Abstract
Introduction: Oncological second opinions are becoming increasingly important given more complex treatment strategies, simultaneously more patients use complementary and alternative medicine (CAM), and many comprehensive cancer centers initiate integrative medicine programs. The present study focuses on analyzing the effects of a second opinion in relation to attitudes toward CAM. Methods: In this prospective study patients (n = 97) with a diagnosis of breast cancer or gynecological malignancies who had requested a second opinion received a questionnaire before and after the second opinion concerning their attitudes toward CAM. Results: The majority of patients had breast cancer (72.2%, n = 70). Only 6.2% (n = 6) stated that they had been informed about CAM by the doctors who treated them first, 21.6% (n = 21) had received information about it when seeking the second opinion. After the first opinion, 42.3% (n = 41) wanted to try CAM, the same proportion trusted orthodox medicine alone. After the second opinion, 24 patients (24.7%) wanted to try CAM, while 38.1% (n = 37) relied exclusively on orthodox medicine. There was a significant correlation between an increased patients’ need for information and interest in CAM (p = 0.02). Conclusions: Today, aspects of CAM still are very often no part of oncological first and second opinions. This might hence lead to discouraging patients to try out CAM and therefore integrative medicine programs in comprehensive cancer centers might be problem-solving.
Abstract aus Hack CC, Wasner S, Meyer J, Häberle L, Jud S, Hein A, Wunderle M, Emons J, Gass P, Fasching PA, Egloffstein S, Beckmann MW, Lux MP, Loehberg CR. Analysis of Oncological Second Opinions in a Certified University Breast and Gynecological Cancer Center in Relation to Complementary and Alternative Medicine. Complement Med Res. 2020;27(6):431–439.
Transfer in die Praxis von Prof. Claudia M. Witt (Zürich)
Hintergrund
Das Angebot und die Nachfrage von onkologischen Zweitmeinungen haben in den letzten Jahren zugenommen und die Gründe dafür sind vielfältig. Deshalb ist es wichtig ein besseres Verständnis für Beweggründe und mögliche Zusammenhänge zu bekommen. Qualitative Studien erlauben zwar ein vertieftes Verständnis einzelner Situationen und Zusammenhänge, sind aber aufwendig in der Datenanalyse und wenig generalisierbar. Quantitative Studien in Form von Umfragen und prospektiven Beobachtungsstudien bieten den Vorteil entsprechende Evaluationen niedrigschwellig und kostengünstig in den Klinikalltag zu integrieren. Sie haben jedoch den Nachteil, dass die Generalisierbarkeit ihrer Ergebnisse und damit deren Aussagekraft von der Selektion der Teilnehmenden abhängt. Zudem lassen sich komplexere Sachverhalte meist nicht gut abbilden oder benötigen fortgeschrittene statistische Analysemethoden.
Aus dem Datensatz der Studie von Loehberg et al. können die Gründe, warum eine Zweitmeinung eingeholt wird, entnommen werden [1]. In der Studie zeigte sich, dass der Wunsch «nichts unversucht zu lassen» (85%) und die Überzeugung, dass die Meinung von mehreren Ärzten zu einer besseren Behandlung führen würde (84%), häufige Gründe waren. 73% der Teilnehmenden gaben zudem an weitere Informationen zu benötigen.
Vorgehen und Ergebnisse der Studie
In der hier besprochenen Publikation geht es um Aspekte der Komplementärmedizin. Eingeschlossen wurden in die zugrundeliegende prospektive Beobachtungsstudie Frauen mit Brustkrebs oder gynäkologischen Tumoren, die zwischen Juni 2014 und September 2016 eine Zweitmeinung in der Frauenklinik des Universitätsklinikums Erlangen bezüglich ihrer onkologischen Behandlung einholten. Vor dem Gespräch und 2 Monate nach dem Gespräch (Follow-Up) wurden die Patientinnen gebeten einen Fragebogen auszufüllen. Von 488 Patientinnen, die eine Zweitmeinung einholten, waren 164 bereit an der Studie teilzunehmen und 97 haben auch den Follow-Up Fragebogen ausgefüllt. Die vorliegende Publikation bezieht sich auf die Daten dieser 97 Patientinnen, was ca. 20% der Patientinnen, die eine Zweitmeinung erhielten, entspricht. Die meisten Frauen (78%) wurden von ihren Ärzten zuvor nicht über Komplementärmedizin informiert und nur 7% gaben an Nutzerinnen zu sein. Die Autoren diskutieren selbst, dass dies deutlich weniger als in anderen Erhebungen ist und ggf. der frühe Zeitpunkt nach Diagnose in der vorliegenden Studie eine Erklärung dafür sein könnte. Das interessanteste Ergebnis ist jedoch, dass das Bedürfnis Komplementärmedizin nutzen zu wollen, sich nach dem Zweitmeinungsgespräch deutlich reduziert hat (von 42% der Teilnehmenden auf 25%).
Fazit für die Praxis
Für die Praxis ergeben sich aus der Publikation zwei Anregungen: Zum einen sollte das Thema Komplementärmedizin in die onkologische Sprechstunde integriert werden, zumindest was die Information der Patientin betrifft. Es stehen seriöse Informationsquellen und Fortbildungen zur Verfügung [2].
Zum andern lässt sich vermuten, die Autoren haben es allerdings nicht explizit analysiert, dass sich der Wunsch «nichts unversucht zu lassen» (häufigste Motivation für eine Zweitmeinung wie in der Publikation beschrieben) auch auf die Komplementärmedizin erstreckt und das Bedürfnis reduziert wird, wenn durch eine Zweitmeinung mehr Sicherheit bezüglich Diagnose und Therapie vermittelt wird.
Disclosure Statement
Die Autorin gibt keine Interessenskonflikte an.