen Myelom mit herausragenden Ansprechraten und deutlich verbessertem progressionsfreiem und Gesamtüberleben. Weitere Studien sind erforderlich, um die optimale Therapiesequenz der CAR-T-Zell-Therapie, gegebenenfalls auch im Rahmen von Kombinationstherapien und in früheren Therapielinien, bei der Behandlung des Multiplen Myeloms zu identifizieren.

In Bezug auf diesen Wissenstransfer liegen keine Interessenskonflikte vor.

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