Summary
Background: Randomized clinical trials do not reflect the day-to-day reality of patient care; hence, the treatment of patients with advanced pancreatic cancer in oncology group practices was evaluated. Patients and Methods: All consecutive patients with advanced pancreatic cancer who were treated between 01/2012 and 12/2015 in 4 oncology group practices were analyzed retrospectively using SPSS software. Results: 324 patients with a median age of 70 years (range 32-94 years) were analyzed. The majority were male (56%) and had distant metastases (74%). Chemotherapy was the major modality of treatment (86%) with a median overall survival (OS) of 33.3 weeks (range 1.7-245.4 weeks). Chemotherapy significantly (p < 0.001) improved OS in comparison to best supportive care only (37.6 vs. 13.9 weeks). Patients with locally advanced disease had a better prognosis compared to patients with metastases (median OS 49.6 vs. 30.4 weeks; p < 0.001). An age-adjusted Charlson comorbidity score of ≥ 9 was found to influence the OS significantly (p = 0.004). Conclusion: Chemotherapy remains the main modality of treatment for patients with advanced pancreatic cancer with an OS comparable to prospective randomized trials. The OS of this patient cohort has remained the same over the last 20 years despite advances in treatment modalities.
Transfer in die Praxis von Prof. Dr. Michael Stahl (Essen)
Hintergrund
Die Untersucher aus 4 onkologischen Praxen leisten einen wichtigen Beitrag zur sog. Versorgungsforschung. Die retrospektive Analyse aus den Jahren 2012 bis 2015 zeigt Behandlungsergeb- nisse beim fortgeschrittenen Pankreaskarzinom, wie sie «im wirklichen Leben» erreichbar sind statt in selektionierten Studienkollektiven. Hohes Alter, teilweise deutlich eingeschränkter Allgemeinzustand (AZ) und häufige Begleiterkrankungen sind die Probleme, mit denen Onkologen in vielen Behandlungseinrichtungen zu tun haben. In dieser Situation stellt sich immer die Frage, ob die Daten aus randomisierten Studien auf unsere Patienten übertragen werden können, obwohl diese eine Reihe von Merkmalen aufweisen, die Ausschlusskriterium für die genannten Studien wären. Die dargestellten Ergebnisse bewegen sich zwar auf einem niedrigen Evidenzlevel, aber sie helfen uns in der Therapieentscheidung bei Patienten mit potenziellen Kontraindikationen gegen Chemotherapie.
Studienergebnisse
Alle 324 Patienten, die im Zeitraum 2012 bis 2015 in 4 onkologischen Praxen im Westen Deutschlands mit fortgeschrittenem Pankreaskarzinom vorgestellt wurden, sind in die Analyse eingeschlossen. Höher als in Kollektiven aus randomisierten Studien liegt das mediane Alter bei 70 Jahren und 29% der Patienten hatten einen ECOG Performance-Status von 2 oder schlechter. Aus diesem Grund wurden 14% durch die behandelnden Ärzte so eingeschätzt, dass eine tumorspezifische Therapie nicht möglich war. Diese Patienten lebten unter «best supportive care» median nur 14 Wochen, was die eigenen Erfahrungen mit dieser aggressiven Tumorentität bestätigt. Dass es unter diesen Patienten einzelne gab, die ohne Therapie langfristig überlebten, wird am ehesten durch Pankreasraumforderungen nicht maligner Genese verursacht gewesen sein, die irrtümlich als lokal fortgeschrittene Karzinome eingeschätzt wurden. Die mediane Überlebenszeit lag für alle Patienten mit Chemotherapie bei 9,5 Monaten, für Patienten mit lokal fortgeschrittenen Tumoren bei 12,5 Monaten und für Patienten in gutem AZ (ECOG 0-1) bei 10 Monaten. Interessant ist, dass die Untersucher nicht alleine den ECOG-Status dokumentiert haben, dessen Reproduzierbarkeit in der täglichen Praxis oft schlecht ist. Vielmehr wurden die Patienten auch mittels Charlson Komorbiditätsindex (CCI) beurteilt. In diesem Score gehen neben der Tumorerkrankung auch Alter und Begleiterkrankungen ein. Die besten Patienten (n = 95) mit einem Score unter 9 weisen eine mediane Überlebenszeit von 12 Monaten auf. Dies liegt im Bereich der besten Daten aus randomisierten Studien [1,2]. Vermutlich entsprechen diese Patienten auch solchen, die heute mit intensiven Polychemotherapie-Protokollen (z.B. FOLFIRINOX) behandelt werden können und oft längerfristig vom Therapieansprechen profitieren. 120 Patienten wurden in der Erstlinie mit FOLFIRINOX oder Gemcitabin/nab-Paclitaxel behandelt. Aus der Publikation geht aber nicht hervor, welche Erst- oder Zweitlinientherapie zu welchen Ergebnissen führte. Die Toxizität wurde entsprechend der retrospektiven Natur der Analyse nur unzureichend erfasst. Allerdings mussten 26% aller Patienten im Beobachtungszeitraum (im Median 2 ×) stationär aufgenommen wurden. Es liegen keine Daten vor, in welcher Häufigkeit dies durch Nebenwirkungen der Chemotherapie verursacht war.
Kritische Wertung und Ausblick
Die Bedeutung der palliativen Chemotherapie hat auch beim fortgeschrittenen Pankreaskarzinom in den letzten Jahren stetig zugenommen und sie wird in Leitlinien eindeutig empfohlen [3]. Daten zu Patienten über 70 Jahre oder solchen in reduziertem AZ sind allerdings selten publiziert. Insofern können Ergebnisse aus der Versorgungsforschung lehrreich sein, weil sie in der Regel überwiegend bei Patienten mit solchen Eigenschaften erzielt wurden. Dies trifft auch für die vorliegende Publikation zu. Die Einschränkungen der vorliegenden retrospektiven Analyse dürfen allerdings nicht übersehen werden, in erster Linie die sehr globale Darstellung. Es liegen keine spezifizierten Daten vor über die adjuvante Vortherapie, die Auswahl der Erst- und Zweilinientherapie und deren Ergebnisse. Ein Vergleich zwischen «modernen» Kombinationstherapien und Gemcitabin wäre wünschenswert gewesen und hätte Hinweise gegeben, ob bei geeigneter Patientenauswahl in der Routineversorgung mit intensiven Regimen ähnliche Ergebnisse zu erzielen sind wie in klinischen Studien. Auch fehlen leider Analysen der älteren Patienten (˃ 70 Jahre) oder von Patienten mit «mittlerem» CCI, die mit Chemotherapie behandelt wurden. Dennoch motivieren die Ergebnisse dazu, möglichst viele Patienten mit fortgeschrittenem Pankreaskarzinom, die nicht in klinischen Studien behandelt wurden, in Registern zu erfassen. So könnte man bei dieser unverändert unzureichend behandelbaren Tumorentität rascher zu Erkenntnissen kommen, gerade bei Patienten, die nicht die für Studien typischen Charakteristika erfüllen.
Disclosure Statement
Der Autor hat Vortragshonorare der Firmen Celgene, Lilly Deutschland und Sanofi erhalten.