Zusammenfassung
Hintergrund: Das duktale Adenokarzinom des Pankreas (PDAC) ist eine hochgradig aggressive maligne Erkrankung mit einer medianen 5-Jahres-Überlebensrate von <8%. Zum Zeitpunkt der Diagnosestellung liegen bei der großen Mehrheit der Pankreaskarzinompatienten bereits entweder Metastasen oder ein lokal fortgeschrittener Tumor vor. Trotz relativ geringer Wirksamkeit war die Gabe von Gemcitabin lange Jahre die chemotherapeutische Strategie der ersten Wahl bei fortgeschrittenem PDAC. In den letzten 5 Jahren hat sich jedoch das Verständnis der Karzinogenese im Pankreas dramatisch verbessert, und entsprechend stehen auch bedeutend mehr therapeutische Optionen zur Verfügung. Zusammenfassung: Mit dem FOLFIRINOX-Protokoll und der Kombination aus Gemcitabin und nab-Paclitaxel haben zwei neuartige Chemotherapie-Schemata Einzug in den klinischen Alltag gehalten, die das Gesamtüberleben bei palliativer Anwendung um 4-5 Monate verlängern. Kürzlich ist die Erkenntnis hinzugekommen, dass bei beiden Schemata Modifikationen und bei älteren Patienten Dosisanpassungen ohne wesentliche Einbußen bei der Wirksamkeit möglich sind. Zusätzlich haben innovative Applikationsstrategien wie z.B. mit Nanopartikeln fusioniertes liposomales Irinotecan zusammen mit 5-FU/LV nach Vorbehandlung mit Gemcitabin überzeugende Ergebnisse erbracht. Aktuell laufende präklinische und klinische Studien untersuchen die Wirksamkeit und Verträglichkeit neuartiger Wirkstoffe, die auf die Inhibition wichtiger inflammatorischer Signalwege (z.B. JAK-STAT) oder der Desmoplasie im Umfeld des Tumors abzielen. Mit Blick auf die nähere Zukunft erscheinen immunvakzinatorische Ansätze oder die Inhibition von Immun-Checkpoints , insbesondere in Kombination mit epigenetischen Wirkstoffen, als vielversprechende Strategien bei fortgeschrittenem PDAC. In diesem praxisorientierten Artikel geben wir einen Überblick über den gegenwärtigen Standard und fassen die neuesten aussichtsreichen Fortschritte bei der zytostatischen PDAC-Therapie zusammen. Wichtigste Punkte: 1) FOLFIRINOX und nab-Paclitaxel/Gemcitabin als Erstlinienbehandlung verlängern das Überleben von Patienten mit fortgeschrittenem PDAC signifikant; 2) die Wahl des passendsten Behandlungsschemas richtet sich nach dem Allgemeinzustand des Patienten, seinen Komorbiditäten sowie der Toxizität; 3) PDAC-Patienten profitieren von einer Zweitlinien-Chemotherapie; die Wahl des bestgeeigneten Therapieschemas richtet sich hierbei nach dem Erstlinien-Therapieschema sowie patientenspezifischen Kriterien; 4) künftige Behandlungsstrategien bei fortgeschrittenem PDAC berücksichtigen das molekulare Tumorprofil und andere Biomarker.
Transfer in die Praxis von Prof. Dr. Dr. Andreas Stephan Lübbe (Bad Lippspringe)
Studienergebnisse
Der Artikel von Ellenrieder et al. beschreibt kurz und prägnant die State-of-the-Art-Entwicklung hinsichtlich systemischer Therapiemaßnahmen beim fortgeschrittenen Pankreaskarzinom. Relevante Studien werden zitiert und die Überlebensraten oder krankheitsfreien Progressionszeiten dargestellt. Immer wieder zeigt sich, dass sich trotz aller Bemühungen die Verbesserung des Überlebens nur im Bereich von wenigen Wochen abspielt.
Kritik
Vor diesem Hintergrund hätte man erwarten müssen, dass wenigstens einmal in diesem Artikel der Begriff «Palliativmedizin» fällt. Auch legt dieser Artikel sein Augenmerk ausschließlich auf unter Umständen minimale Überlebenszeitverbesserungen, was sicherlich auch das Anliegen der Autoren war. Zugleich hätte man wenigstens in der Rubrik «Perspectives» erwarten dürfen, dass die sehr geringen Überlebenszeitverbesserungen der Lebensqualität und dem Patientenwillen gegenübergestellt werden. Zwar findet in einer Studie der Vergleich zwischen einer Chemotherapie und der «best supportive care» statt, doch wurde «best supportive care» nirgendwo definiert und unterliegt der jeweiligen klinischen Gruppe. Wenn nun also das in der CONKO-003-Studie eingesetzte 5-FU/LV + Oxaliplatin lediglich 4,8 Monate Überlebenszeitgewinn verspricht gegenüber 2,3 Monaten im Rahmen von «best supportive care», so wäre natürlich interessant gewesen, was sich hinter «best supportive care» bei den Kollegen Pelzer und Schwaner [1] verborgen hat. Nicht zuletzt hat sich ja gerade bei anderen Tumorentitäten (hier richtungsweisend Temel et al. [2]) gezeigt, dass der frühe Einsatz palliativmedizinischer Werkzeuge bei fortgeschrittenen und zum Tode führenden Erkrankungen gegenüber der rein onkologischen Therapie (Chemotherapie) sogar zu einem Überlebenszeitgewinn (von einigen Monaten) führt. Hintergrund dessen ist nicht nur, dass bei besserer Symptomkontrolle bessere Körperkräfte ein längeres Überleben garantieren, sondern dass die frühzeitige Beendigung einer Chemotherapie (und damit das Vermeiden einer Übertherapie) nach professionellen und palliativmedizinischen Kriterien, verbunden mit einer Aufklärung des Patienten, zum Überlebenszeitgewinn beigetragen hat. Gerade beim fortgeschrittenen Pankreaskarzinom wäre wenigstens dieser Aspekt erwähnenswert gewesen.
Fazit für die Praxis
Die Situation von Patienten mit fortgeschrittenem Bronchialkarzinom im Stadium IV und einer durchschnittlichen Lebenserwartung von 9 Monaten ist nicht viel anders als die von Patienten mit fortgeschrittenem Pankreaskarzinom und einer vergleichbar kurzen Lebenserwartung. Dass bei der Bewertung unterschiedlicher Chemotherapiekonzepte neben den Verbesserungen von «survival» und «progression free survival» bestenfalls noch die Toxizität Erwähnung findet, aber weder Lebensqualität noch andere das Leben des Patienten berührende Parameter, schmälert die ansonsten gute Zusammenfassung existierender chemotherapeutischer Vorgehensweise bei dieser Patientenklientel.
Disclosure Statement
Hiermit erkläre ich, dass keine Interessenskonflikte in Bezug auf den vorliegenden Kommentar bestehen.