Zusammenfassung
Die akute myeloische Leukämie (AML) ist, insbesondere bei älteren Patienten, bei denen die Krankheit am häufigsten auftritt, mit schlechten Behandlungsergebnissen verbunden. Für den Fortbestand und die Aufrechterhaltung der AML spielt das antiapoptotische Protein B-Zell-Lymphom 2 (BCL-2) eine Rolle, das in der leukämischen Stammzellpopulation überexprimiert wird. Venetoclax ist ein oraler BCL-2-Proteininhibitor, der kürzlich von der US-amerikanischen Food and Drug Administration (FDA) für die Anwendung in Kombination mit einem hypomethylierenden Wirkstoff (hypomethylating agent, HMA) (Azacitidin oder Decitabin) oder niedrig dosiertem Cytarabin zur Front-Line-Therapie der AML bei älteren Patienten oder solchen, die für eine Induktions-Chemotherapie ungeeignet sind, zugelassen wurde. Angesichts des einzigartigen Wirkmechanismus überrascht es nicht, dass diese breit wirksame Therapie mit speziellen Herausforderungen verbunden ist, darunter, aber nicht ausschließlich, die Geschwindigkeit des Ansprechens, die Häufigkeit und Tiefe von Zytopenien und Aspekte im Zusammenhang mit Arzneimittelwechselwirkungen. Vor dem Hintergrund der kürzlichen Zulassung durch die FDA und der zunehmenden Verbreitung wollen wir in der vorliegenden Arbeit auf Basis der Evidenzlage und Erfahrungen neue Behandlungsstrategien für die Kombination von HMAs und Venetoclax in der Therapie der AML zusammenfassen.
Einleitung
Die akute myeloische Leukämie (AML) tritt am häufigsten bei älteren Erwachsenen auf, die bei der Diagnose im Median 68 Jahre alt sind [1]. Bei Patienten, die älter sind als 60 Jahre und keine Stammzelltransplantation erhalten, sind die Behandlungsergebnisse schlecht, da nur 2,4% 10 Jahre nach der Diagnose noch leben und krankheitsfrei sind [2]. Ursächlich für die schlechten Behandlungsergebnisse sind patientenbezogene Faktoren wie vermehrte Komorbiditäten [3] und krankheitsbezogene Faktoren, insbesondere die höhere Inzidenz von zytogenetischen Anomalien mit ungünstigem Risiko bei älteren AML-Patienten [4]. Therapien niedriger Intensität, darunter auch die hypomethylierenden Wirkstoffe (hypomethylating agents, HMA) Azacitidin und Decitabin, bildeten bislang den Grundpfeiler der Therapie bei älteren AML-Patienten, die für eine intensive Induktions-Chemotherapie ungeeignet sind. Die HMA-Monotherapie ist mit Raten einer kompletten Remission (complete remission, CR) plus kompletter Remission mit unvollständiger Erholung der Zellzahlen (CRi) in Höhe von etwa 15 bis 30%, einer medianen Zeit bis zum Ansprechen von 3 bis 4 Monaten, einem medianen Gesamtüberleben (overall survival, OS) von weniger als 12 Monaten und einem allgemein verträglichen Sicherheitsprofil bei der älteren AML-Population verbunden [5-7].
Das B-Zell-Lymphom 2 (BCL-2) ist ein antiapoptotisches Protein mit zentraler Bedeutung für das Überleben und die Therapieresistenz von AML-Zellen, darunter auch die Leukämie-Stammzellpopulation (LSC) [8, 9]. BCL-2 und seine Familienmitglieder verhindern die Apoptose, indem sie an pro-apoptotische Proteine binden und diese sequestrieren [10]. Bei Venetoclax handelt es sich um einen potenten, selektiven, oralen BCL-2-Inhibitor, der in präklinischen Studien bei Gabe als Monotherapie eine Anti-AML- und Anti-LSC-Aktivität und in Kombination mit Azacitidin additive Eigenschaften gezeigt hat, darunter auch die Fähigkeit, Leukämie-Stammzellen durch Störung ihres Energiestoffwechsels anzugreifen [8, 9, 11, 12]. Bei Patienten mit rezidivierter und refraktärer (r/r) AML zeigte Venetoclax als Monotherapie eine mäßige Aktivität (19% CR/CRi) [13]. Demgegenüber war unter der Gabe von Venetoclax 400 mg in Kombination mit Azacitidin oder Decitabin in einem Up-front-Therapiesetting eine signifikante Aktivität mit einer CR/CRi-Rate von 71% bzw. 74%, einer medianen Ansprechdauer von 21,2 bzw. 15,0 Monaten und einem medianen Gesamtüberleben von 16,9 bzw. 16,2 Monaten zu beobachten [14]. Die Wirksamkeit war bei allen AML-Subgruppen, einschließlich Patienten mit sekundärer AML und Patienten mit zytogenetischen Anomalien mit ungünstigem Risiko sowie über die gesamte genomische Landschaft der Krankheit hinweg nachweisbar [15]. Eine separate Studie ergab zudem, dass Venetoclax in Kombination mit niedrig dosiertem Cytarabin (low-dose Ara-Cytarabin, LDAC) sicher und wirksam ist [16].
Auf der Basis dieser Ergebnisse wurde Venetoclax in Kombination mit Azacitidin, Decitabin oder LDAC von der US-amerikanischen Food and Drug Administration (FDA) für die Anwendung bei unbehandelten AML-Patienten zugelassen, die 75 Jahre oder älter sind oder Komorbiditäten aufweisen, die eine intensive Induktions-Chemotherapie ausschließen [17]. Derzeit laufen konfirmatorische placebokontrollierte Phase-3-Studien zu Venetoclax in Kombination mit Azacitidin oder LDAC (NCT02993523 bzw. NCT03069352).
Die Kombination von Venetoclax plus HMA kommt bei der Behandlung der AML zunehmend zur Anwendung und wird von vielen mittlerweile als Standardtherapie für diese Patientenpopulation angesehen. Die Daten aus klinischen Studien [15, 16, 18] sowie von retrospektiven Fallserien einzelner Institutionen [19, 20] haben jedoch nicht zu einem allgemeinen Konsens hinsichtlich der Anwendung dieses Schemas in der täglichen klinischen Praxis geführt. Die Erfahrungen aus der Behandlung einer großen Zahl von Patienten haben gezeigt, dass dabei wichtige Abstufungen bestehen. Diese sind nicht notwendigerweise unmittelbar erkennbar oder auf andere Therapien beziehbar und wurden nicht veröffentlicht. In der vorliegenden Arbeit geben wir einen Überblick über unsere Standardvorgehensweise bei der Gabe von Venetoclax plus HMA, die auf der Evidenzlage und den bisherigen Erfahrungen basiert, um Ärzte, die diese Patienten behandeln, zu unterstützen.
Dringlichkeit der Behandlung
In der Regel wird die AML als medizinischer Notfall betrachtet, und es gibt Situationen, in denen dies zutrifft. Patienten mit sehr hohen Leukozytenzahlen, Patienten mit Endorganschäden oder klinisch instabile AML-Patienten müssen schnell behandelt werden. Wie wir jedoch festgestellt haben, handelt es sich bei diesen Szenarien um eine Ausnahme. Dies gilt insbesondere für ältere AML-Patienten, bei denen sich die Krankheit aus einer vorausgehenden hämatologischen Erkrankung entwickelt. Unserer Ansicht nach können die meisten dieser Patienten rasch, aber nicht als Notfall behandelt werden, so dass noch genügend Zeit bleibt, den bestmöglichen Behandlungsplan zu erstellen [21]. In der jüngeren Vergangenheit, in der eine intensive Induktions-Chemotherapie nach der Methode „one-size-fits-all“ der einzige praktikable Weg für die Behandlung dieser Krankheit war, waren Überlegungen zur Dringlichkeit der Therapie im Wesentlichen akademischer Natur. Im Post-Venetoclax-Therapiezeitalter, in dem dieser Wirkstoff für die orale Verordnung zur Verfügung steht, ist es jedoch wichtig, sich erneut mit dieser Frage zu befassen. Unsere Praxis ist es, nicht-proliferative, stabile ambulante Patienten zu identifizieren und dann schnell mit der Beschaffung von Venetoclax zu beginnen. Wir überwachen die Patienten im ambulanten Setting engmaschig zwei- bis dreimal pro Woche mit Blutbilduntersuchungen und Transfusionen entsprechend dem klinischen Bedarf oder gemäß den Schwellenwerten unserer Einrichtung. Die meisten Patienten erhalten innerhalb von 14 Tagen nach der Verschreibung die für den ersten Monat erforderliche Menge ausgehändigt, so dass ein Zeitplan für die stationäre Aufnahme zur Venetoclax-Dosiseskalation und Überwachung und Prophylaxe des Tumorlysesyndroms (TLS) erstellt werden kann (siehe «Überwachung auf das Tumorlysesyndrom» für Informationen zu unserem Ansatz bei der Dosis-Eskalation und beim TLS-Management). AML-Behandler wissen, dass es daneben jedoch auch Situationen gibt, die einen dringenden Behandlungsbeginn erfordern, wie bei proliferativen Patienten oder Patienten in extremis. In der klinischen Studie zur Dosiseskalation/-expansion der HMA-Backbone (Hintergrund)-Therapie waren Patienten mit einer Leukozytenzahl von >25×103/mm3 ausgeschlossen; die Gabe von Hydroxyurea oder eine Leukapherese waren jedoch zulässig, um Patienten aufzunehmen, bei denen eine Zytoreduktion möglich war. In der Vergangenheit haben niedrig-intensive Therapien wie HMAs als Monotherapie bei Patienten mit proliferativer Erkrankung schlecht gewirkt [22]. Ein Vergleich der Behandlungsergebnisse von Patienten, die nach einer notwendigen Zytoreduktion in die klinische Studie zu Venetoclax plus HMA aufgenommen wurden, und Patienten, bei denen keine Zytoreduktion erfolgte, wurde nicht durchgeführt und die Analyse wäre wahrscheinlich durch den Selektionsbias verzerrt. Wir haben allerdings festgestellt, dass Patienten mit Proliferation erfolgreich mit Venetoclax plus HMA behandelt werden können, wenn zuvor die Leukozytenzahl mit Hydroxyurea und/oder Leukapherese gesenkt wurde (unser grobes Ziel ist eine Annäherung an die klinische Studie und die Einleitung der Therapie nach Erreichen einer Leukozytenzahl von <25×103/mm3) und eine engmaschige klinische Überwachung erfolgt. Der Erfolg dieser Strategie sollte im Rahmen einer prospektiven oder retrospektiven Studie untersucht werden, um weitere Orientierung zu erhalten. Wir empfehlen, bei Patienten mit Proliferation, die Behandlung schnell und unter stationären Bedingungen in einer Einrichtung einzuleiten, wo Venetoclax in der Apotheke auf Lager und ohne vorherige Genehmigung erhältlich ist. Gleich zu Beginn der stationären Behandlung sollten die entsprechenden Anträge gestellt werden, damit die Patienten die Verordnung ambulant erhalten und die Therapie nach der Entlassung aus dem Krankenhaus ohne Unterbrechung fortsetzen können.
Überwachung auf das Tumorlysesyndrom
Das Tumorlysesyndrom ist eine Komplikation, die im Rahmen einer wirksamen Behandlung auftritt. Sie wird durch die Freisetzung des Zellinhalts von Leukämiezellen verursacht, wodurch es zu Elektrolyt- und Stoffwechselstörungen kommt, die katastrophale klinische Folgen haben können [23]. Das TLS wird als Labor-TLS oder als klinisches TLS klassifiziert, wobei das klinische TLS mit akuter Nierenschädigung, Herzrhythmusstörungen, Krampfanfällen oder Tod verbunden ist [23, 24]. Das TLS tritt bei AML relativ selten im Zusammenhang mit einer Induktions-Chemotherapie auf (12% Labor-TLS und 5% klinisches TLS) [25]. Aufgrund der Erfahrungen mit tödlichen TLS-Ereignissen in der Venetoclax-Studie bei Patienten mit chronischer lymphatischer Leukämie (CLL) [26] wurden besondere Maßnahmen, einschließlich einer stationären Aufnahme und verpflichtende nephrologische Untersuchungen, vorgeschrieben, um diesen Therapieausgang bei AML-Patienten zu abzumildern. Unter diesen Vorsichtsmaßnahmen gab es in den Studien zu Venetoclax plus HMA keine Berichte über TLS [15, 18], und in der Studie zu Venetoclax plus LDAC hatten zwei Probanden (2,4%) ein Labor-TLS [16]. Möglicherweise war dies auf die aggressiven Abmilderungsmethoden zurückzuführen, oder das TLS wurde nur selten beobachtet, weil es bei AML unter Venetoclax selten auftritt. In Anbetracht der Datenlage, die einen neuartigen Mechanismus für diese Therapie bei AML stützt [27], würde es nicht überraschen, wenn das Toxizitätsprofil bei dieser Erkrankung im Vergleich zu dem bei CLL unterschiedlich ausfallen würde. Unabhängig davon rechtfertigt die Schwere dieser Toxizität, auch wenn sie selten ist, nach unserer Auffassung die relativ milde Empfehlung, Patienten, bei denen diese Therapie eingeleitet wird, stationär aufzunehmen und zu überwachen (Abb. 1). Möglicherweise werden wir in Zukunft lernen, die TLS-Überwachung bei diesen Patienten risikostratifiziert durchzuführen, wie dies für Venetoclax bei CLL geschieht, und nur die Patienten aggressiv zu überwachen, bei denen diese Komplikation am wahrscheinlichsten ist. Derzeit empfehlen wir jedoch, Patienten, bei denen eine Behandlung mit Venetoclax plus HMA begonnen wird, zur TLS-Prophylaxe und -Überwachung während der Dosiseskalation von Venetoclax stationär aufzunehmen.
Behandlungsschema mit Venetoclax plus ein hypomethylierender Wirkstoff für Zyklus 1 (linkes Grafikfeld) und anschließende Zyklen (rechtes Grafikfeld). Die wichtigsten Punkte für die Behandlung sind unter dem jeweiligen Grafikfeld zusammengefasst. TLS: Tumorlysesyndrom; HMA: hypomethylating agent (hypometyhlierender Wirkstoff)
Behandlungsschema mit Venetoclax plus ein hypomethylierender Wirkstoff für Zyklus 1 (linkes Grafikfeld) und anschließende Zyklen (rechtes Grafikfeld). Die wichtigsten Punkte für die Behandlung sind unter dem jeweiligen Grafikfeld zusammengefasst. TLS: Tumorlysesyndrom; HMA: hypomethylating agent (hypometyhlierender Wirkstoff)
Unser Ansatz für die TLS-Überwachung beinhaltet insbesondere ein (gegenüber der CLL) schnelles Protokoll zur Intrapatienten-Dosiseskalation, bei dem Venetoclax wie folgt verabreicht wird: 100mg an Tag 1, 200mg an Tag 2 und 400mg an Tag 3, eine Dosis, die anschließend täglich über 28-Tage-Zyklen weitergeführt wird. Die TLS-Überwachung während der Dosiseskalation umfasst die Durchführung eines kompletten Stoffwechselpanels, einschließlich Kalium, Kreatinin, Kalzium, Phosphat, Harnsäure und Laktatdehydrogenase, alle 8 Stunden und danach alle 24 Stunden nach Dosiseskalation, solange der Patient im Krankenhaus ist. Zweiundsiebzig (72) Stunden vor Behandlungsbeginn mit der ersten Dosis von Venetoclax erhält der Patient Allopurinol sowie intravenöse Flüssigkeit. Elektrolytstörungen oder eine Hyperurikämie werden durch aggressive Maßnahmen korrigiert. Die Entlassung erfolgt frühestens 24 Stunden nach Erreichen der Venetoclax-Zieldosis von 400mg (Tag 4), sofern keine Komplikationen vorliegen. Anschließend wird die Therapie ambulant fortgesetzt. Bis Tag 7 wird täglich ein vollständiges Stoffwechselpanel durchgeführt und danach entsprechend der klinischen Indikation.
Der optimale Zeitpunkt zur Bewertung des Ansprechens
Bei nicht vorbehandelten AML-Patienten ist ein schnelles Ansprechen zu erwarten, und dies ist eine der Stärken Venetoclax-basierter Therapien. Die mediane Zeit bis zum ersten Ansprechen und bis zum besten Ansprechen betrug 1,2 Monate bzw. 2,1 Monate bei Patienten, die mit einer Kombinationstherapie von Venetoclax plus HMA behandelt worden waren [15], und im Vergleich zur Anwendung von Azacitidin oder Decitabin als Monotherapie (3,2 bzw. 4,3 Monate) fällt dieses Ergebnis günstig aus [5, 28]. Das Ansprechen wird von uns immer nach dem ersten Therapiezyklus (um Tag 28 des 1. Zyklus) beurteilt (Abb. 1). Wegen des erwarteten raschen Ansprechens fangen wir an, uns Sorgen zu machen, wenn nach dem ersten Zyklus keine morphologische Remission nachweisbar ist. Unter diesen Umständen würden wir, sofern eine Fortsetzung der Therapie mit dem Venetoclax-basierten Schema in Betracht kommt (d.h. sofern eine signifikante Blastenreduktion gegenüber dem Ausgangswert erreicht wurde), nach dem zweiten Zyklus eine Knochenmark-Biopsie vornehmen. Findet sich nach dem 2. Zyklus keine morphologische Remission, hätten wir wenig Hoffnung, dass eine Fortführung der Therapie wirksam wäre, und würden in der Regel andere Therapieoptionen empfehlen (eine Vorgehensweise, die sich deutlich von der typischen Vorgehensweise bei Non-Respondern nach zwei Zyklen einer HMA-Monotherapie unterscheidet). Bei positivem Ansprechen nach dem ersten oder zweiten Zyklus führen wir nach dem 4. Zyklus routinemäßig eine Knochenmarkbiopsie durch und danach alle 6 Monate, wenn kein klinischer Verdacht auf einen Rezidiv besteht (Abb. 1).
Behandlung Venetoclax-assoziierter Zytopenien
Von allen Aspekten im Zusammenhang mit der Verabreichung von Venetoclax ist die Sorge in Bezug auf die damit assoziierten Zytopenien und die beste Vorgehensweise zu deren Behandlung unserer Meinung nach die häufigste.
Eine wichtige Überlegung in Hinblick auf Zytopenien ist vor allem die Frage, ob diese klinisch relevant sind. Patienten mit Zytopenien, die Symptome zeigen, eine Transfusionsunterstützung benötigen oder Infektkomplikationen haben, sollten anders behandelt werden als Patienten mit Zytopenien, die keine eindeutigen klinischen Folgen zeigen. Anekdotisch gibt es viele Patienten, die Venetoclax-basierte Schemata erhalten und zwar zytopenisch sind, aber eine sehr gute Lebensqualität haben und sich in Langzeitremission ohne klinische Folgeerscheinungen infolge ihrer niedrigen Blutzellzahlen befinden. Einige dieser Patienten, oftmals solche, bei denen sich die Krankheit aus einem vorausgegangenen myelodysplastischen Syndrom (MDS) entwickelt hat, zeigen sogar Zeichen einer Reversion zum vorherigen niedriggradigen MDS-Status mit den zu erwartenden begleitenden Zytopenien. Beim Vergleich der unerwünschten Ereignisse bei Patienten, die Venetoclax 400 mg plus Azacitidin erhielten, und Patienten einer Phase-3-Studie, die mit Azacitidin als Monotherapie behandelt wurden [6], scheint es durch die Zugabe von Venetoclax zu einem höheren Grad an Myelosuppression zu kommen, allerdings ist nicht klar, ob dies mit verschlechterten klinischen Folgen verbunden ist (Table 1). Der Versuch, die Ergebnisse von zwei nicht mit einander in Beziehung stehenden klinischen Studien zu vergleichen, wird durch zahlreiche offensichtliche Limitationen eingeschränkt und letztendlich werden die derzeit laufenden randomisierten Phase-3-Studien (NCT02993523 und NCT03069352) dazu beitragen, die zusätzliche Toxizität von Venetoclax im Vergleich zu Azacitidin und LDAC zu klären. Sollten sich die unerwünschten Ereignisse durch Zytopenien - und nicht nur die Zytopenien selbst - in den beiden Armen nicht signifikant unterscheiden, könnte dies ein überzeugendes Argument dafür sein, dass Ärzte niedrige Blutwerte tolerieren sollten, insbesondere wenn keine eindeutigen klinischen Folgeerscheinungen vorliegen.
Vergleich der häufigsten unter der Behandlung auftretenden unerwünschten Ereignisse Grad 3 bis 4 aus zwei separaten Studien mit Patienten mit neu diagnostizierter akuter myeloischer Leukämie, die Venetoclax plus Azacitidin erhielten im Vergleich zu Azacitidin als Monotherapie

Wir haben festgestellt, dass Zytopenien bei den meisten Patienten erfolgreich behandelt werden können. In erster Linie empfehlen wir, das Schema bis zur Bewertung des Ansprechens mit einer aggressiven unterstützenden Behandlung fortzusetzen und wir raten davon ab, eine der beiden Therapien zu unterbrechen oder ihre Dosis zu verringern (Abb. 1). Diejenigen, die regelmäßig AML-Patienten behandeln, kennen das Prinzip, dass bei der Initialtherapie dieser Ansatz vorgeschrieben ist, und zwar unabhängig davon, ob sie intensiv oder weniger intensiv ist. Dies sollte umso mehr für Venetoclax-basierte Therapieschemata mit ihren hohen Ansprechraten, schnellen Remissionen und niedrigen vorzeitigen Mortalitätsraten (3%) gelten, was sich in einem niedrigeren Risiko-Nutzen-Verhältnis als bei den herkömmlichen Therapien widerspiegelt [15].
Wie erwähnt, empfehlen wir eine Bewertung des Ansprechens durch Knochenmarkbiopsie nach dem ersten Zyklus (etwa an Tag 28). Eine Pause vor dem nächsten Zyklus ist gerechtfertigt, wenn zumindest eine morphologische Remission nachweisbar ist, ohne dass sich die Zellzahlen erholt haben. Routinemäßig lassen wir in diesem Setting eine bis zu 14-tägige Pause von beiden Therapien zwischen den Zyklen zu, und haben festgestellt, dass die unterstützende Gabe von Wachstumsfaktoren in vielen Fällen eine Neutropenie schnell korrigieren kann (Abb. 1). Insbesondere erhalten die Patienten alle zwei bis drei Tage eine Dosis des Granulozyten-Kolonie-stimulierenden Faktors (granulocyte-colony stimulating factor, G-CSF) mit dem Ziel, eine absolute Neutrophilenzahl von mehr als 1×103/mm3 während dieser 14-tägigen Therapiepause zu erreichen. Sofern morphologische Hinweise auf eine Resterkrankung vorliegen, verabreichen wir keinen G-CSF, und wir geben ihn nie in der Mitte des initialen Behandlungszyklus (Tag 1-28) oder weniger als 7 Tage vor einer geplanten Knochenmarkbiopsie.
Was die formale Bewertung des Ansprechens betrifft, glauben wir, dass es angemessen ist, von einem «höhergradigen» Ansprechen von einem morphologisch leukämiefreien Zustand (morphologic leukemia free state, MLFS) zu einer CR/CRi oder von einer CRi auf eine CR zu sprechen, wenn diese innerhalb von 14 Tagen nach der Knochenmarkbiopsie aufgetreten ist und der Patient keine intervenierende krankheitsmodifizierende Therapie erhalten hat [29]. Manche Patienten haben keine signifikanten Zytopenien und erreichen nach dem ersten Zyklus eine komplette CR/CRi. Auch in diesen Situationen verschieben wir routinemäßig den nächsten Zyklus, insbesondere weil es einige Zeit dauern kann, bis die Ergebnisse der Knochenmarksbiopsie vorliegen und die Patienten in der Regel ein behandlungsfreies Intervall schätzen. In Fällen, in denen es zu einer Blastenreduktion gekommen ist, aber eine offensichtliche Resterkrankung besteht, und in denen eine weitere Therapie als möglicherweise vorteilhaft angesehen wird, plädieren wir dafür, den nachfolgenden Therapiezyklus unverzüglich zu beginnen und die Unterstützung durch Wachstumsfaktoren zurückzuhalten. In diesen Fällen sollte nach dem zweiten Zyklus eine Knochenmarkbiopsie durchgeführt werden, um das Ansprechen richtig zu beurteilen. Bei Patienten mit Ansprechen nach dem ersten oder zweiten Zyklus wiederholen wir die Knochenmarkbiopsie nach dem vierten Zyklus, um die Krankheit zu beurteilen und wiederholen die Beurteilung des Ansprechens alle sechs Zyklen oder entsprechend der klinischen Indikation (Abb. 1).
Bei Patienten mit Zytopenien empfiehlt es sich, weiterhin Pausen zwischen den Zyklen einzuplanen (Abb. 1). Manchmal erholen sich die Zellzahlen vollständig und in diesen Fällen sind Pausen zwischen den Zyklen optional und können entsprechend den Patientenpräferenzen festgelegt werden. Wenn die Zytopenie weiterhin besteht oder sich verschlimmert, sollten verpflichtende Pausen, wie oben beschrieben, mit oder ohne Wachstumsfaktorunterstützung eingehalten werden. Auch Dosisreduktionen können bei Patienten mit Zytopenien von Nutzen sein. Venetoclax kann mit jedem Behandlungszyklus auf 21 Tage reduziert werden, allerdings liegen keine Daten darüber vor, welche Auswirkungen dies auf die Wirksamkeit des Schemas hat. Anekdotisch haben wir verschiedene Patienten in Langzeitremission, die diese verkürzten Schemata erhalten. Eine Verringerung der eigentlichen Venetoclax-Dosis empfehlen wir nicht (es sei denn, dies ist aufgrund von Arzneimittelinteraktionen erforderlich). Stattdessen verkürzen wir die Behandlungsdauer mit Venetoclax mit jedem Zyklus. Allerdings liegen keine Belege vor, die diese von uns bevorzugte Vorgehensweise stützen. Die Bedeutung der antimikrobiellen Prophylaxe und der Dosisreduzierung von Venetoclax im Falle von Arzneimittelinteraktionen wird an anderer Stelle in diesem Artikel näher erläutert (siehe «Antimikrobielle Prophylaxe und Behandlung»). Außerdem kann die Dosis von Azacitidin oder Decitabin reduziert werden. Dabei folgen wir in der Regel den Anweisungen in der Packungsbeilage für Azacitidin-Dosisänderungen und den Praxisleitlinien der Einrichtung, die auf der Literatur basieren, um die Dosis von Decitabin anzupassen [30]. Unter diesen Strategien waren Verbesserungen bei den Zytopenien zu beobachten.
Bei einigen Patienten in Remission mit Zytopenien wurde die HMA-Therapie abgesetzt, allerdings ist nicht klar, wie sich dies möglicherweise auf die Ansprechdauer auswirkt. In einem früheren Datensatz von 33 Patienten, die mit Azacitidin und Venetoclax behandelt wurden, wurde bei 19 Patienten die Behandlung mit Azacitidin aufgrund einer Zytopenie endgültig abgesetzt (bei vier Patienten wurden sämtliche Therapien abgesetzt) [27]. Von diesen Patienten hatten zehn kein Rezidiv (bei einer medianen Follow-up-Dauer von 865 Tagen) und neun hatten ein Rezidiv mit einer medianen Remissionsdauer von 232 Tagen (168-930) (unveröffentlichte Daten). Es sind eindeutig weitere Informationen darüber erforderlich, ob dies eine wirksame Strategie sein kann. Derzeit läuft eine klinische Studie zu der Frage, ob Entscheidungen zur Dauer der Azacitidin-Behandlung durch Untersuchungen auf eine messbare Resterkrankung (measurable residual disease, MRD) untermauert werden können (NCT03466294). Und schließlich hatten wir einige Patienten, die, nachdem es bei ihnen nach Absetzen von Azacitidin zu einem Rezidiv gekommen war, erneut auf Azacitidin ansprachen, wenn es wieder zur Therapie hinzugefügt wurde. Dieses Ansprechen war jedoch nicht dauerhaft. Insgesamt und auf Grund der derzeitigen Datenlage empfehlen wir, die Kombinationstherapie mit Venetoclax und HMA auf unbestimmte Zeit fortzuführen und dabei Strategien zur Dosisreduktion und/oder -verzögerung einzubeziehen, um das Risiko unerwünschter Ereignisse zu mindern.
Antimykotische Prophylaxe und Therapie
Eine Neutropenie tritt bei Patienten mit AML häufig auf und führt zu Infektkomplikationen wie fieberhafter Neutropenie, Sepsis und bakteriellen, viralen und Pilzinfektionen. Aus diesem Grund erfolgt häufig eine antimikrobielle Prophylaxe mit einer antibakteriellen, antiviralen und antifungalen Therapie [31, 32]. Ein Großteil der Daten, die dies stützen, stammt aus zwei großen randomisierten Studien mit Patienten, die unter Levofloxazin gegenüber Placebo und unter Posaconazol im Vergleich zu anderen antifungalen Therapien geringere Raten an Infektionen und damit verbundenen Komplikationen zeigten [33, 34]. Die antimikrobielle Prophylaxe ist jedoch nach wie vor umstritten und wird nicht allgemein eingesetzt [35].
Aufgrund von Arzneimittelinteraktionen mit «Azol»-Antimykotika, die moderate bis starke CYP3A4-Inhibitoren sind, und Venetoclax waren diese Therapien für die meisten Patienten, die an den klinischen Studien zu Venetoclax plus HMA teilnahmen, nicht gestattet [15, 18]. Eine kleine Teilstudie zur Arzneimittelinteraktion innerhalb der Studie lieferte Orientierung für eine empfohlene Dosisreduktion von Venetoclax bei gleichzeitiger Anwendung von Azolen [36]. Bedauerlicherweise wurden, abgesehen von einer vergleichbaren beobachteten Ansprechrate in dieser kleinen Patientenuntergruppe, keine Daten darüber berichtet, ob andere Ergebnisse dieser Patienten den Ergebnissen der Patienten entsprachen, bei denen keine Dosisreduktion erfolgt war [18]; dies gibt theoretisch Anlass für Bedenken, dass Dosisreduktionen die Wirksamkeit beeinträchtigen könnten.
In einer retrospektiven Analyse von Patienten mit AML und MDS, die mit HMAs ohne Antimykotika-Prophylaxe behandelt wurden, betrug die Rate invasiver Pilzinfektionen 4,1% [37]. Bei Patienten, die Venetoclax in Kombination mit HMA ohne Azolprophylaxe erhielten, lag die Rate von Pilzinfektionen Grad 3/4 bei 8%; 46% der Patienten erhielten jedoch eine Prophylaxe mit «Nicht-Azol»-Antimykotika (z.B. Echinocandin) [15].
Zurzeit befinden wir uns in einer Übergangsphase, in der wir zwar Zugang zu Venetoclax haben, aber die Auswirkungen von Dosisreduktionen nicht vollständig verstehen. Dies macht es schwierig, in Bezug auf die Antimykotika-Prophylaxe vertrauensvoll einer bestimmten Strategie zu folgen. Wir sind der Ansicht, dass eine Antimykotika-Prophylaxe bei der Behandlung mit Venetoclax plus HMAs nicht unbedingt verpflichtend sein muss, da zum einen die Antimykotika-Prophylaxe für AML-Patienten, die sich in Behandlung befinden, nicht universell empfohlen wird und zum anderen die klinische Wirksamkeit reduzierter Dosen von Venetoclax bei gleichzeitiger Gabe von Azolen ungewiss ist. Uns ist jedoch bewusst, dass dies der üblichen Praxis vieler Ärzte widerspricht, die durch patienten-, umwelt- und institutionell bedingte Faktoren beeinflusst wird, und es kann sein, dass die in der Studie zu Venetoclax plus HMA beobachtete relativ niedrige Rate von Pilzinfektionen auf die Anwendung von Echinocandin zurückzuführen ist. Aus diesem Grund können wir nicht von der routinemäßigen Anwendung der Antimykotika-Prophylaxe abraten, auch wenn nicht bekannt ist, welches das optimale Antimykotikum ist. Möglicherweise ist eine Antimykotika-Prophylaxe ohne Reduzierung der Venetoclax-Dosis möglich, wenn Echinocandine verwendet werden; diese haben im Prophylaxe-Setting eine Aktivität gegen Aspergillus gezeigt und können intermittierend gegeben werden [38-42]. Wenn jedoch eine Prophylaxe mit Azol-Antimykotika erfolgt, empfehlen wir, während der Dosis-Eskalationsphase des ersten Zyklus darauf zu verzichten und sie - mit entsprechender Verringerung der Venetoclax-Dosis - erst zu verabreichen, nachdem die Zieldosis erreicht wurde, um die TLS-Risiken nicht zu verändern. Zudem wissen wir, dass sich die institutionellen und persönlichen Praktiken in Bezug auf die antivirale und antibakterielle Prophylaxe unterscheiden und dass die Evidenzlage aus der klinischen Studie zu Venetoclax plus HMA nicht ausreicht, um dies zu fordern [43]. Anders als bei den Azolen ist bei den am häufigsten verwendeten antiviralen und antibakteriellen prophylaktischen Wirkstoffen keine Anpassung der Venetoclax-Dosis erforderlich. Außerdem liegen keine Daten vor, die als Orientierung für die Dauer der antimikrobiellen Prophylaxe bei Patienten, die Venetoclax plus HMA erhalten, dienen können. Allgemein setzen wir in unserer klinischen Praxis die antimikrobielle Prophylaxe bei Respondern mit weniger häufigen und kürzeren schweren Neutropenien ab (Abb. 1).
Die antimykotische Therapie unterscheidet sich von der Prophylaxe, und wenn AML-Patienten, insbesondere solche mit Neutropenie, eine bestätigte oder vermutete Pilzinfektion haben, ist eine aggressive Therapie nicht optional. Echinocandine sind eine mögliche wirksame antimykotische Therapie und erfordern, wie erwähnt, keine Senkung der Venetoclax-Dosis. Ihre Wirksamkeit ist jedoch unter Umständen nicht ausreichend und die Verabreichungsart sowie die Kosten können eine Einschränkung darstellen. Daher zögern wir nicht, in einem entsprechenden Setting Azol-Antimykotika einzusetzen. Werden starke CYP3A4-Hemmern gegeben, sollte die Venetoclax-Dosis den Empfehlungen zufolge bei Verwendung von Posaconazol von 400mg auf 70mg und bei anderen starken Hemmstoffen (z.B. Voriconazol) auf 100mg reduziert werden. In der Regel nehmen wir bei allen starken Hemmstoffen eine Dosisreduktion auf 10mg vor, da die Beschaffung von 70mg-Venetoclax-Tabletten für AML-Patienten schwierig ist. Angesichts des Sicherheitsprofils, das in Phase-1-Studien bis zu einer Venetoclax-Dosis von 1200mg Venetoclax nachgewiesen wurde, haben wir wenig Bedenken hinsichtlich effektiver Venetoclax-Dosen von mehr als 400mg [18]. Beim moderaten CYP3A4-Inhibitor Isavuconazol senken wir die Venetoclax-Dosis auf 200mg und setzen ihn daher, sofern erhältlich, auch im prophylaktischen Setting, bevorzugt ein. Um in diesem Punkt mehr Klarheit zu erhalten, sind zusätzliche Studien erforderlich, die die Anwendung und Wirksamkeit spezifischer antimikrobieller prophylaktischer Wirkstoffe bei Patienten, die Venetoclax plus HMA erhalten, untersuchen.
Einbeziehung genomisch definierter zielgerichteter Therapien im Zeitalter von Venetoclax
Auf dem Gebiet der AML sind wir in der glücklichen Lage, Patienten in einer Zeit zu versorgen, in der das molekulare Verständnis dieser Krankheit wohl größer ist als bei allen anderen menschlichen Malignomen. Das umfassende Verständnis des genomischen Aufbaus der Erkrankung bei den einzelnen Patienten hat folgerichtig zu genomisch definierten zielgerichteten Therapien geführt, die von der FDA zugelassen und zugänglich sind. Dies gilt für die Isocitratdehydrogenase (IDH) und die Fms-ähnliche Tyrosinkinase 3 (FLT3), häufige AML-Mutationen, für die es vier von der FDA zugelassene Arzneimittel für drei unterschiedliche Patientenpopulationen gibt. Patienten, denen wir Venetoclax-basierte Therapien verordnen, weisen zwangsläufig diese Mutationen auf, und wir müssen entscheiden, ob wir Venetoclax-basierte Therapien, genomisch zielgerichtete Therapien oder eventuell eine Kombination beider Strategien einsetzen.
Der IDH1-Inhibitor Ivosidenib ist praktisch die einzige andere zielgerichtete Therapie, die von der FDA zur Behandlung von unbehandelten, neu diagnostizierten AML-Patienten, die als ungeeignet für eine intensive Chemotherapie eingestuft werden, zugelassen ist [44]. Für Enasidenib als Einzelwirkstoff gibt es keine dem zugelassenen Anwendungsgebiet entsprechende Indikation im Rahmen der Up-front-Therapie. Wir integrieren IDH1 in unsere Next Generation Sequencing (NGS)-Panels, allerdings dauert es zwei bis drei Wochen, bis die Ergebnisse vorliegen. Es gibt Plattformen, die diese Informationen schneller und in einem klinisch besser umsetzbaren Zeitrahmen liefern, doch lehnen wir es ab, diese einzusetzen, da die entsprechenden Informationen unserer Ansicht nach nicht vorliegen müssen, bevor eine Behandlung von Patienten mit neu diagnostizierter AML mit Venetoclax-basierten Therapien erfolgt. Venetoclax ist in Kombination mit HMA bei allen molekularen Subtypen der AML mit hohen Ansprechraten verbunden [15, 18]. Patienten mit IDH1/2-Mutation zeigten in allen klinischen Studien zu Venetoclax bei AML besonders hohe Ansprechraten [13, 15, 18]. Bei 25 Patienten mit einer IDH1/2-Mutation, die Venetoclax 400mg und einen HMA erhielten, betrug die CR/CRi-Rate 92% bei nicht erreichter Gesamtüberlebensdauer [14]. Zwar sind die Zahlen klein und es bestehen klare Einschränkungen bei dem Versuch, unabhängige klinische Studien zu vergleichen, doch hatten 33 neu diagnostizierte AML-Patienten mit IDH1-Mutation, die mit Ivosidenib behandelt wurden, eine CR/CRi-Rate von 42% mit partieller Erholung der peripheren Zellzahlen im Blut (CRh) und einem medianen Gesamtüberleben von 12,6 Monaten [45]. Ebenso hatten 39 neu diagnostizierte AML-Patienten mit IDH2-Mutation, die Enasidenib als Monotherapie erhielten, eine CR/CRi-Rate von 21% und das mediane OS lag bei 11,3 Monaten [46]. Gleiches gilt für Patienten mit FLT3-Mutation, und bei Analyse der sehr geringen Zahl von neu diagnostizierten Patienten mit FLT3-Mutation, die mit Azacitidin und dem FLT3-Inhibitor Sorafenib behandelt wurden, betrug die Ansprechrate 50% (3/6) [47], gegenüber 64% (9/14) bei Patienten, die Venetoclax und einen hypomethylierenden Wirkstoff (HMA) erhalten hatten [14]. Diese Vergleiche sind in Table 2 zusammengefasst. Ein weiterer Vorteil der Anwendung von Venetoclax in der Up-front-Behandlung ist daher, dass sie offenkundig ein gewisses Vertrauen in optimale Ergebnisse unabhängig von den Mutationsprofilen gestattet, und so die Möglichkeit einer gegen FLT3 oder IDH gerichteten Therapie bei einem Rezidiv wahrt. Derzeit laufen Studien, in denen andere zielgerichtete Therapien mit Venetoclax-basierten Behandlungen im Upfront-Setting kombiniert werden (z. B. NCT03471260). Wir empfehlen diese Ansätze nicht außerhalb einer klinischen Studie anzuwenden und sind auf die Ergebnisse gespannt.
Zu erwartende Ergebnisse bei vorbehandelten AML-Patienten
Im Gegensatz zu den hohen Ansprechraten und der ermutigenden Dauerhaftigkeit der Remissionen und Gesamtüberlebensdauer im Front-Line-Setting unter Venetoclax-basierten Kombinationstherapien ist die Wirksamkeit der Venetoclax-Monotherapie und Kombinationstherapien im Setting der rezidivierten oder refraktären (r/r) AML bescheidener. Bei Anwendung als Monotherapie zeigte Venetoclax eine CR/CRi-Rate von 19% in einer Kohorte von überwiegend r/r-AML-Patienten [13]. Die Remissionen waren von kurzer Dauer mit einer medianen Zeitdauer bis zur Krankheitsprogression von 2,5 Monaten und einem medianen OS von 4,7 Monaten. Zudem liegen Daten zu Venetoclax-Kombinationstherapien im r/r-Setting aus retrospektiven Erfahrungen einzelner Einrichtungen vor. In einer dieser Studien wurden 43 r/r-Patienten, davon 84% im zweiten oder höheren Salvage-Setting, mit Venetoclax-Kombinationstherapien behandelt (Decitabin: N=23, Azazitidin: N=8) [19]. In dieser Population erreichten 12% eine CR/CRi und das mediane OS betrug drei Monate. In einer anderen Studie, in der 33 r/r-Patienten, die Venetoclax in Kombination mit einem HMA erhielten (Decitabin: N=31, Azacitidin: N=2), untersucht wurden [20], erreichten 51% eine CR/CRi, das 12-Monats-OS betrug 53% und 14% erhielten eine allogene Stammzelltransplantation.
Daher ist es bei Anwendung von Venetoclax oder Venetoclax-basierten Schemata im r/r-Setting erforderlich, die Erwartungen entsprechend anzupassen. Interessanterweise setzte das Ansprechen auch im r/r-Setting meist rasch innerhalb von 1 bis 2 Therapiezyklen ein [19, 20]. Zusätzliche Daten sind erforderlich, um die Ergebnisse von Patienten zu verstehen, die mit diesem Salvage-Ansatz behandelt werden und bei denen eine Transplantation durchgeführt wird, und um die Bedeutung neuartiger Venetoclax-Kombinationstherapien in der r/r-Patientenpopulation zu verstehen. Bis dahin ist bei der Beschaffung und Off-Label-Anwendung von Venetoclax bei r/r-Patienten Vorsicht geboten, und es muss berücksichtigt werden, dass die Dosis und der Zeitplan, das TLS-Management, die Toxizitäten sowie die Empfehlungen in Bezug auf die Beurteilung der Krankheit noch nicht klar sind. Die Aufnahme der Patienten in geeignete klinische Studien ist für dieses Gebiet von entscheidender Bedeutung.
In der Vergangenheit waren die Ergebnisse von Patienten mit AML und myelodysplasie-bedingten Veränderungen oder sekundärer AML schlecht [48-50]. Demgegenüber fanden sich in der klinischen Studie zu Venetoclax plus HMA hinsichtlich der Ansprechraten keine wesentlichen Unterschiede bei den Ergebnissen für die de-novo-AML im Vergleich zur sekundären AML [15]. Patienten mit MDS, die einen HMA erhalten und bei denen sich im weiteren Verlauf eine AML entwickelt, sind zwar in Bezug auf die AML therapienaiv, können aber wie r/r-Patienten reagieren, was das Ansprechen auf Venetoclax-basierte Therapieschemata betrifft. Die Studie zur Behandlung neu diagnostizierter AML-Patienten mit Venetoclax plus LDAC zeigte eine CR/CRi-Rate von 54% gegenüber etwa 70% bei Patienten, die Venetoclax mit einem HMA als Backbone (Hintergrund)-Therapie erhielten [15, 16]. Eine mögliche Erklärung für diesen Unterschied ist, dass in die LDAC-Studie Patienten aufgenommen wurden, die HMAs zur Behandlung eines MDS erhalten hatten, während in der HMA-Backbone-Studie diese Patienten ausgeschlossen wurden. In der LDAC-Studie waren 29% der Patienten zuvor HMA ausgesetzt, und ihre Ansprechrate lag bei nur 33%. Wird diese Untergruppe berücksichtigt, dann entspricht die Ansprechrate der tatsächlich therapienaiven LDAC-Patienten derjenigen der HMA-Backbone-Therapie-Patienten (62% CR/CRi) [16]. Nach den Ergebnissen einer kürzlich durchgeführten Analyse von Patienten, die Venetoclax als Off-Label-Anwendung erhielten, ist zudem eine vorherige HMA-Exposition ein signifikanter Prädiktor für ein schlechteres Ergebnis (Winters et al., Blood Advances, Veröffentlichung steht aus). In Fällen wie dem oben beschriebenen besteht immer noch eine ausreichende Wahrscheinlichkeit für ein Ansprechen, so dass Venetoclax hinzugefügt werden kann, wenn es zu einer Progression zur AML kommt. Die Erwartungen sollten in diesem Setting jedoch angemessen sein. Derzeit läuft eine Studie, in der das Ansprechen bei Hinzufügen von Venetoclax zu einem HMA bei MDS-Patienten, die auf diese Therapie nicht oder nicht länger ansprechen (die jedoch keine AML entwickeln), ermittelt wird (NCT02966782).
Bei neu diagnostizierten AML-Patienten ohne vorherige HMA-Exposition kann dies die behandelnden Ärzte zu verleiten, eine Therapie mit einem HMA zu beginnen und Venetoclax hinzuzufügen, wenn dessen Beschaffung möglich ist oder wenn die HMA-Therapie offensichtlich nicht wirkt. Wir raten dringend von diesem Vorgehen ab, da wir der Ansicht sind, dass, wenn man die oben beschriebenen Daten extrapoliert, diese Strategie das Ansprechen auf das Kombinationsschema untergraben könnte. Bis mehr dazu bekannt ist, sollte die Priorität darauf gelegt werden, den Therapiebeginn so lange sicher zu verschieben, bis beide Therapien gleichzeitig an Tag 1 verabreicht werden können (Abb. 1).
Optimale Backbone-Therapie mit Venetoclax
Venetoclax ist für die Anwendung in Kombination mit Azacitidin, Decitabin oder LDAC zugelassen. Wir bevorzugen die Anwendung von Azacitidin, da Daten vorliegen, die zeigen, dass Azacitidin in Kombination mit Venetoclax gezielt die Leukämie-Stammzellpopulation angreift [27]; bei Decitabin oder LDAC könnte dies der Fall sein, wurde jedoch bislang nicht nachgewiesen. Darüber hinaus ist Azacitidin die Backbone-Therapie der Wahl in der laufenden konfirmatorischen Phase 3-Studie (NCT02993523) und es wird in der oben beschriebenen derzeit laufenden Studie zum HMA-Versagen bei MDS (NCT02966782) eingesetzt. Es existiert jedoch kein eindeutiger Beleg für die Überlegenheit eines bestimmten Partners für die Kombination mit Venetoclax unter den drei zugelassenen Kombinationswirkstoffen. In einem Setting, in dem ein Patient zuvor einen HMA zur Behandlung eines MDS erhalten hat und bei dem sich im weiteren Verlauf eine AML entwickelt, wäre es nicht abwegig, die Backbone-Therapie zu ändern in der Hoffnung, dass die Einführung von zwei neuen Therapien die bestmögliche Chance auf ein Ansprechen bietet. Tatsächlich war dies, wie oben erwähnt, die Situation bei fast einem Drittel der Patienten, die an der LDAC-Backbone-Therapie-Studie teilnahmen, so dass die Anwendung dieser Kombination in diesem Setting wohl die am besten vorhersagbaren Ergebnisse ermöglichen würde. Angesichts der veröffentlichten Daten, die zeigen, dass Decitabin als Monotherapie bei Patienten mit komplexen Karyotypen und/oder TP53-Mutationen möglicherweise wirksamer ist [51], bevorzugen manche unter Umständen die Anwendung von Decitabin in diesen Situationen, und dies wäre ein vertretbarer Ansatz. Andere Entscheidungen, die die Wahl einer Backbone-Therapie betreffen, werden möglicherweise aufgrund von Faktoren wie Patientenpräferenz (z.B. 5-, 7- oder 10-tägige Chemotherapieschemata) oder logistischen Aspekte (z.B. Infusionszeiten am Wochenende, Möglichkeit zur Beschaffung und Verschreibung von LDAC) getroffen.
Schlussfolgerungen
Venetoclax plus HMA geht mit einer breiten Ansprechrate in allen AML-Untergruppen einher, ermöglicht ein tiefes und anhaltendes Ansprechen mit aussichtsreichem Gesamtüberleben und es ist ein gut verträgliches Therapieschema für ältere, neu diagnostizierte AML-Patienten. Zwar ist die Behandlung weniger komplex als viele Chemotherapieschemata mit mehreren Wirkstoffen, an deren Verwendung die Behandler von Blutkrebs gewöhnt sind, doch handelt es sich bei Venetoclax in Kombination mit HMA um eine neuartige Therapie, und die begrenzt vorliegenden Erfahrungen sowie Annahmen, die auf der Erfahrung mit HMA als Monotherapie beruhen, können die Wirksamkeit dieser Behandlung einschränken. Von diesem Schema gibt es zahlreiche wichtige Abstufungen, die von denen, die diese Patienten behandeln, besonders beachtet werden sollten. Auch mit zunehmender Erfahrung mit diesem Schema bleiben viele aktive Fragen offen. Wir sind gespannt auf einen ähnlichen Review, der in naher Zukunft erscheinen und beschreiben wird 1. bei welchen Patienten unter Umständen keine konservativen TLS-Abmilderungsstrategien erforderlich sind, 2. bei welchen Patienten, die auf die Behandlung ansprechen, eine oder möglicherweise beide Therapien abgesetzt werden können und 3. bei welchen Patienten ein schlechtes Ansprechen auf diese Therapie vorhersehbar ist und die deshalb mit einem anderen Schema behandelt werden sollten. Venetoclax plus HMA ist eine viel versprechende Behandlung für AML-Patienten, die unserer Ansicht nach in den kommenden Jahren zu einer tragenden Säule der Therapie für diese Krankheit werden wird.
Danksagung
D. A. P. dankt für die Unterstützung durch die Robert H. Allen MD, Stiftungsprofessur in Hematology Research und ist Stipendiat für Clinical Research der Leukemia and Lymphoma Society.
Finanzielle Unterstützung
B. A. J. erhält Unterstützung durch ein CTEP Administrative Supplement zur UM1 Förderung Nr. 186717-04. D. A. P. wird durch die Robert H. Allen MD Stiftungsprofessur in Hematology Research, das University of Colorado Department of Medicine Outstanding Early Career Scholars Programm und die Leukemia and Lymphoma Society's Scholar in Clinical Research Award unterstützt.
Autorenbeiträge
B. A. J. und D. A. P. entwickelten das Konzept und erstellten und bearbeiteten das Manuskript. Beide Autoren genehmigten die finale Version.
Interessenkonflikte
Dr. Jonas war als Berater tätig für AbbVie, Amgen, Celgene, GlycoMimetics, Jazz, Pharmacyclics und Tolero. Er erhielt Reisekostenunterstützung von AbbVie, Amgen und GlycoMimetics. Er erhielt Forschungsfördermittel für seine Einrichtung von AbbVie, Accelerated Medical Diagnostics, AROG, Celgene, Daiichi Sankyo, Esanex, Forma, Genentech/Roche, GlycoMimetics, Incyte, KaloBios, LP Therapeutics und Pharmacyclics. Dr. Pollyea erhielt Forschungsfördermittel von Abbvie und Pfizer. Er war als Berater tätig für Pfizer, Abbvie, Diachii Sankyo, Celgene, Agios, Janssen, 47 und Takeda.
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Open Access
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Literatur
Die Literatur ist als Supplemental Material unter www.karger.com/?DOI=508117 abrufbar