Deutsches Krebsforschungszentrum | Tumoren aushungern: Neuer Ansatzpunkt entdeckt
Wie alle Zellen in unserem Körper sind auch Krebszellen darauf angewiesen, ausreichend mit Nährstoffen und Sauerstoff versorgt zu werden. Da Krebszellen sich besonders schnell teilen, müssen in den Geschwüren auch schnell und teils unkontrolliert neue Blutgefäße wachsen. Könnte man diesen Prozess der Angiogenese hemmen, ließe sich das Tumorwachstum unterdrücken.
Wissenschaftler um Prof. Hellmut Augustin zeigen jetzt, dass der Rezeptor Tie1 dabei eine entscheidende Rolle spielt. Tie1 wird von Endothelzellen gebildet, also den Zellen, die das Innere unserer Blutgefäße auskleiden. Dieser Rezeptor arbeitet mit anderen Signalmolekülen zusammen und bewirkt, dass Blutgefäße kontrolliert wachsen. Zudem destabilisiert es die Wände der Blutgefäße und fördert dadurch die Bildung von Metastasen.
In den Blutgefäßen innerhalb von Tumoren wird verstärkt Tie1 produziert. Das Wachstum der Blutgefäße und dadurch des gesamten Tumors beschleunigt sich. Dieser Effekt tritt zur Überraschung der Forscher allerdings erst in der späten Phase der Tumorentwicklung auf. «Wenn Tumoren diagnostiziert werden, ist ihre evolutionäre Entwicklung in den allermeisten Fällen bereits weit fortgeschritten», erklärt Augustin. «Daher ist es wichtig, therapeutische Ziele zu identifizieren, die in dieser späten Phase der Tumorentwicklung wirkungsvoll angreifbar sind, wie wir es hier für Tie1 nachgewiesen haben.»
In den letzten Jahren haben Pharmafirmen vor allem das Molekül Angiopoietin2 genauer unter die Lupe genommen. Anders als Tie1 beeinflusst Angiopoietin2 jedoch vor allem die frühen Phasen der Tumorentwicklung. Aufgrund seines späteren Wirkungszeitraums könnte sich Tie1 als besserer Angriffspunkt erweisen.
Literatur
La Porta S, Roth L, Singhal M, et al.: Endothelial Tie1-mediated angiogenesis and vascular abnormalization promote tumor progression and metastasis. J Clin Invest 2018;128:834-845.
Universitätsklinikum Freiburg | Erfolgreiche Kombinations-Therapie bei aggressiver Leukämie
Bei etwa jedem achten Patienten mit Akut Myeloischer Leukämie (AML) lässt sich der Krebs weder mit Chemotherapie noch mit einer Stammzelltransplantation langfristig zurückdrängen. Forscher des Universitätsklinikums Freiburg konnten zeigen, dass diese Patienten von einer kombinierten Behandlung profitieren: Sie übertrugen T-Immunzellen gesunder Spender und gaben gleichzeitig das Medikament Sorafenib. Ein Teil der Patienten konnte geheilt werden, bei vielen wurde der Krebs stark zurückgedrängt. Der Wirkstoff ist bereits für die Behandlung von Leber-, Nieren- und Schilddrüsenkrebs zugelassen. Bislang war bekannt, dass er die Vermehrung bestimmter Krebszellen stoppt und die Blutversorgung des Tumors hemmt. Bei Leukämiezellen hat es diese Wirkung allerdings nicht. «Ursprünglich wurde Sorafenib Patienten nur gegeben, um das Fortschreiten der Krankheit zu verlangsamen», erläutert Studienleiter Prof. Robert Zeiser. «Wir haben dann festgestellt, dass der Krebs bei den Patienten verschwindet, die zuvor eine Transplantation gesunder Immunzellen bekommen hatten.»
Zusätzlich zu den Labordaten koordinierten die Freiburger Forscher eine großangelegte Analyse von 409 Patienten aus 39 Studienzentren in Europa, den USA, Australien und Asien. Die Patienten wurden alle aufgrund eines AML-Leukämierückfalls mit verschiedenen Medikamenten behandelt. «Die Kombination von Sorafenib und T-Zell-Übertragung führte eindeutig zur besten Überlebenswahrscheinlichkeit», betont Zeiser.
Literatur
Bösartige Weichteilsarkome | Überwärmung von Tumoren plus Chemotherapie verbessert Behandlungserfolg
Die regionale Überwärmung von Tumoren im Temperaturbereich von 40°-43° C in Kombination mit einer prä- und postoperativen Chemotherapie verbessert im Vergleich zur alleinigen Chemotherapie das Langzeitüberleben von Patienten mit bösartigen Weichteilsarkomen [1]. Die Therapiekombination führte zu einer Verkleinerung der Tumoren und Verbesserung der operativen Ergebnisse.
Die Ergebnisse wurden an 329 auswertbaren Patienten mit lokal fortgeschrittenen, bösartigen Weichteilsarkomen in Ergänzung zur bestmöglichen Operation und Bestrahlung erreicht. Die Ergebnisse eröffnen den Patienten mit Hochrisiko-Weichteilsarkomen nach Einschätzung von Prof. Lars Lindner, Leiter der Hyperthermie am Uniklinikum München, einen neuen Behandlungsweg. In diesem Frühjahr geht das weltweit erste voll digitale Magnetresonanztomographiegerät (MRT) in Kombination mit einem neu entwickelten Tiefenhyperthermie-System am Uniklinikum München in Betrieb. Da gezeigt wurde, dass die Behandlungsergebnisse mit der im Tumor erzielten Temperatur korrelieren, wäre durch das neuartige Hybridsystem mit exakter Temperaturkontrolle eine weitere Verbesserung der Behandlungsergebnisse möglich.
Die fokussierte Erwärmung von Tumoren ermöglicht zudem den gezielten Transport von Wirkstoffen über wärmeempfindliche Nanopartikel. Diese zirkulieren nach Verabreichung so lange in der Blutbahn, bis sie das erwärmte Tumorgewebe erreichen und dort schlagartig ihren Wirkstoff freisetzen. Diese Technologie ermögliche eine bis zu 15-fach höhere Wirkstoffkonzentration im Tumorgewebe, ohne dabei die Nebenwirkungen auf den Körper zu erhöhen.
In wieweit dieser Therapieansatz auch die Behandlungsergebnisse bei anderen bösartigen Erkrankungen verbessern kann, ist offen. In Kooperation mit verschiedenen Fachbereichen wird derzeit multizentrisch in Deutschland und Polen die vergleichende Therapie-Studie HEAT bei Bauchspeicheldrüsenkrebs durchgeführt.
Literatur
Issels RD et al.: JAMA Oncol 2018;4:1-10.
Deutsche Gesellschaft für Neurologie | Neue Glioblastom-Therapie mit einigen Fragezeichen
Eine Studie, bei der bösartige Hirntumoren (Glioblastome) mit speziellen «Wechselstromhauben» behandelt wurden, hat bei vielen schwer kranken Patienten neue Hoffnungen geweckt. «Bei der Anwendung dieser sogenannten Tumortherapiefelder gibt es jedoch noch einige offene Fragen», betont Prof. Wolfgang Wick, Sprecher der Deutschen Gesellschaft für Neurologie. Es gelte, möglichen Vorteile der neuen Therapie in die Praxis zu bringen, aber auch, unrealistische Hoffnungen zu vermeiden.
Die Hauben erzeugen elektrische Wechselfelder, die sogenannten Tumortherapiefelder (TTF), welche durch die Schädeldecke abgegeben werden mit dem Ziel, die Teilung von Krebszellen zu verhindern. Annähernd 700 Patienten mit einem neu diagnostizierten Glioblastom hatten an der Studie teilgenommen, die von dem Hersteller der Hauben initiiert wurde. Demnach überlebten Patienten, die eine solche Haube trugen, im Durchschnitt 20,9 Monate gegenüber 16 Monaten für Patienten unter der Standardbehandlung. Betrachtet man das progressionsfreie Überleben, so waren es mit TTF 6,7 Monate und ohne 4,0 Monate (nach Abschluss der Strahlen- und konkomitanten Chemotherapie). Als Nebenwirkungen gab es unter den TTF Hautreizungen bei etwa der Hälfte der Patienten. Während der Studie waren die Patienten in häufigem Kontakt mit medizinisch-technischen Firmenvertretern.
«Wir sehen in den TTF Potenzial; möglicherweise sind sie eine sinnvolle Behandlungsergänzung», sagt Prof. Uwe Schlegel, einer der federführenden Autoren für die Leitlinie «Hirntumoren» der DGN. «Für eine abschließende Bewertung ist jedoch eine vom Hersteller der Geräte unabhängige Studie wichtig.» Für die Systeme werde intensiv geworben. «Eine eindeutige Empfehlung können wir jedoch nicht abgeben, bevor die positiven Resultate aus der aktuellen, vom Hersteller finanzierten Untersuchung von einer weiteren, unabhängigen Arbeitsgruppe im Vergleich zu einer Placebo-Behandlung bestätigt werden», betont Wick.
Literatur
Stupp R et al.: JAMA 2017;318:2306-2316.
Universität Basel | Hilfe übers Internet verbessert Lebensqualität von Krebspatienten
Eine Krebsdiagnose bedeutet immer auch eine massive psychische Belastung. Insbesondere in der schwierigen Zeit unmittelbar nach der Diagnose werden nur wenige Betroffene psychologisch professionell unterstützt.
Um Menschen mit Krebsleiden in dieser schwierigen Situation zu erreichen und ihnen eine niederschwellige Möglichkeit zum Umgang mit der Belastung anzubieten, haben Forscher der Universität Basel und des Universitätsspitals Basel das Online-Stressmanagement-Programm STREAM («Stress aktiv mindern») entwickelt.
Über acht Wochen werden den Anwender mittels Informationen, individuellen Übungen und spezifischen Anleitungen Strategien aufgezeigt, wie sie den Umgang mit der Krebserkrankung bewältigen können. Dazu loggen sich die Anwender über einen persönlichen, anonymen Zugang ein. Einmal pro Woche findet zudem über eine integrierte E-Mail-Plattform ein schriftlicher Austausch mit einem Psychologen statt.
Eine begleitende Studie zeigt, dass das webbasierte Beratungs- und Betreuungsangebot die Lebensqualität der Betroffenen signifikant verbessert und der erlebte Stress deutlich reduziert werden konnte.
Insgesamt wurden 129 Patientinnen und Patienten aus der Schweiz, Deutschland und Österreich innerhalb von 12 Wochen nach Beginn ihrer Krebstherapie in eine Interventions- oder Kontrollgruppe eingeteilt. Letztere erhielt erst nach acht Wochen Wartefrist Zugang zum Programm, was einen Vergleich der beiden Gruppen ermöglichte.
Die Personen, welche das STREAM-Programm absolviert hatten, schätzten ihre Lebensqualität deutlich besser ein als die Kontrollgruppe. Auch der negative Stress ging in der Online-Gruppe signifikant stärker zurück als in der Kontrollgruppe.
«Die Ergebnisse zeigen, dass eine webbasierte Selbsthilfe mit regelmäßigem E-Mail-Kontakt zu Psychologen das Potenzial hat, neu diagnostizierte Krebspatienten effizient zu unterstützen und somit ihre Behandlung entscheidend zu verbessern», kommentiert Prof. Viviane Hess, Professorin für Medizinische Onkologie und leitende Ärztin der Onkologie in Basel.
Literatur
Urech C et al.: J Clin Oncol 2018;DOI:10.1200/JCO.2017. 74.8491.