Zusammenfassung
Immuntherapien mit Immuncheckpoint-Inhibitoren haben sich als Standardoption der Erst- und Zweitlinientherapie bei Patienten mit nicht-kleinzelligem Bronchialkarzinom (NSCLC) etabliert. Adäquate prädiktive Faktoren, die eine präzise Qualifizierung von NSCLC-Patienten für eine solche Immuntherapie ermöglichen, sind jedoch bisher nicht definiert. Die Expression von PD-L1 auf Tumorzellen und die Tumormutationslast werden in prospektiven klinischen Studien zur Qualifizierung von Patienten für die Erstlinientherapie mit Pembrolizumab oder Atezolizumab plus Ipilimumab verwendet. Doch nicht alle Patienten, bei denen diese prädiktiven Faktoren vorliegen, profitieren auch tatsächlich von der Immuntherapie. Und es bestehen weiterhin erhebliche methodische Schwierigkeiten bei der Untersuchung dieser Faktoren und bei der Interpretation der Testergebnisse. Deshalb wird nach weiteren prädiktiven Faktoren gesucht. An der Charakterisierung des tumoralen Immunphänotyps und des intestinalen Mikrobioms von NSCLC-Patienten wird intensiv geforscht. Erste Beschreibungen von Korrelationen zwischen der Wirksamkeit einer Immuntherapie und der Intensität der Entzündungsreaktion im Tumor, der Artenvielfalt des Mikrobioms sowie dem Vorliegen bestimmter Bakterienarten im Darm liegen bereits vor. Das Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, ein Schlaglicht auf die verschiedenen Faktoren zu werfen, die die Wirksamkeit einer Immuntherapie mit Antikörpern gegen PD-L1 bei NSCLC-Patienten beeinflussen. Zusätzliche Marker wie zum Beispiel die Mutationslast des Tumors (TMB; tumor mutational burden) oder das Mikrobiomprofil werden benötigt, um präziser zu ermitteln, welche Patienten von einer Immuntherapie profitieren werden.
Einleitung
Durch den Erfolg der Immuntherapie mit Immuncheckpoint-Inhibitoren (ICI) hat sich das Spektrum der Therapieoptionen bei Patienten mit nicht-kleinzelligem Bronchialkarzinom (NSCLC) erheblich erweitert. Die Blockade von PD-1 (programmed cell death protein 1)) auf Lymphozyten oder von PD-L1 (Programmed Death-Ligand 1) auf Tumorzellen und infiltrierenden Immunzellen aktiviert Effektor-T-Zellen und ihre antitumorale Aktivität. Eine solche gegen den Tumor gerichtete Immunantwort auszulösen ist nachweislich bei einem Teil der NSCLC-Patienten eine wirksame Behandlung. Derzeit sind in der Europäischen Union und in den USA 4 Immuntherapeutika für die Behandlung von NSCLC-Patienten zugelassen. Nivolumab (monoklonaler Antikörper gegen PD-1) ist als Zweitlinientherapie bei lokal fortgeschrittenem oder metastasiertem NSCLC sowie als Erstlinientherapie in Kombination mit Ipilimumab bei metastasiertem NSCLC mit hoher Tumormutationslast (TMB) zugelassen. Pembrolizumab (ein weiterer monoklonaler Antikörper gegen PD-1) ist als Zweitlinientherapie für Patienten mit lokal fortgeschrittenem oder metastasiertem NSCLC mit PD-L1-Expression auf ≥1% der Tumorzellen sowie als Erstlinientherapie für Patienten mit metastasiertem NSCLC mit PD-L1-Expression auf ≥50% der Tumorzellen zugelassen. In Kombination mit einer Erstlinien-Chemotherapie ist Pembrolizumab außerdem bei Patienten mit fortgeschrittenem NSCLC unabhängig von der PD-L1-Expression auf den Tumorzellen zugelassen. Atezolizumab (der erste gegen PD-L1 gerichtete Antikörper) ist zur Erst- und Zweitlinientherapie des NSCLC zugelassen, unabhängig vom Grad der PD-L1-Expression auf den Tumorzellen. Patienten mit metastasierendem NSCLC profitieren potenziell von einer Erstlinien-Kombinationstherapie mit Atezolizumab, Bevacizumab und Chemotherapie, Patienten mit lokal fortgeschrittenem und metastasierendem NSCLC von einer Zweitlinien-Monotherapie mit Atezoliuzmab. Durvalumab (Antikörper gegen PD-L1) wirkt als Erhaltungstherapie bei Patienten mit NSCLC im Stadium IIIA, die PD-L1 auf ≥1% der Tumorzellen exprimieren und deren Krankheit nach einer wirksamen gleichzeitigen Radio- und Chemotherapie nicht fortgeschritten ist. Die Zulassung für Durvalumab in dieser Indikation wurde in der Europäischen Union und in den USA erteilt. Darüber hinaus wurde die Wirksamkeit von Durvalumab sowohl in Kombination mit Tremelimumab als auch in Monotherapie als dritte Therapielinie beim NSCLC untersucht (ARCTIC-Studie). Bei Patienten, deren Tumorzellen nicht oder nur in geringem Maße PD-L1 exprimierten, bewirkte die Kombination aus Durvalumab und Tremelimumab keine Verbesserungen beim progressionsfreien Überleben oder Gesamtüberleben im Vergleich zur Standard-Chemotherapie. Bei Patienten mit PD-L1-Expression auf ≥25% der Tumorzellen war unter Durvalumab-Monotherapie im Vergleich zu Chemotherapie eine klinisch bedeutsame Senkung des Sterberisikos zu verzeichnen. In der klinischen Studie JAVELIN Lung 200 wurde die Wirksamkeit und Sicherheit von Avelumab (einem neuen Antikörper gegen PD-L1) in der Zweitlinientherapie des NSCLC untersucht. Im Vergleich zu Docetaxel bewirkte Avelumab keine Verbesserung des Gesamtüberlebens bei den Patienten mit PD-L1-positivem NSCLC, die mit einer platinhaltigen Chemotherapie vorbehandelt waren [1-14]. Während Immuntherapien bei einigen NSCLC-Patienten wirksam sein und zu dauerhafter Remission führen können, können sie auch verschiedene immunvermittelte Nebenwirkungen hervorrufen, die auf eine übermäßige Stimulation des Immunsystems zurückgehen. Monoklonale Antikörper gegen PD-1 oder PD-L1 sind grundsätzlich weniger toxisch als eine Chemotherapie. Dennoch können sie leichte bis schwere Nebenwirkungen hervorrufen, die vor allem die endokrinen Organe und die Schleimhäute des Dickdarms und der Bronchien betreffen. Zu den schwerwiegenden Nebenwirkungen einer Immuntherapie zählen unter anderem immunvermittelte Kolitis, Hepatitis, interstitielle Pneumonie, Thyreoiditis und Hypophysitis. Das Auftreten von Toxizität macht je nach CDC-Schweregrad (Common Toxicity Criteria) entsprechende Maßnahmen erforderlich. Bei Toxizität vom Schweregrad 1 sollte die Immuntherapie unter engmaschiger Überwachung des Patienten fortgesetzt werden, mit Ausnahme bestimmter neurologischer, hämatologischer, pulmonaler und kardialer Nebenwirkungen. In den meisten Fällen von Grad-2-Toxizität kann die Immuntherapie ausgesetzt werden, und bei Abklingen der Symptome auf Grad 1 oder besser kann die Wiederaufnahme der Therapie in Betracht gezogen werden. Kortikosteroide können verabreicht werden. Wenn schwere Toxizität auftritt, ist die Absetzung der Immuntherapie indiziert. Nach Abklingen der Nebenwirkungen kann die Behandlung jedoch fortgesetzt werden. Bei Grad-3-Toxizität sind in der Regel die vorübergehende Absetzung der Immuntherapie und die Gabe hochdosierter Kortikosteroide für mindestens 4-6 Wochen angezeigt. Im Fall einer Grad 4 Toxizität wird im Allgemeinen die endgültige Absetzung der Immuntherapie empfohlen, außer wenn es sich um eine Endokrinopathie handelt, die durch Hormonsubstitution unter Kontrolle gebracht wurde. Eine schwere interstitielle Pneumonie und Hepatitis vom Schweregrad 3 bis 4 sind eine Indikation für die endgültige Absetzung der Immuntherapie. Bei weniger als 10% der Patienten geben schwerwiegende Nebenwirkungen Anlass zur endgültigen Absetzung der Immuntherapie [15]. Darüber hinaus kann eine Immuntherapie die Tumorprogression bei einem erheblichen Anteil der Patienten (zwischen 4% und 30%) sogar beschleunigen. Der Begriff der Hyperprogression ist noch nicht abschließend definiert. Die Feststellung einer Hyperprogression bei der ersten Bildgebung nach Beginn der Immuntherapie ist assoziiert mit höherem Lebensalter, höherer Metastasenlast, vorhergehender Strahlentherapie sowie Mutationen im EGFR-Gen. Die Hyperprogression ist nicht zu verwechseln mit der Pseudoprogression, die mit der vermehrten Infiltration des Tumors durch Immunzellen einhergeht [16]. Bei der immuntherapeutischen Behandlung von Krebspatienten sind noch viele Unbekannte zu lösen. Das gilt zum Beispiel für die Schwierigkeit, anhand von prädiktiven Faktoren geeignete Kandidaten für die Immuntherapie zu identifizieren. Die therapeutischen Anwendungsgebiete und prädiktiven Faktoren für Immuntherapien mit Antikörpern gegen PD-1 und PD-L1 bei NSCLC-Patienten sind sehr unterschiedlich. Die PD-L1-Expression auf den Tumorzellen und die TMB sind weder die einzigen noch perfekte Prädiktoren für eine Immuntherapie.
Die Theorie der Immun-Checkpoints
Beim Phänomen des Immunoediting lassen sich 3 Phasen unterscheiden: Elimination, Gleichgewicht und Escape. In der Eliminationsphase bewirkt die Immunüberwachung die erfolgreiche Vernichtung des Tumors; die Priming- und Effektor-Phase der Wirts-Immunreaktion funktionieren einwandfrei. In der Gleichgewichtsphase vernichtet das Immunsystem die entarteten Zellen nicht vollständig, hat die maligne Erkrankung aber unter Kontrolle und verhindert ihre Progression. In der Escape-Phase verliert das Immunsystem die Kontrolle über die maligne Erkrankung und erlaubt passiv die Vermehrung der Tumorzellen und das Tumorwachstum [17]. Eine ideale therapeutische Maßnahme würde also aus der Escape- in die Eliminationsphase führen. Behandlungsstrategien, die die Erreichung der Gleichgewichtsphase ermöglichen, sind zwar nicht kurativ, führen aber potenziell zur Verbesserung des Gesamtüberlebens (OS; overall survival), auch wenn die Krebszellen nicht vollständig eliminiert werden. Da NSCLC-Zellen nur mäßig immunogen sind, erscheint die Gleichgewichtsphase als vielversprechendes und realistisches Therapieziel für Immuncheckpoint-Inhibitoren. Die Aktivierung der T-Lymphozyten und die zelluläre Reaktion laufen über komplexe Wechselwirkungen zwischen antigenpräsentierenden Zellen (APC) und T-Lymphozyten ab. Damit eine Immunreaktion ausgelöst wird, reicht es nicht aus, dass Antigene des Haupthistokompatibilitätskomplexes (MHC; major histocompatibility complex) durch T-Zell-Rezeptoren (TCR) erkannt werden. Ein zweites Signal ist erforderlich, das von Proteinen der B7-Familie auf APC geliefert wird. CD28, das B7-1 (CD80) oder B7-2 (CD86) bindet, ist das wichtigste kostimulatorische Signal für die Aktivierung von T-Zellen. CTLA-4 (Cytotoxic T-Lymphocyte Antigen 4) ist ein CD28-Homolog, das ebenfalls mit B7-1 und B7-2 interagiert, allerdings erzeugt dies im Gegensatz zu CD28 ein inhibitorisches Signal. Darüber hinaus gibt es noch viele weitere Moleküle, die die Funktion der Lymphozyten über die immunologische Synapse anregen oder hemmen [18, 19]. Die Immuntherapie mit Immuncheckpoint-Inhibitoren stellt zweifelsohne einen Durchbruch in der Behandlung vieler Krebsarten dar. Die wichtigsten negativen Immun-Checkpoints sind Proteine auf der Zelloberfläche von T-Lymphozyten: das PD-1-Molekül, das die T-Zell-Aktivität in peripheren Geweben reguliert, und das CTLA-4-Molekül, das die Regulierung der Lymphozytenfunktion im Rahmen der Antigenpräsentation in den Lymphknoten übernimmt [18, 20, 21]. Die Erforschung genau dieser Moleküle und ihrer regulierenden Funktion im Rahmen des Immunsystems war es, die zu den großen Fortschritten in der Immuntherapie entscheidend beigetragen haben, und die Entdecker der beiden Moleküle - James Allison im Fall von CTLA-4 und Tasuku Honjo von PD-1 - sind hierfür 2018 mit dem Nobelpreis für Physiologie oder Medizin ausgezeichnet worden. Ipilimumab (ein monoklonaler Antikörper gegen CTLA-4) war mit seiner Zulassung zur Behandlung des metastasierten Melanoms der erste große Erfolg der Immuncheckpoint-Inhibitoren-Therapie [18, 20, 22]. PD-1 wird außer von T-Lymphozyten auch von NK-Zellen und nicht-stimulierten B-Lymphozyten exprimiert, also von verschiedenen Zellen der spezifischen Immunabwehr [21]. Auch dendritische Zellen, Makrophagen und Monozyten können PD-1 exprimieren, wenn sie - z. B. durch Interferon γ (IFN-γ) im Rahmen einer Entzündungsreaktion - stimuliert werden. Zusätzlich kann die Expression dieses Moleküls durch weitere proinflammatorische Zytokine gesteigert werden, die die Transkription von PD-1-mRNA in zytotoxischen und T-Helfer-Lymphozyten induzieren [23, 24]. Das Lymphozyten-inhibierende Signal wird über PD-1 infolge seiner Interaktion mit dem Liganden PD-L1 übermittelt [21, 23, 24]. Das PD-L1-Molekül ist ein transmembranäres Glykoprotein, das vor allem auf der Oberfläche von Zellen des angeborenen Immunsystems (Makrophagen und Monozyten) vorkommt. Bei Gesunden exprimieren diese Zellen das PD-L1-Molekül oft nur in vernachlässigbarem Maße, doch während eines chronischen Entzündungsprozesses wird die Expression dieses Moleküls angeregt. Dieser Mechanismus schützt vor einer übermäßigen Aktivierung der T-Lymphozyten (die Interaktion von PD-L1 mit PD-1 bremst die Aktivität PD-1-positiver Zellen). So regulieren die genannten Checkpoint-Moleküle die Aktivität des Immunsystems unter physiologischen Bedingungen. Aber auch Tumorzellen können PD-L1 auf der Oberfläche tragen und sich so dem Zugriff des Immunsystems entziehen. Außerdem ist zu bedenken, dass diese PD-L1-Expression auf Tumorzellen schon beim ersten Auftreten entarteter Zellen (primäre PD-L1-Expression auf Tumorzellen) oder unter dem Einfluss pro-inflammatorischer Zytokine hauptsächlich nach Stimulation durch IFN-γ (adaptive PD-L1-Expression auf Tumorzellen) einsetzen kann [21, 24, 25]. Eine Vielzahl von immunmodulatorischen Signalwegen unter Beteiligung von Lymphozyten, antigenpräsentierenden Zellen und Tumorzellen ist bereits untersucht worden. Tim-3 und LAG-3 - zwei Mitglieder der Immunglobulin-Superfamilie - aktivieren CD137, CD40L und CD27 sowie weitere Mitglieder der Superfamilie der Tumornekrosefaktor-Rezeptoren (TNFR) als Kostimulatoren auf der Zelloberfläche von Lymphozyten. Diese hemmenden und stimulierenden Moleküle sind als therapeutische Zielstrukturen untersucht worden [26, 27]. Der Grundgedanke der Immuntherapie mit Immuncheckpoint-Inhibitoren lautet heutzutage, die Übertragung des inhibitorischen intrazellulären Signals nach Interaktion von PD-1 und PD-L1 oder CTLA-4 und B7-1/B7-2 zu verhindern. Deshalb sind monoklonale Antikörper, die PD-1 oder PD-L1 blockieren, für die Krebstherapie so interessant (Abb. 1.). Die Wirksamkeit beider Arten von Antikörpern ist in vielen klinischen Studien nachgewiesen worden, was sich auch in weltweiten positiven Bescheiden zur immuntherapeutischen Anwendung niedergeschlagen hat [22, 28].
Mechanismen der Abtötung von Tumorzellen durch aktive T-Lymphozyten (A); der Blockierung ihrer Wirkung durch die Interaktion von PD-1 und PD-L1 (B) sowie der Wiederherstellung der T-Zell-Aktivität durch Anwendung von Antikörpern gegen PD-1 oder PD-L1 (C).
Mechanismen der Abtötung von Tumorzellen durch aktive T-Lymphozyten (A); der Blockierung ihrer Wirkung durch die Interaktion von PD-1 und PD-L1 (B) sowie der Wiederherstellung der T-Zell-Aktivität durch Anwendung von Antikörpern gegen PD-1 oder PD-L1 (C).
Immuncheckpoint-Inhibitoren und Lungenkrebstherapie in der Praxis
Die bisherigen Behandlungsprotokolle für Patienten mit metastasierendem NSCLC ohne Mutationen im EGFR- (epidermal growth factor receptor) und BRAF-Gen oder ohne Rekombinationen im ALK- (anaplastic lymphoma kinase) und ROS1-Gen basierten auf einer Chemotherapie in Form einer platinhaltigen Zweifachkombination in der ersten Therapielinie und Docetaxel oder Pemetrexed in der zweiten. Damit wurde bei etwa 50% der Patienten in der Erstlinientherapie und bei 20-25% in der Zweitlinientherapie Krankheitskontrolle erreicht, und zwar mit einer bescheidenen Dauer des Ansprechens und einer Gesamtüberlebenszeit von etwa 12 Monaten ab der Diagnosestellung. Vor diesem Hintergrund bestand dringender Bedarf an neuen Behandlungsstrategien, die höhere Ansprechraten und längere Ansprechdauer und dadurch OS-Verlängerung ohne inakzeptable Toxizität ermöglichten [29].
PD-1-/PD-L1-Checkpoint-Inhibitoren in der Zweitlinientherapie
Die Landschaft der NSCLC-Therapie wandelte sich 2015 mit dem Erscheinen der Ergebnisse der Studien CheckMate 017 und CheckMate 057. In der Phase-III-Studie CheckMate 017 wurden 272 Patienten mit lokal fortgeschrittenem oder metastasierendem Plattenepithel-NSCLC, bei denen während oder nach einer Erstlinien-Chemotherapie eine Progression eingetreten war, auf eine Behandlung mit entweder Nivolumab oder Docetaxel randomisiert. Das OS betrug in der mit Nivolumab behandelten Gruppe im Median 9,2 Monate (95-%-KI: 7,3-13,3); in der mit Docetaxel behandelten Gruppe waren es 6,0 Monate (95-%-KI: 5,1-7,3) (HR: 0,59; 95-%-KI: 0,44-0,79; p<0,001). Das Ausmaß der Expression von PD-L1 war weder prognostisch noch prädiktiv für den Therapienutzen. CheckMate 057 wurde mit dem selben Studiendesign durchgeführt, jedoch wurden 582 Patienten mit nicht-plattenepithelialem NSCLC untersucht. Das OS betrug bei den 292 mit Nivolumab behandelten Patienten im Median 12,2 Monate (95-%-KI: 9,7-15,0); bei den 290 mit Docetaxel behandelten Patienten waren es 9,4 Monate (95-%-KI: 8,1-10,7) (HR: 0,73; 96-%-KI: 0,59-0,89; p<0,002). Nivolumab war bei Patienten mit PD-L1-Expression auf ≥1%, ≥5% und ≥10% der Tumorzellen mit längerem OS und progressionsfreiem Überleben (PFS) sowie höheren objektiven Ansprechraten (ORR) assoziiert als Docetaxel. Sowohl in CheckMate 017 als auch in CheckMate 057 war die Rate schwerwiegender unerwünschter Ereignisse im Nivolumab-Arm niedriger. Die Studien CheckMate 017 und CheckMate 057 haben die klinische Praxis verändert und Nivolumab als Standardoption für die Zweitlinientherapie etabliert [3, 4]. Die aggregierte Analyse der beiden Studien ergab überlegene Zweijahres-OS-Raten (23% unter Nivolumab vs. 8% unter Docetaxel bei Plattenepithel-NSCLC bzw. 29% unter Nivolumab vs. 16% unter Docetaxel bei nicht-plattenepithelialem NSCLC) und erbrachte somit den Nachweis für den langfristigen Nutzen und das günstige Verträglichkeitsprofil von Nivolumab im Vergleich zu Docetaxel in diesem Setting [30]. In der Phase-II/III-Studie KEYNOTE 010 wurde Pembrolizumab mit Docetaxel als Zweitlinientherapie bei lokal fortgeschrittenem oder fortgeschrittenem NSCLC verglichen. Pembrolizumab bewirkte signifikante Verbesserungen beim OS, PFS und der ORR der Patienten mit PD-L1-Expression auf ≥1% der Tumorzellen [1]. Atezolizumab bewirkte außerdem eine signifikante Verlängerung des OS von vorbehandelten Patienten mit lokal fortgeschrittenem oder metastasierendem NSCLC unabhängig von der PD-L1-Expression auf den Tumorzellen. Pembrolizumab und Atezolizumab zeigten in KEYNOTE 010 sowie in Studien der Phase II (POPLAR) und Phase III (OAK) ein günstiges Sicherheitsprofil im Vergleich zu Docetaxel [5, 31]. Nachdem genannten Studien der Blockade von PD-1 oder PD-L1 in der Zweitlinientherapie des NSCLC bessere Überlebensraten und ein besseres Sicherheitsprofil bescheinigten als Docetaxel, konnte der Therapiestandard für Patienten mit einer Progression nach einer platinhaltigen Erstlinientherapie geändert werden.
PD-1-/PD-L1-Checkpoint-Inhibitoren in der Erstlinientherapie
In der Studie KEYNOTE 024 zeigte sich Pembrolizumab bei Patienten mit fortgeschrittenem NSCLC und mit PD-L1-Expression auf ≥50% der Tumorzellen überlegen gegenüber einer Chemotherapie. Pembrolizumab ging mit deutlich längerem PFS und OS einher [2]. Die neuere Studie KEYNOTE 042, in der Patienten mit PD-L1-Expression auf ≥1% der Tumorzellen untersucht wurden, belegt die Überlegenheit von Pembrolizumab gegenüber der Erstlinien-Chemotherapie bei weniger Nebenwirkungen [32].
In die Studie KEYNOTE 189 wurden Patienten mit fortgeschrittenem nicht-plattenepithelialem NSCLC ohne Veränderungen des EGFR- oder ALK-Gens aufgenommen. Die Studie bestätigte, dass die Kombination aus Pembrolizumab und Chemotherapie zu einer signifikanten Verbesserung des PFS und OS im Vergleich zur Erstlinien-Chemotherapie führte, unabhängig von der PD-L1-Expression [8]. Die Phase-III-Studie KEYNOTE 407 befasste sich mit dem Plattenepithel-NSCLC bei therapienaiven Patienten und ergab, dass Pembrolizumab plus Chemotherapie unabhängig vom Grad der PD-L1-Expression auf den Tumorzellen mit einem längeren medianen OS assoziiert war (15,9 Monate in der mit Pembrolizumab behandelten Gruppe, 11,3 in der mit alleiniger Chemotherapie behandelten Gruppe; HR: 0,64). Das mediane PFS betrug bei den Patienten, die die Kombinationstherapie erhielten, 6,4 Monate und bei den mit Chemotherapie behandelten Patienten 4,8 Monate (HR: 0,56), wobei der Nutzen der Kombinationstherapie über die Untergruppen hinweg zu beobachten war [33]. In der Studie CheckMate 026 verbesserte Nivolumab weder das OS (medianes OS: 14,4 Monate unter Nivolumab vs. 13,2 Monate unter Chemotherapie) noch das PFS (medianes PFS: 4,2 Monate unter Nivolumab vs. 5,9 Monate unter Chemotherapie) bei nicht vorbehandelten Patienten mit Stadium-IV- oder rezidivierendem NSCLC mit PD-L1-Expression auf mindestens 5% der Tumorzellen sowie in der Untergruppe der Patienten mit PD-L1-Expression auf ≥50% der Tumorzellen. Die Tumormutationslast (TMB) war nicht prädiktiv für den Nutzen beim Gesamtüberleben unter Nivolumab-Monotherapie im Vergleich zur Chemotherapie, allerdings war in der Gruppe mit hoher TMB eine höhere ORR (47% vs. 28%) und ein längeres PFS (9,7 vs. 5,8 Monate) zu verzeichnen [11]. In der Phase-III-Studie CheckMate 227 bewirkte die Kombination aus Nivolumab und Ipilimumab ein längeres PFS und eine höhere ORR bei vergleichbaren Nebenwirkungen wie die Chemotherapie bei fortgeschrittenem NSCLC mit hoher TMB (siehe weiter unten) [34].
In der klinischen Studie IMPower 150 erhielten Patienten mit fortgeschrittenem NSCLC entweder Atezolizumab plus Carboplatin plus Paclitaxel (ACP) oder Bevacizumab plus Carboplatin plus Paclitaxel (BCP) oder Atezolizumab plus BCP (ABCP). Das mediane PFS war in der ABCP-Gruppe länger als in der BCP-Gruppe (8,3 vs. 6,8 Monate, HR: 0,62; 95-%-KI: 0,52-0,74; p<0,001), und das galt auch unabhängig von Veränderungen der EGFR- und ALK-Gene, vom Grad der PD-L1-Expression auf den Tumorzellen und von der Expression der Teff-Gensignatur. Darüber hinaus war das mediane OS bei den Patienten ohne EGFR- und ALK-Genveränderungen in der ABCP-Gruppe länger als in der BCP-Gruppe (19,2 vs. 14,7 Monate; HR: 0,78; 95-%-KI: 0,64-0,96; p=0,02). Das Sicherheitsprofil von ABCP deckte sich mit den Sicherheitsrisiken aus früheren Berichten zu den Einzelwirkstoffen [10].
Den publizierten Studiendaten zur Erstlinientherapie nach zu urteilen, sollte eine Pembrolizumab-Monotherapie die erste Wahl bei Patienten sein, bei denen mindestens 50% der Tumorzellen PD-L1 exprimieren und keine EGFR- oder ALK-Veränderungen vorliegen, während bei den übrigen Patienten mit einem geringeren Maß an PD-L1-Expression eine Kombination aus Pembrolizumab oder Atezolizumab mit einer Chemotherapie bessere Ergebnisse zeigte als eine alleinige Chemotherapie. Die Kombination aus Nivolumab und Ipilimumab ist bei Patienten mit hoher TMB von Nutzen, hier gibt es jedoch noch einige Einschränkungen (siehe weiter unten).
PD-1-/PD-L1-Checkpoint-Inhibitoren zur Konsolidierung nach einer Radiochemotherapie
Die Phase-III-Studie PACIFIC diente der Beurteilung der Wirksamkeit von Durvalumab im Vergleich zu Placebo in der Konsolidierungsbehandlung von Patienten mit NSCLC im Stadium III, die nach 2 oder mehr Zyklen einer platinhaltigen Radiochemotherapie keine Progression zeigten. Die Studie ergab signifikante Verbesserungen des medianen OS, PFS und der ORR unter Durvalumab im Vergleich zu Placebo (23,2 vs. 14,6 Monate, 16,8 vs. 5,6 Monate bzw. 28,4% vs. 16,0%) [7].
PD-L1-Expression als anerkannter prädiktiver Faktor für die Immuntherapie - Licht und Schatten
Die Expression von PD-L1 auf Tumorzellen ist als prädiktiver Faktor für die ICI-Therapie bei NSCLC-Patienten in prospektiven klinischen Studien untersucht und bestätigt worden. Die Ergebnisse der klinischen Studien zur Rolle der PD-L1-Expression bei der Qualifikation für die Immuntherapie sind jedoch uneinheitlich. Der Grund hierfür sind Unterschiede bei der Randomisierung anhand von unterschiedlichen Kriterien für den PD-L1-Status von Tumor- und Immunzellen [1-7]. So wurde zum Beispiel Pembrolizumab als Zweitlinientherapie bei Patienten mit jedem Grad von PD-L1-Expression angewandt und Nivolumab und Atezolizumab bei Patienten mit oder ohne PD-L1-Expression auf Tumorzellen [1, 5]. Die divergierenden Ergebnisse der klinischen Studien im Hinblick auf die Rolle der PD-L1-Expression als prädiktivem Faktor für die Immuntherapie könnten auf sehr unterschiedliche Ansätze und Vorgehensweisen beim Testen und Auswerten der PD-L1-Expression mittels Immunhistochemie (IHC) zurückzuführen sein. Verschiedene Klone monoklonaler Antikörper und Reagenzien-Kits sowie unterschiedliche Systeme für die IHC-Färbung wurden zur Bestimmung der PD-L1-Expression auf Tumor- und Immunzellen in klinischen Studien zu verschiedenen Antikörpern gegen PD-1 und PD-L1 eingesetzt (Table 1) [1-12].
Vergleich der gebräuchlichen IHC-Testverfahren zur Beurteilung der PD-L1-Expression durch Tumor- und Immunzellen von NSCLC-Patienten

Die Ergebnisse der IHC-Tests mit unterschiedlichen Antikörperklonen sind nicht bei allen NSCLC-Patienten vergleichbar. Hinzu kommt, dass die Interpretation der Ergebnisse von der Erfahrung des Pathomorphologen abhängt. Die Studien Blue Print 1 und 2 zeigten, dass 4 IHC-Tests (mit den Antikörperklonen 22C3, 28-8, SP263 und 73-10) nah beieinanderlagen, während der 5. (mit dem Antikörperklon SP142) durchgängig weniger PD-L1-gefärbte Tumorzellen zeigte. Alle Assays wiesen PD-L1-Expression auf Immunzellen nach, jedoch mit größerer Variabilität als auf Tumorzellen. Die Studie Blue Print 2 ergab bei Zytoblöcken einen höheren Anteil negativer Befunde für die PD-L1-Expression als bei histologischem Material. Die Autoren kamen zu dem Schluss, dass die Beurteilung der PD-L1-Expression anhand von Zytoblöcken von begrenzter Zuverlässigkeit ist. Sie zogen das Fazit, dass die Unterschiede in der Methodik der IHC-Tests bei einigen Patienten zu Fehlurteilen über den PD-L1-Status führen würden [35, 36].
Hinzu kommt, dass die PD-L1-Expression innerhalb eines Tumors bekanntermaßen sehr heterogen ist [37].
So stellten McLaughlin et al. an verschiedenen Stellen desselben Tumors eine große Bandbreite der PD-L1-Expression auf den Tumorzellen fest (von hoher Expression bis zu völligem Fehlen) [38]. Ilie et al. wiesen eine Abweichungsrate von 48% zwischen den Ergebnissen zur PD-L1-Expression von Tumorzellen in chirurgisch reseziertem Geweben sowie in Biopsieproben nach [39]. Nur 25% der chirurgischen und 74% der Biopsieproben exprimierten kein PD-L1. Darüber hinaus beeinflusst die Vorbehandlung wie z. B. eine vorhergehende Strahlen- oder Chemotherapie die PD-L1-Expression (Untersuchungen zur PD-L1-Expression erfolgen meist an archivierten Proben) [40].
Die PD-L1-Expression auf Tumor- oder Immunzellen ist noch aus einem weiteren Grund kein idealer prädiktiver Faktor für die Immuntherapie: Klinische Studien belegen, dass eine Zweitlinientherapie mit einem Antikörper gegen PD-1 oder PD-L1 auch bei Patienten wirksam sein kann, die kein PD-L1 auf Tumor- oder Immunzellen exprimieren. Die Studie CheckMate 017 ergab für die Zweitlinientherapie bei plattenepithelialem Lungenkrebs signifikant höhere mediane OS-Raten unter Nivolumab im Vergleich zu Docetaxel - unabhängig vom Grad der PD-L1-Expression auf den Tumorzellen [3]. In der klinischen Studie CheckMate 057 war das mediane Überleben bei mit Nivolumab behandelten Patienten mit PD-L1-negativem nicht-plattenepithelialem Lungentumor vergleichbar wie bei den mit Docetaxel behandelten Patienten [4]. Und auch in der OAK-Studie zeigten NSCLC-Patienten, bei denen keine PD-L1-Expression auf Tumor- oder Immunzellen nachweisbar war, ein verbessertes Überleben unter Atezolizumab im Vergleich zu Docetaxel [5]. Umgekehrt sprechen viele Patienten mit PD-L1-Expression auf Tumor- oder Immunzellen nicht auf eine Immuntherapie an [3-5]. Diese Beobachtungen führen zu der Schlussfolgerung, dass es notwendig ist, nach neuen prädiktiven Faktoren zu suchen, die für die Qualifizierung von NSCLC-Patienten für die Immuntherapie von Nutzen sind.
Neue prädiktive Marker - jenseits von PD-L1
Tumormutationslast
Die PD-L1-Expression ist kein zufriedenstellendes Mittel, um NSCLC-Patienten zu identifizieren, die von einer Behandlung mit Immuncheckpoint-Inhibitoren profitieren könnten. Patienten mit hoher PD-L1-Expression auf ≥50% der Tumorzellen sprechen klar auf die Erstlinientherapie mit Pembrolizumab an, aber auch einige Patienten mit geringerer oder sogar ohne PD-L1-Expression zeigen ein Ansprechen und profitieren von längerem progressionsfreiem Überleben und Gesamtüberleben in der ICI-Zweitlinientherapie [4-12]. Dieses Phänomen zeigt, dass eine hohe PD-L1-Expression nicht der einzige positiv-prädiktive Faktor für eine ICI-Therapie ist. Die US-Zulassungsbehörde FDA hat auch die Mikrosatelliteninstabilität (MSI) in Tumorzellen als Indikation für die ICI-Therapie zugelassen [41].
Es wurde vermutet, dass eine hohe Tumormutationslast ein Kandidat als wichtiger prädiktiver Faktor sein könnte, und so wurde dieser Parameter in dieser Indikation in zahlreichen klinischen Studien getestet. Die TMB ist ein quantitatives Maß für die Gesamtzahl der nicht-synonymen somatischen Mutationen in allen codierenden Abschnitten eines Tumorgenoms. Die TMB führt potenziell zu einem höheren Aufkommen an Neoantigenen und zu einer höheren Chance auf eine effektive Antigenstimulation, die zu einer Interaktion zwischen Tumorzellen und zytotoxischen Effektor-T-Zellen führen, insbesondere bei Vorliegen von ICI [42].
Die Beurteilung der Tumormutationslast erfolgt mit modernster Gensequenzierung; dem Next-Generation Sequencing (NGS). Zwei Methoden sind hierbei am gebräuchlichsten: Die eine ist das Whole Exome Sequencing (WES), das jedoch wegen hoher Kosten und anderer Einschränkungen, die in langen Testzeiten resultieren, für die tägliche klinische Praxis nicht geeignet ist. Das Comprehensive Genomic Profiling (CGP) kann mit 2 von der FDA zugelassenen Assays (FoundationOne CDx und MSK-IMPAKT) durchgeführt werden und wird häufiger in klinischen Studien und potenziell in der routinemäßigen Praxis eingesetzt. Ein weiterer wichtiger Aspekt der TMB ist die Schwelle für positive Ergebnisse, die nicht in allen klinischen Studien einheitlich ist [43-48].
Schon mehrere klinische Studien und Subanalysen haben sich mit der möglichen Rolle der TMB als prädiktivem Marker für eine ICI-Behandlung bei NSCLC-Patienten befasst. In einer retrospektiven Studie von Rizvi et al., in der 34 mit Pembrolizumab behandelte Patienten mit fortgeschrittenem NSCLC untersucht wurden, war ein hoher TMB-Wert (definiert als ≥178 nichtsynonyme Mutationen laut WES) mit einem besseren und dauerhaften objektiven Ansprechen und Nutzen im Hinblick auf das PFS assoziiert [43].
2017 veröffentlichten Peters et al. die Ergebnisse einer explorativen retrospektiven Analyse der Phase-III-Studie CheckMate 026, in der 312 NSCLC-Patienten mit PD-L1-Expression auf ≥5% der Tumorzellen in erster Therapielinie eine Chemotherapie oder Nivolumab erhielten. Die TMB wurde mittels WES getestet; als oberes Tertil wurden >243 Mutationen definiert und als unteres Tertil <100 Mutationen [44]. Die Studie ergab, dass eine hohe TMB bei den mit Nivolumab behandelten Patienten im Vergleich zur Chemotherapie mit einem längeren PFS (9,7 vs. 5,8 Monate, HR: 0,62; 95-%-KI: 0,38-1,0) und einer höheren objektiven Ansprechrate (ORR) assoziiert war (46,8% vs. 28,3%). Die Studie zeigte außerdem, dass es keine Korrelation zwischen der TMB und der PD-L1-Expression gab, und es wurde eine Untergruppe von Patienten mit hoher TMB und hoher PD-L1-Expression identifiziert, bei denen die Ansprechrate höher war als in der Untergruppe, in der beide Faktoren niedrig waren. CheckMate 012 war eine Phase-I-Studie mit 75 Patienten mit fortgeschrittenem NSCLC, die mit Ipilimumab und Nivolumab als Erstlinientherapie behandelt wurden [12]. Patienten, bei denen mittels WES eine hohe TMB im Tumorgewebe und in der zirkulierenden Tumor-DNA (ct-DNA) festgestellt wurde, zeigten eine höhere Gesamtansprechrate (51% vs. 13%) und ein längeres progressionsfreies Überleben (HR: 0,41) als Patienten mit niedriger TMB. 2018 veröffentlichten Ramalingam et al. die Ergebnisse der Phase-II-Studie CheckMate 568, in der 288 Patienten mit NSCLC im Stadium IV (unabhängig von der PD-L1-Expression), die bis dahin keine systemische Behandlung erhalten hatten, mit Ipilimumab behandelt wurden. Die TMB wurde hier mit dem FoundationOne CDx Assay ermittelt und in 4 TMB-Stufen eingeteilt: <5, <10, ≥10 und ≥15 Mutationen/Megabasenpaar (Mut/Mb). Eine hohe TMB (definiert als 10 Mut/Mb) war mit einer Gesamtansprechrate von 40% assoziiert [47].
In der Phase-III-Studie CheckMate 227 wurden therapienaive NSCLC-Patienten mit PD-L1-Expression auf ≥1% der Tumorzellen per Randomisierung einer Behandlung mit Ipilimumab plus Nivolumab, Nivolumab allein oder einer Chemotherapie zugeteilt [34]. Für die Patienten mit PD-L1-Expression auf <1% der Tumorzellen gab es die Behandlungsarme Ipilimumab plus Nivolumab, Nivolumab plus Chemotherapie und Chemotherapie allein. Hellmann et al. veröffentlichten die Ergebnisse eines Teils der Studie zum Vergleich des PFS bei Patienten mit hoher TMB (definiert als ≥10 Mut/Mb) zeigen [34]. Diese Studie ergab bei den mit Ipilimumab und Nivolumab behandelten Patienten eine Einjahres-PFS-Rate von 42,6 % und bei den mit Chemotherapie behandelten Patienten von 13,2%. Das mediane PFS war bei den mit Ipilimumab plus Nivolumab behandelten Patienten signifikant höher als unter Chemotherapie (HR: 0,58; 97,5-%-KI: 0,41-0,81). Die Studie zeigte auch, dass der Nutzen von Ipilimumab plus Nivolumab im Vergleich zur Chemotherapie bei Patienten mit hoher TMB unabhängig von der PD-L1-Expression ist. Die Ergebnisse der MYSTIC-Studie, die 2018 in einem Vortrag auf einer Konferenz vorgestellt wurden, decken sich mit denen der Studie CheckMate 227. Die primären Endpunkte der MYSTIC-Studie (Verbesserung von OS und PFS bei Patienten mit metastasierendem NSCLC mit PD-L1-Expression auf ≥25% der Tumorzellen unter Durvalumab versus Chemotherapie sowie unter Durvalumab plus Tremelimumab versus Chemotherapie) wurden zwar nicht erreicht, jedoch zeigte die explorative Analyse eines großen Datensatzes, dass unter Durvalumab plus Tremelimumab versus Chemotherapie ein hoher TMB-Blutwert (definiert als ≥16 Mut/Mb) mit einem besseren OS bei einer HR von 0,62 (95-%-KI: 0,451-0,855) und mit einem Zweijahres-OS von 39% versus 18% der Patienten assoziiert war [49].
Zusammenfassend scheint die TMB sich als nützlicher prädiktiver Marker für die ICI-Wirksamkeit bei NSCLC-Patienten (unabhängig von der PD-L1-Expression) zu etablieren, mit dem sich Patienten identifizieren lassen, die von Nivolumab plus Ipilimumab oder von Durvalumab plus Tremelimumab trotz geringer oder ganz fehlender PD-L1-Expression profitieren würden. Allerdings weist die TMB auch erhebliche Einschränkungen auf, z.B. dass die Testauswertung lange dauert, dass eine große Zahl Tumorzellen dafür benötigt wird, dass die Schwelle für ein positives Ergebnis unklar und von Studie zu Studie unterschiedlich ist, und dass nur in begrenztem Umfang Belege dafür vorliegen, dass die TMB bei Patienten, die mit einer ICI-Kombination behandelt werden, prädiktiv für das OS ist.
Immunphänotyp des Tumorgewebes
Die TMB und die PD-L1-Expression sind die am besten validierten Prädiktoren für den Nutzen der Blockade von Immuncheckpoint-Inhibitoren bei fortgeschrittenem NSCLC. Allerdings sind diese prädiktiven Faktoren beide mit diagnostischen Problemen verbunden, die zu einer Fehlbeurteilung der Qualifikation von Patienten für die ICI-Therapie und somit zu einem schlechten klinischen Outcome führen können. Es scheint, dass auch andere prädiktive Faktoren zu beachten sind. Genomische Merkmale, die mit der Infiltration von Tumor-Immunzellen assoziiert sind, und Immunogenitäts-Profile könnten eine Rolle für weitere Fortschritte bei der Therapieauswahl und den Behandlungsergebnissen der ICI-Therapie spielen [50, 51].
In vielen klinischen Studien wird postuliert, die Analyse von Tumorgewebe nicht nur zur pathologischen und molekularen Diagnose zu nutzen, sondern auch zur Analyse auf vorhandene Immunzellen, die für die antitumorale Immunantwort verantwortlich sind. Die Beurteilung ausgewählter Parameter der Immunfunktion ermöglicht zum einen, Aussagen zur Prognose des Krankheitsverlaufs zu treffen, und hilft zum anderen zu entscheiden, welche Immuntherapie effektiv sein könnte, um die Aktivität des Immunsystems zu verstärken bzw. zu modulieren. Welche grundlegenden Tests das Immunoassay-Panel umfassen sollte, ist in Table 2 aufgeführt [52, 53].
Auf der Grundlage der immunologischen Analyse des Tumorgewebes lassen sich 3 grundlegende Immunprofile von Tumoren unterscheiden, die auch mit dem Ansprechen auf Antikörper gegen PD-1 und PD-L1 korrelieren [15, 54]:
1 Der inflammatorische Immun-Phänotyp, der sogenannte heiße Tumor, zeichnet sich durch das Vorliegen von CD8-positiven zytotoxischen T-Lymphozyten sowie CD4-positiven Gedächtnis- und regulatorischen T-Lymphozyten aus. Darüber hinaus geht die Lymphozyteninfiltration häufig mit der Anwesenheit unspezifischer Abwehrzellen einher. Die Fähigkeit von Immunzellen, viele proinflammatorische und effektorische Zytokine zu produzieren, konnte auch durch mRNA-Analysen des Tumorgewebes nachgewiesen werden. In Tumoren dieser Art ist eine suboptimale oder erschöpfte antitumorale Immunität zu beobachten, sodass das Behandlungsziel hier darin besteht, die vorhandene Immunantwort zu stärken.
2 Der «excluded»-Immun-Phänotyp ist durch fehlende Infiltration von Immunzellen in das Tumorinnere charakterisiert. Die Immunzellen dringen nicht in den Tumorkern vor, sondern werden im Stroma zurückgehalten. Es wird postuliert, dass die Mikroumgebung des Tumors stark inhibitorisch wirkt und immunsuppressive Stoffwechselprodukte wie Indolamin-2,3-Dioxygenase (IDO) oder IL-10 ausschüttet, die die Aktivität der Immunzellen bremsen. Hier ist daher das therapeutische Ziel, die vom Tumor ausgehende Immunsuppression aufzuheben und die im Stroma vorhandene antitumorale Aktivität in den Tumor einzubringen.
3 Beim «desert»-Immun-Phänotyp schließlich, der auch als kalter Tumor bezeichnet wird, sind weder im Tumorkern noch im Stroma vermehrt T-Zellen vorhanden. Es liegen auch keine vom Tumor ausgeschütteten immunsuppressiven Faktoren oder Chemokine in der Tumor-Mikroumgebung vor. Dieser Phänotyp spiegelt vermutlich das Fehlen einer initialen antitumoralen Immunreaktion wider. Daher ist die Therapie bei dieser Art von Tumorgewebe darauf ausgerichtet, eine Immunantwort auszulösen und zu trainieren.
Diese Dreiteilung ist auf die meisten soliden Tumoren anwendbar und hängt mit dem Ansprechen der Krebserkrankung auf eine Behandlung mit Immuncheckpoint-Inhibitoren zusammen. Die höchste Ansprechrate ist mit dem inflammatorischen Phänotyp des Tumorgewebes assoziiert, allerdings ist der genaue Wirkmechanismus etwas komplizierter. Zuerst stimuliert die hohe Konzentration proinflammatorischer Zytokine (IFN-γ) die PD-L1-Expression auf Tumorzellen und nicht-lymphoiden Zellen. Das bewirkt die verstärkte Hemmung PD-1-positiver Lymphozyten - den Ansatzpunkt der Therapie mit Antikörpern gegen PD-1 und PD-L1 [15, 54, 55]. Zugleich wird die bestehende, aber beeinträchtigte Immunantwort durch die ICI-Therapie gestärkt. Ganz anders stellt sich die Situation bei kalten Tumoren dar, bei denen keine inflammatorischen oder lymphoiden Zellen vorliegen. Hier gibt es für die Anwendung von ICI keine rationale Begründung. Jedoch korreliert die PD-L1-Expression nicht streng mit dem inflammatorischen Phänotyp. Auch kalte Tumoren können PD-L1 exprimieren. Und eine erhöhte Expression von PD-L1 auf Tumorzellen ist bekanntermaßen mit einem signifikanten klinischen Ansprechen auf eine gegen PD-1 oder PD-L1 gerichtete Immuntherapie assoziiert. Es liegen jedoch Belege dafür vor, dass auch PD-L1-negative Patienten auf diese Therapie ansprechen können. In vielen Untersuchungen an Tiermodellen wurde nachgewiesen, dass das Vorhandensein des PD-L1-Moleküls nicht nur auf Tumorzellen von Bedeutung ist, sondern mehr noch auf den Immunzellen des Wirts. Tang et al. stellten fest, dass sich Antikörper gegen PD-L1 sich in Tumorgeweben akkumulieren, und zwar unabhängig vom Status der PD-L1-Expression auf den Tumorzellen. PD-L1 auf antigenpräsentierenden Zellen bewirkte eine Herunterregulierung und Hemmung der T-Zellfunktion [56]. Und eine PD-L1-Blockade im Inneren des Tumors reichte nicht aus, um die T-Zell-Aktivität wiederherzustellen, da der T-Zell-Transport in den Tumor gestört war. Lin H et al. zeigten, dass bei PD-L1- oder PD-1-negativen oder immundefizienten Mäusen die PD-L1-Blockade auch bei Tumoren mit PD-L1-Überexpression wirkungslos blieb [57]. Diese Ergebnisse belegen, dass die PD-L1-Expression der Immunzellen des Wirts mehr als die der Tumorzellen eine entscheidende Rolle für die Wirksamkeit der Checkpoint-Blockade spielt. Einige andere Studien hingegen deuten darauf hin, dass das Ansprechen auf eine gegen PD-1 oder PD-L1 gerichtete Immuntherapie sowohl von Faktoren des Tumors selbst als auch von der Aktivität des Wirts-Immunsystems abhängt [58]. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass eine Prognose zum Outcome einer ICI-Therapie sowie die genaue Auswahl der Patienten sich nicht nur auf der PD-L1-Expression stützen sollte, sondern auf eine Reihe verschiedener Entzündungsparameter. Verschiedene Gensignaturen (tumorale Inflammationssignaturen) sind beschrieben worden, um den Mechanismus des Ansprechens bzw. der Resistenz von Tumoren gegen ICI zu erklären. Die Teff-Tumor-Genexpressionssignatur (Teff tGE) umfasst die Analyse der mRNA-Expression der folgenden Gene im Tumorgewebe: CXCL9, INF-γ und PD-L1. Patienten mit einer hohen Expression der T-Effektor-Gensignatur profitierten im Vergleich zu denen mit einer geringen Expression in den Studien POPLAR und IMPower150 stärker von einer Atezolizumab-Therapie als von einer Chemotherapie [15, 54, 55, 59].
Eine einfachere Analyse, die auf jeder onkologischen Station durchführbar wäre, scheint der so genannte Lung Immune Prognostic Index (LIPI) zu sein. Der LIPI kombiniert die vor Behandlungsbeginn ermittelte Neutrophilen/Lymphozyten-Ratio (dNLR) und die Konzentration von Laktatdehydrogenase (LDH) im peripheren Blut. Die Ergebnisse einer retrospektiven Studie von Varga et al. wurden auf dem International Congress on Targeted Anticancer Therapies 2019 in Paris vorgestellt. Die Autoren teilten Patienten mit verschiedenen soliden Tumoren, die mit ICI behandelt worden waren, nach folgenden Kriterien in drei Gruppen ein: (1) dNLR <3 und LDH normal; (2) dNLR >3 oder LDH > Obergrenze des Normbereichs und (3) dNLR >3 und LDH > Obergrenze des Normbereichs. Die Überlebensraten korrelierten mit der LIPI-Stratifizierung. Das mittlere OS betrug in der Gruppe mit niedriger dNLR und normalem LDH 17,8 Monate, verglichen mit 11,68 Monaten in der mittleren Gruppe und 3,9 Monaten bei den Patienten mit hohen dNLR- und LDH-Werten. Die Autoren postulieren, dass die Ermittlung des LIPI vor Beginn einer Immuntherapie nützlich sein könnte, um die Patienten danach zu stratifizieren, wer von Immuncheckpoint-Inhibitoren profitieren könnte. Es ist jedoch nicht auszuschließen, dass der LIPI primär ein prognostischer und kein prädiktiver Faktor ist [60].
Mikrobiom
Das Mikrobiom im menschlichen Darm weist eine auf Phylum-Ebene recht stabile Zusammensetzung auf. Die gramnegativen Bacteroidetes sind die am zahlreichsten vertretenen Bakterien im physiologischen Mikrobiom des menschlichen Gastrointestinaltrakts (GIT). Grampositive Firmicutes (Bacilli, Lactobacilli und Diplococci) kommen jederzeit im GIT jedes Menschen vor, wobei sich die jeweiligen Anteile im Laufe des Lebens verändern können, je nach Gesundheitszustand, Ernährung und Aufenthaltsort [61, 62, 63]. Bacteroides und Firmicutes machen rund 90% des gesamten Mikrobioms aus. Proteobacteria und Actinobacteria kommen ebenfalls im Darm vor, machen jedoch nur einen kleinen Teil aus (10%) [61, 62, 63, 64, 65]. Schätzungen zufolge umfasst das menschliche Darm-Mikrobiom über 1 000 verschiedenen Bakterienarten. Die Aufgaben der Bakterien im Verdauungstrakt reichen von der Mitwirkung bei der Verdauung über die Produktion von Vitaminen, Neurotransmittern («Gehirn-Darm-Achse») und Aminosäuren bis hin zur Verdrängung pathogener Bakterien [61]. Die hohe Diversität des Darmmikrobioms fördert die Differenzierung von M1-Makrophagen und Th1-Lymphozyten, die Aktivierung von Helfer- und zytotoxischen T-Zellen sowie die Hochregulation der PD-1-Expression auf Lymphozyten [66].
Das Mikrobiom von Krebspatienten konnte nicht nur im GIT, sondern auch im Tumor und dem in umgebenden Gewebe untersucht werden [67] (Abb. 2.). Das Mikrobiom des Lungengewebes bildet einen distinkten Cluster, der weitgehend unabhängig vom Mikrobiom des Darms, der Haut, der Vagina oder der Mund- und Nasenhöhle ist. Der Stamm der Proteobacteria ist mit rund 60% vorherrschend in nicht-malignem Lungengewebe, das bei NSCLC-Patienten chirurgisch entnommen wurde. Firmicutes, Bacteroidetes und Actinobacteria kommen in nicht-malignem Lungengewebe als Minderheit vor. Die Diversität des Mikrobioms steigt mit der Umweltbelastung (Luftverschmutzung und Bevölkerungsdichte) und mit dem Grad des Tabakkonsums. Die Anzahl und die Vielfalt der Bakterienarten ist im nichttumoralen Lungengewebe signifikant höher als in Tumorgewebe oder in Epithel mit chronischer Bronchitis [68]. Eine Störung der Zusammensetzung des Lungenmikrobioms (Dysbiose) und die Zerstörung des Epithels bei starken Rauchern könnte eine primäre Ursache für die Entzündungsprozesse bei chronisch-obstruktiven Lungenerkrankungen und Lungenkrebs sein [69]. Es liegen Belege dafür vor, dass wiederholte Antibiotika-Exposition und die daraus resultierende Dysbiose ebenfalls das Risiko für Lungenkrebs erhöhen [70].
Störungen des Mikrobioms im Rahmen von Krebserkrankungen im Überblick.
Das Mikrobiom von Krebspatienten ist inzwischen umfassend untersucht, sowohl als ursächlicher Faktor (Schädigung der DNA durch bakterielle Metaboliten) als auch als immunstimulierender Faktor. Die Immunität eines Organismus hängt von der Zusammensetzung des Darmmikrobioms ab [66]. Es scheint, dass das Darmmikrobiom von Krebskranken deren Ansprechen auf eine Immuntherapie mit Immuncheckpoint-Inhibitoren beeinflussen könnte. Eine Dysbiose des Darmmikrobioms könnte die Ursache für primäre ICI-Resistenzen sein. Es ist nachgewiesen, dass Antibiotika bei Patienten mit fortgeschrittener Krebserkrankung die Wirksamkeit von ICI verringern. Antibiotika reduzieren die Vielfalt des Darmmikrobioms und führen zu einer Dysbiose, die wiederum die Wirksamkeit der ICI-Therapie beeinträchtigen kann. Dies wurde in einem Experiment nachgewiesen, in dem Antikörper gegen PD-1 allein oder in Kombination mit einem Anti-CTLA-4-Antikörper bei Mäusen mit einem MCA-205-Sarkom und RET-Melanom angewendet wurden. Die Mäuse wurden 14 Tage lang mit einer Kombination mehrerer Breitbandantibiotika (Ampicillin, Colistin und Streptomycin) behandelt oder unbehandelt. Sie wurden dabei unter pathogenfreien Bedingungen gehalten. Die Antibiotika reduzierten die antitumorale Wirkung der ICI signifikant und bewirkten schlechte Ansprechraten und kürzere Überlebenszeiten bei den Mäusen unter der Immuntherapie [71].
Derosa et al. untersuchten Patienten mit fortgeschrittenem Nierenzellkarzinom (RCC) und NSCLC, die mit einem Antikörper gegen PD-L1 in Monotherapie oder mit einer Kombinations-Immuntherapie behandelt wurden. 16 RCC- und 48 NSCLC-Patienten erhielten in einem Abstand von maximal 30 Tagen zum Beginn der ICI-Therapie Antibiotika [72]. Bei den RCC-Patienten war die Antibiotikatherapie vor der ICI-Therapie mit einem erhöhten Risiko einer frühen Progression (75% vs. 22%), einem reduzierten medianen PFS (1,9 vs. 7,4 Monate) sowie einem reduzierten medianen OS (17,3 vs. 30,6 Monate) assoziiert. Bei den NSCLC-Patienten verkürzte die Anwendung von Antibiotika das mediane PFS (1,9 vs. 3,8 Monate) und OS (7,9 vs. 24,6 Monate). Die Autoren kamen zu dem Schluss, dass die Modulation einer Antibiotika-bedingten Dysbiose und der Zusammensetzung des Darmmikrobioms eine geeignete Strategie sein könnte, um die mit ICIs erzielten klinischen Ergebnisse zu verbessern.
Routy et al. untersuchten die Auswirkungen einer Antibiotikatherapie bei Patienten mit fortgeschrittenem NSCLC (n=140), RCC (n=67) oder Urothelkarzinom (n=42), die nach einer oder mehreren vorhergehenden Therapien mit einem Antikörper gegen PD-1 oder PD-L1 behandelt wurden [68]. Von 249 Patienten wurden 69 (28%) innerhalb von 2 Monaten vor oder einem Monat nach der ersten ICI-Gabe Antibiotika verordnet (β-Lactame, Fluorchinolone oder Makrolide). PFS und OS waren bei den mit Antibiotika behandelten Patienten signifikant kürzer, unabhängig von der Tumorentität. In univariaten und multivariaten Cox-Regressionsanalysen erwies sich die Antibiotikagabe als Prädiktor für die Resistenz gegenüber der PD-1- bzw. PD-L1-Blockade, unabhängig von den klassischen prognostischen Markern für NSCLC- und RCC-Patienten. Anhand einer Validierungskohorte von 239 Patienten mit fortgeschrittenem NSCLC wurde der negative Einfluss einer Antibiotikatherapie auf das Überleben von Patienten, die mit einem Antikörper gegen PD-1 oder PD-L1 behandelt wurden, bestätigt.
Zum ersten Mal wurde der Zusammenhang zwischen dem Vorkommen bestimmter Bakterienarten im Darmmikrobiom und der Wirksamkeit von Antikörpern gegen CTLA-4 oder gegen PD-1/PD-L1 bei Melanompatienten beobachtet. Vetizou et al. stellten fest, dass Tumoren in Antibiotika-behandelten oder keimfreien Mäusen nicht auf eine CTLA-4-Blockade ansprachen [73]. Die Überwindung dieses Effekts konnte durch Gavage mit Bacteroides fragilis, durch Immunisierung mit Polysacchariden aus diesem Bakterium oder durch adoptiven Transfer von B.-fragilis-spezifischen T-Zellen erreicht werden. Eine fäkale Mikrobiomtransplantation (FMT) von Menschen auf Mäuse bestätigte, dass die Ipilimumab-Behandlung von Melanompatienten die Vermehrung von antitumoral aktiven B. fragilis begünstigte. Im selben Jahr postulierten Sivan et al., dass das kommensale Bifidobacterium die Wirksamkeit einer Anti-PD-L1-Therapie erhöht, indem es die Rekrutierung und Aktivierung von antitumoralen T-Zellen ebenso fördert wie die Produktion von Interferon und proinflammatorischen Zytokinen und die Reifung von dendritischen Zellen, die zur Präsentation von Neoantigenen beitragen [74]. Sie arbeiteten mit einem Mausmodell mit Xenotransplantaten in Form subkutan verabreichter Melanomzellen. Nach oraler Gabe von Bifidobacterium (Cocktail aus B. bifidum, B. longum, B. lactis und B. breve) an die transplantierten Tiere wurde mit PD-L1-Antikörpern eine bessere Tumorkontrolle erreicht. Gopalakrishnan et al. fanden Belege dafür, dass eine hohe Abundanz von Faecalibacterium und Clostridales (insbesondere aus der Familie der Ruminococcaceae), die zum Stamm der Firmicutes gehören, sowie eine hohe Diversität des Darmmikrobioms mit einer erhöhten Ansprechrate bei Patienten unter Anti-PD-1-Therapie einhergingen [75]. Matson et al. zeigten, dass Bifidobacterium longum, Collinsella aerofaciens und Enterococcus faecium bei Patienten, die auf Anti-PD-L1-Antikörper ansprachen, abundanter waren [76]. Die Rekonstitution von keimfreien Mäusen mit Stuhlproben von Patienten mit Therapieansprechen führte zu einer verstärkten T-Zell-Antwort infolge eines Anstiegs Neoantigen-spezifischer zytotoxischer T-Zellen und einer Abnahme regulatorischer T-Zellen in den Tumoren.
Diese Erkenntnisse zur Rolle des Mikrobioms für die Wirksamkeit von Krebs-Immuntherapien fügen sich in das vom National Institute of Health durchgeführte Human Microbiome Project ein. In der Anfangsphase des Projekts, das 2008 aufgelegt wurde, wurde das Mikrobiom von 300 gesunden Probanden an verschiedenen Körperregionen charakterisiert: Nasen- und Mundhöhle, Haut, Gastrointestinal- und Urogenitaltrakt. Diese Charakterisierung des menschlichen Mikrobioms erfolgte mittels Sequenzierung der prokaryotischen Gene für Untereinheit 16 der ribosomalen RNA (16S rRNA) mit neun hypervariablen Regionen (V1-V9). Zwischen den hypervariablen Regionen befinden sich hochgradig konservierte Fragmente, für die sich universelle Primer entwickeln lassen, um zwischen den Bakterientaxa zu unterscheiden. Die metagenomische Shotgun-Sequenzierung des ganzen Genoms auf einer Next-Generation Sequencing(NGS)-Plattform gab Aufschluss über die Zusammensetzung des Mikrobioms auf der Ebene der Genzahl oder der metagenomischen Spezies (MGS). Für die Analyse der 16S-rRNA-Gensequenz sind spezifische Bioinformatik-Tools entwickelt worden, die die Sequenz mit bekannten bakteriellen Sequenzen aus der Datenbank abgleichen. Alle unbekannten Sequenzen wurden berücksichtigt, jedoch wurden sie als unklassifizierte Bakterien beschrieben. Mit den traditionellen mikrobiologischen Methoden ist es nicht möglich, die taxonomische Zuordnung, die Abundanz und die Diversität des gesamten Mikrobioms zu definieren, daher sind sie in diesem Rahmen nicht verwendbar [77].
Routly et al. führten eine metagenomische Analyse der Darmmikrobiota von 60 NSCLC- und 40 RCC-Patienten durch. Sie isolierten die fäkale Gesamt-DNA der Patienten zum Zeitpunkt der Diagnosestellung, vor Therapiebeginn und sequenziell nach der PD-1-Blockade. Ihre Analyse ergab, dass höhere Genzahlen oder MGS-Werte positiv mit dem klinischen Ansprechen (definiert als Progressionsfreiheit sechs Monate nach Beginn der ICI-Therapie) korrelierten [72].
Nach Erstellung von Mikrobiomprofilen aus den Proben von NSCLC- und RCC-Patienten stellten Routy et al. fest, dass Patienten, die auf ICI ansprachen, sich durch eine Überrepräsentation von unklassifizierten und klassifizierten Firmicutes und distinkten Bakteriengattungen wie Akkermansia und Alistipes auszeichnen [72]. Insbesondere ein großer Anteil von Akkermansia muciniphila im Mikrobiom erwies sich als begünstigend für ein langfristiges Ansprechen auf die ICI-Therapie. Die Autoren beobachteten außerdem ein erhöhtes Vorkommen von Enterococcus hirae bei NSCLC-Patienten mit Ansprechen auf ICI. Die FMT von Krebspatienten, die auf ICI ansprachen, auf Antibiotika-behandelte oder keimfreie Mäuse verbesserte die antitumorale Wirkung der PD-1-Blockade, während die FMT von Non-Respondern bei den Tieren keine Verbesserung des Ansprechens auf die Immuntherapie bewirkte. Routy et al. analysierten auch die immunologischen Veränderungen in Lymphknoten und Tumoren, die durch Gavage mit einer Kombination aus Accermansia muciniphila und Enteroccocus hirae sowie durch eine Injektion mit Antikörpern gegen PD-1 ausgelöst wurden. Im Mausmodell begannen T-Helferzellen sowohl in Lymphknoten als auch im jeweiligen Tumor mit der Expression des Chemokinrezeptors CCR9 und des Th1-assoziierten Chemokinrezeptors CXCR3. Immunhistochemische Untersuchungen belegen die Bildung von intratumoralen Granulomen und das vermehrte Vorkommen von regulatorischen T-Zellen (Foxp3-positive Zellen). Dendritische Zellen schütteten vermehrt IL-12 aus, das an der Immunogenität der PD-1-Blockade unter eubiotischen Bedingungen beteiligt ist.
Botticelli et al. untersuchten das Darmmikrobiom von mit Nivolumab behandelten NSCLC-Patienten und von Gesunden [78]. Die NGS-basierte Metagenomik-Analyse ergab bei den NSCLC-Patienten im Vergleich zu den gesunden Kontrollpersonen erhöhte Werte für Rikenellaceae, Prevotella, Streptococcus, Lactobacillus, Bacteroides plebeius, Oscillospira und Enterobacteriaceae. Bei denjenigen NSCLC-Patienten, die auf die Nivolumab-Therapie ansprachen, waren Ruminococcus bromii, Dialister und Sutterella weniger abundant, während Akkermansia muciniphila, Bifidobacterium longum, Faecalibacterium prausnitzi, Propionibacterium acnes, Veillonella parvula, Staphylococcus aureus und Peptostreptococcus in erhöhter Abundanz vorlagen. Das Vorkommen von Clostridium perfringens war während der Nivolumab-Behandlung herabgesetzt. Diese Studie zeigt, dass die ursprüngliche Zusammensetzung des Darmmikrobioms möglicherweise das Ansprechen auf eine Immuntherapie beeinflusst, dass aber umgekehrt auch die Immuntherapie sich auf die Zusammensetzung des Darmmikrobioms auswirkt. ICI könnten an der Rekrutierung von Bakterien beteiligt sein, die zur antitumoralen Reaktion beitragen, wobei der Mechanismus hiervon noch nicht vollständig verstanden ist.
Zusammenfassung
Die PD-L1-Expression auf Tumorzellen und die Tumormutationslast (TMB) sind die einzigen molekularen prädiktiven Faktoren, die bisher zur Qualifizierung von NSCLC-Patienten für eine Erstlinien-Immuntherapie verwendet werden. Zur Qualifizierung für eine Erstlinien-Kombination aus Chemo- und Immuntherapie sowie für eine Zweitlinien-Monotherapie mit einem Antikörper gegen PD-1 oder PD-L1 sind hingegen gar keine molekularen prädiktiven Faktoren erforderlich. Und die Immuntherapie hat auch bei Patienten ohne PD-L1-Expression auf den Tumorzellen oder mit niedriger TMB Wirkung gezeigt, während umgekehrt ein Ansprechen auf die ICI-Therapie manchmal ausbleibt, auch wenn die Prädisposition für den Behandlungsansatz gegeben ist. Die Methoden zur Beurteilung der PD-L1-Expression und der TMB sind noch nicht abschließend festgelegt, daher gilt es, weitere prädiktive Faktoren für die ICI-Therapie zu suchen. Das Vorliegen inflammatorischer Zellen, die den Tumor infiltrieren, sowie die Fähigkeit der Lymphozyten, proinflammatorische Faktoren zu produzieren, könnten die Wirksamkeit der Immuntherapie erhöhen. Darüber hinaus könnte der Immunphänotyp von Tumoren Hinweise darauf geben, ob eine Kombination von Immuntherapien angezeigt ist. Und nicht zuletzt könnten die Artenvielfalt des Mikrobioms und das Vorhandensein bestimmter Arten (z.B. Akkermansia muciniphila) die Wirksamkeit der Immuntherapie erhöhen. Es ist möglich, dass die Wiederherstellung des Mikrobioms bei Krebspatienten mit Dysbiose (z. B. nach einer Antibiotika-Therapie) diese Patienten für eine Immuntherapie sensibilisieren kann. Alle diese Aspekte unterstreichen die Notwendigkeit eines wirkungsvollen personalisierten diagnostischen und therapeutischen Vorgehens, das eine umfassende Evaluierung der PD-L1-Expression, der TMB und des Mikrobiom-Profils umfasst. Ein solches Vorgehen kann dazu führen, dass jeder Patient die für ihn wirksamste Behandlung unter besonderer Berücksichtigung von Immuntherapien bei vergleichweise geringen Nebenwirkungen erhält.
Interessenkonflikte
Die Autoren erklären, dass keine Interessenkonflikte vorlagen.
Lizenzangabe
Kamila Wojas-Krawczyk, Ewa Kalinka, Anna Grenda, Paweł Krawczyk and Janusz Milanowski: Beyond PD-L1 Markers for Lung Cancer Immunotherapy. Int J Mol Sci. 2019 Apr;20(8):1915. Published online 2019 Apr 18. doi: 10.3390/ijms20081915
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