Zusammenfassung
Im Rahmen dieser retrospektiven monozentrischen Studie untersuchten wir das Überleben von 320 Patienten mit multiplem Myelom (MM), die zwischen 1996 und 2012 eine Hochdosis-Chemotherapie mit Melphalan (HDCT) sowie entweder eine autologe Einzel-Stammzelltransplantation (n = 286) oder eine autologe Tandem-Stammzelltransplantation (n = 34) (ASCT) erhalten hatten. Darüber hinaus beurteilten wir den Einfluss neuer Induktionstherapieschemata. Die mediane Follow-up-Dauer betrug 67 Monate, die mediane Gesamtüberlebensdauer (overall survival, OS) 62 Monate, das mediane progressionsfreie Überleben (progression-free survival, PFS) 33 Monate (95%-KI 27-39) und die behandlungsbezogene Mortalität (treatment-related death, TRD) 3%. In der multivariaten Analyse zeigte sich, dass Alter ≥ 60 Jahre (p = 0,03) und Stadium 3 gemäß International Staging System (p = 0,006) ungünstige Risikofaktoren in Bezug auf das PFS sind. Das mediane OS fiel bei neu diagnostizierten MM-Patienten, die eine Induktionstherapie mit neuartigen Wirkstoffen wie beispielsweise Bortezomib, Thalidomid oder Lenalidomid erhalten hatten, signifikant besser aus als unter dem herkömmlichen Therapieschema (69 vs. 58 Monate; p = 0,01). Mehr Patienten erreichten im Zeitraum von 2005 bis 2012 mindestens eine sehr gute partielle Remission als im Zeitraum von 1996 bis 2004 (65% vs. 30%; p < 0,001) und das mediane OS war im späteren Zeitraum länger (71 vs. 52 Monate, p = 0,027). Insgesamt bestätigt unsere Untersuchung, dass die HDCT-ASCT eine effektive Therapiestrategie in einer unselektierten großen Kohorte von Myelom-Patienten darstellt und aufgrund neuartiger Induktionsstrategien mit einer niedrigen TRD-Rate und verbesserten Prognose verbunden ist.
Transfer in die Praxis von Joanna Blocka (Heidelberg)
Hintergrund
Hochdosischemotherapie mit Melphalan gefolgt von autologer Stammzelltransplantation gilt seit mehr als 30 Jahren als Standardtherapie für Patienten mit neu diagnostiziertem und in vielen Fällen rezidiviertem bzw. gegenüber konventioneller Therapie refraktärem multiplem Myelom (MM) [1,2]. Durch die Optimierung der Melphalandosis, verbesserte Infektprophylaxe und -therapie sowie durchdachte Patientenselektion liegt die transplantationsbedingte Mortalität aktuell bei ca. 3%. Des Weiteren sind klinische, laborchemische sowie therapeutische Faktoren bekannt, die das progressionsfreie (progression-free survival, PFS) und/oder das Gesamtüberleben (overall survival, OS) der autolog transplantierten Patienten positiv oder negativ beeinflussen. Zu diesen Merkmalen gehören unter anderem: Ansprechen auf die Hochdosischemotherapie und Durchführung einer Tandemtransplantation (prognostisch günstige Faktoren) sowie Vorhandensein der genetischen Hochrisiko-Aberrationen, hoher β2-Mikroglobulinspiegel, niedriges Hämoglobin und erhöhte LDH (prognostisch ungünstige Faktoren). Die Einführung der modernen Therapeutika wie z.B. Proteasominhibitoren oder Immunmodulatoren sowie - in Deutschland bislang nur im Rahmen klinischer Studien - deren Kombination mit monoklonalen Antikörpern in der Induktionstherapie ermöglicht das Erreichen einer tiefen Remission bereits vor der Hochdosischemotherapie. Des Weiteren wurde im März dieses Jahres in Deutschland eine PFS-verlängernde Erhaltungstherapie mit Lenalidomid nach der autologen Stammzelltransplantation aufgrund der Ergebnisse zweier Phase-III-Studien zugelassen. Kürzlich wurden zudem gepoolte Daten einer Drei-Studien-Metaanalyse veröffentlicht, die einen signifikanten Gesamtüber- lebensvorteil durch die Lenalidomid-Erhaltungstherapie zeigten.
Studienergebnisse
Die retrospektive, monozentrische Analyse von 320 autolog transplantierten MM-Patienten von Thoennissen et al. hebt einige wichtige prognostische Faktoren hervor und thematisiert die Relevanz der modernen Kombinationstherapie bereits in der Induktion. Unter den klinischen und laborchemischen Parametern zeigten sich ein Alter ≥ 60 Jahre und Grad 3 nach International Staging System (ISS) prognosebestimmend im Sinne eines kürzeren PFS. Ein wichtiges Ergebnis ist das schlechtere OS von Patienten, die mehr als ein Induktionsregime erhielten. Es ist unklar, aus welchem Grund die Induktionstherapie jeweils umgestellt wurde. Man könnte jedoch vermuten, dass Patienten, die gegenüber (verschiedenen) Induktionstherapien refraktär sind, eine insgesamt schlechtere Prognose bei möglicherweise aggressiverer Erkrankungsform aufweisen. Zudem wurde im Einklang mit anderen Publikationen [3] auch in diesem Artikel der prognostische Einfluss des Therapieansprechens (partielle Remission oder schlechter versus mindestens sehr gute partielle Remission) nach der Hochdosischemotherapie betont.
Fazit für die Praxis
Heutzutage erfolgt die Induktionstherapie - sowohl außerhalb als auch im Rahmen klinischer Studien - häufig in der onkologischen Praxis. Der niedergelassene Kollege steht somit vor dem Problem, die für den Patienten individuell geeignetste Behandlung zu wählen. Zudem ist der heimatnah behandelnde Onkologe oft der erste, der entscheidet, ob ein Patient überhaupt als «transplantabel» gilt.
Durch den Einsatz neuer Medikamente wie Bortezomib (z.B. als VCD-Schema in Verbindung mit Cyclophosphamid und Dexamethason) oder die Behandlung im Rahmen einer klinischen Studie ist es möglich, unseren Patienten eine moderne Kombinationstherapie wie VRD (Velcade (Bortezomib), Revlimid (Lenalidomid), Dexamethason) mit Hinzugabe eines monoklonalen Antikörpers bereits in der Induktion anzubieten. Es gibt keine eindeutige Kontraindikation für eine Hochdosischemotherapie bei älteren (≥ 60 Jahre) Patienten, statistisch gesehen weisen diese Personen jedoch ein kürzeres PFS auf.
Disclosure Statement
Hiermit erkläre ich, dass keine Interessenskonflikte in Bezug auf den vorliegenden Kommentar bestehen.