Einleitung: Umfragen zufolge ist die Anwendung von komplementären und alternativen Heilverfahren (complementary and alternative medicine, CAM) bei Patienten mit malignen Erkrankungen stark verbreitet. CAM-Verfahren stören möglicherweise die Metabolisierung der tumorspezifischen Therapie. Die Kommunikation über die Anwendung komplementärer und alternativer Heilverfahren bei hämatologischen/onkologischen Patienten zwischen Patienten, Anbietern von CAM und Onkologen ist jedoch gering. Patienten und Methoden: Alle Patienten der hämatologischen/onkologischen Tagesklinik des Universitätsklinikums Regensburg erhielten einen Fragebogen zum Ausfüllen. Anschließend erfolgte eine Durchsicht der Akten aller CAM-Anwender. Ergebnisse: Die Fragebögen von 1016 Patienten wurden ausgewertet. Von diesen verwendeten 30% CAM, hauptsächlich in Form von Vitaminen und Mikronährstoffen. Die wichtigsten Informationsquellen über CAM-Methoden waren Ärzte, Heilpraktiker sowie Freunde und Angehörige. CAM-Therapien wurden überwiegend von Ärzten (29%), gefolgt von Heilpraktikern (14%) und den Patienten selbst (13%) durchgeführt. Zwar waren 62% der CAM-Anwender der Ansicht, ihr Onkologe könne über ihre CAM-Therapie Bescheid wissen, doch fand sich nur in 41% der Fälle ein entsprechender Eintrag in der Patientenakte. Schlussfolgerung: Komplementäre und alternative Heilverfahren werden von hämatologischen/onkologischen Patienten häufig angewendet. Eine systematische Kommunikation über CAM ist unabdingbar, um etwaige Arzneimittelinteraktionen zu vermeiden.

Hintergrund

Interaktionen zwischen der anti-tumoralen Therapie und Nahrungsergänzungsmitteln und Phytotherapeutika sind ein häufiges Thema im onkologischen Alltag. Die Autoren haben in ihrer 2011 an der Universitätsklinik Regensburg durchgeführten Umfrage einen spezifischen Fokus auf diese Substanzen gesetzt, was diese Umfrage von anderen, allgemeineren abhebt. Zudem hatten sie mit 72% eine hohe Rücklaufrate, auch wenn ihnen in einigen Items sehr viele Daten fehlen. Zu Recht weisen die Autoren darauf hin, dass die erfassten Inanspruchnahmeraten nicht mit Umfragen, die auch nicht-medikamentöse komplementärmedizinische Verfahren einschließen, verglichen werden können.

Studienergebnisse und Kritik

Ergebnis der Umfrage war, dass viele Patienten Nahrungsergänzungsmittel oder Phytotherapeutika nutzten (Tab. 1). Der Einfluss der erfragten Substanzen ist natürlich stark abhängig von der aktuellen Therapie des Patienten, dem Therapieziel (z.B. kurativ, palliativ) und der eingenommenen Dosis. Im Rahmen der Dosis kann auch die Ernährung, z.B. durch vermehrte Zufuhr von Antioxidantien, zu einer relevanten Dosiserhöhung beitragen. Dieser Aspekt wird von den Autoren leider weder erwähnt noch diskutiert. Da die erhobenen Daten bereits von 2011 sind, uni-zentrisch erhoben wurden und der kulturelle Hintergrund der Patienten nicht beschrieben ist, ist auch nicht ganz klar, inwieweit die Ergebnisse heute noch aktuell sind und sich auf eine deutschlandweite Population übertragen lassen.

Table 1

Von Patienten genutzte Vitamine/Phytotherapeutika (nach [1])

Von Patienten genutzte Vitamine/Phytotherapeutika (nach [1])
Von Patienten genutzte Vitamine/Phytotherapeutika (nach [1])

Das aus meiner Sicht wirklich spannende Ergebnis ist, dass fast 92% der Patienten (167/182), die die Einnahme komplementärmedizinischer Präparate angaben, einer Weitergabe der Information an ihren Onkologen zustimmten. Dies passt gut mit dem im Rahmen des KOKON-Projektes [2] evaluierten Bedürfnis zusammen, dass Patienten gerne von ihren behandelnden Ärzten über das Thema Komplementärmedizin informiert werden möchten.

Fazit für die Praxis

Die Frage nach Interaktionen von Medikamenten mit Phytotherapeutika und Nahrungsergänzungsmitteln ist in der Onkologie ein wichtiges Thema. Leider gibt es, insbesondere zu neueren Therapeutika, immer noch zu wenig wissenschaftliche Erkenntnisse, um Patienten gut zu beraten. Zudem ist es wichtig, das Thema in Zukunft breiter zu betrachten und auch die Ernährungsanamnese zu berücksichtigen. Grundsätzlich ist es aber notwendig, Empfehlungen für den jeweiligen Patienten an seinen individuellen therapeutischen und sozialen Kontext anzupassen.

Disclosure Statement

Hiermit erkläre ich, dass keine Interessenskonflikte in Bezug auf den vorliegenden Kommentar bestehen.

1.
Hierl M, Pfirstinger J, Andreesen R, et al.: Complementary and alternative medicine: a clinical study in 1,016 hematology/oncology patients. Oncology;DOI:10.1159/000464248.
2.
KOKON: Kompetenznetz Komplementärmedizin in der Onkologie. www.kompetenznetz-kokon.de (abgerufen: 17.08.2017).
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