In den vergangenen Jahren hat sich die Behandlung des fortgeschrittenen Prostatakarzinoms maßgeblich verändert. So stehen uns heute mit Docetaxel, Cabazitaxel, Abirateron, Enzalutamid und Radium223 fünf Medikamente zur Verfügung, die in Phase-III-Studien jeweils zu einer signifikanten Verlängerung des Gesamtüberlebens von Männern mit metastasiertem kastrationsresistentem Prostatakarzinom (mCRPC) geführt haben. Eine bahnbrechende Erkenntnis der jüngsten Vergangenheit ist zudem, dass durch die Hinzunahme von Docetaxel oder Abirateron zur Androgendeprivationsbehandlung in der hormonsensitiven Situation eine deutliche Zunahme des Gesamtüberlebens herbeigeführt werden kann - unabhängig von den jeweils anschließenden Folgetherapien [1,2,3]. Dies gilt insbesondere für Patienten mit einer hohen Tumorlast.
Trotz all dieser Fortschritte bleibt das metastasierte Prostatakarzinom bis zum heutigen Tag eine unheilbare Erkrankung, mit einem nachweislichen Effektivitätsverlust der Standardtherapien mit jeder weiteren Behandlungslinie [4]. Ursächlich hierfür ist die Entwicklung von Resistenzen. Die zugrundeliegenden Mechanismen beginnen wir jedoch erst allmählich zu verstehen.
Eine zentrale Rolle dürfte in diesem Zusammenhang die Heterogenität von Prostatakarzinomen spielen, die nicht nur zwischen den jeweiligen Patienten, sondern auch zwischen Primärtumor und Metastasen oder sogar innerhalb eines Tumors bestehen kann. Diese sogenannte inter- und intratumorale Heterogenität schildern Tolkach und Christiansen eindrücklich in dem im Folgenden dargestellten Review und beschreiben zudem die Therapie-bedingte klonale Selektion als potentiellen Resistenzmechanismus.
Als mögliche Folge einer solchen klonalen Selektion wird die vermehrte Expression der Androgenrezeptor-Splicevariante 7 (AR-V7) angesehen. Durch einen Verlust der Androgen-Bindungsdomäne kommt es hier zu einer Liganden-unabhängigen Aktivierung des Androgenrezeptors (AR) und damit zu einem Wirkverlust der AR-gerichteten Therapien Abirateron und Enzalutamid [5]. Auf dem diesjährigen Kongress der American Society of Clinical Oncology (ASCO) wurden erstmalig prospektive Studienergebnisse zur AR-V7-Expression vorgestellt. Mit einer Ansprechwahrscheinlichkeit von nur 0-12% auf Abirateron und Enzalutamid bei den AR-V7-positiven Patienten untermauern die Ergebnisse dieser sogenannten PROPHECY-Studie die bislang vorliegenden retrospektiven Daten und unterstreichen die Bedeutung von AR-V7 als negativen prädiktiven Biomarker [6].
Weitere mögliche Resistenzmechanismen stellen eine Überexpression des p-Glykoproteins, die lebensverlängernde Autophagie sowie eine Trans- bzw. Entdifferenzierung der Prostatakarzinome in kleinzellige oder anaplastische Varianten dar. Zunehmende Bedeutung in unserem Verständnis zur Resistenzentwicklung gewinnen zudem genomische Veränderungen. So werden DNA-Reparaturmechismusdefekte immer wieder in Zusammenhang mit einer möglichen Resistenz gegen Standardtherapien gebracht. Letztere können jedoch auch als neuer therapeutischer Angriffspunkt für PARP-Inhibitoren genutzt werden. So konnte in einer Phase-II-Studie mit Olaparib eine über 80%ige Ansprechrate erzielt werden [7].
Auch in die Immuntherapie wurden nach der Zulassung von Sipuleucel T zur Behandlung des mCRPC viele Hoffnungen gesetzt, die sich jedoch bislang nicht erfüllten. So verfehlten die Studien mit dem CTLA4-Inhibitor Ipilimumab sowohl vor als auch nach Docetaxel-Behandlung ihre primären Endpunkte. Als Ursache wurde eine geringere Immunogenität des Prostatakarzinoms im Vergleich zu anderen Tumoren wie beispielweise dem malignen Melanom, dem Bronchial-, Urothel- oder Nierenzellkarzinom diskutiert. Allerdings konnten auch mit Ipilimumab einzelne langanhaltende Komplettremissionen erzielt werden. Zwei dieser Verläufe werden von der Gruppe um Karim Fizazi im Folgenden berichtet. Zudem gibt es erste Hinweise auf eine mögliche Effektivität von PD-1- und PD-L1-Inhibitoren beim mCRPC. Von besonderem Interesse ist dabei eine Kombination mit Enzalutamid, das durch seine potentiell immunmodulierende Wirkung eine Effektivitätssteigerung der Checkpoint-Inhibitoren bewirken könnte.
Viel bleibt zu tun, um die unterschiedlichen Resistenzmechanismen aufzudecken und den erfolgreichen Einsatz von Immuntherapien auch beim Prostatakarzinom zu ermöglichen. Umso wichtiger ist es, dass junge engagierte Kollegen wie Dr. Kretschmer für ihre herausragenden wissenschaftlichen Arbeiten ausgezeichnet werden. Ihm gelang es, ein mechanistisches Netzwerk aus stressinduzierter Hochregulation von Chaperonen, Splicevarianten des Androgenrezeptors, dem Akt-Signalweg und interzellulären TNT darzustellen, welche ein Stress-adaptives Zellüberleben ermöglichen. Diese Auszeichnung wird Motivation für die nächste Generation der forschenden Ärzte sein, ihren Beitrag in der Prostatakrebsforschung zu leisten.
Prof. Dr. Gunhild von Amsberg