Pflanzliche Arzneimittel haben in der medizinischen Versorgung im deutschsprachigen Raum eine lange Tradition, werden aber bei der Erstellung medizinischer Leitlinien selten berücksichtigt. In einer Vorstudie wurde von unserer Arbeitsgruppe aufgearbeitet, in welchem Ausmaß sie in den aktuellen interdisziplinär, evidenz- und konsensusbasiert erstellten S3-Leitlinien der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) Beachtung gefunden haben. Ziel der jetzigen Studie war es, zu analysieren, inwieweit Neben- bzw. Wechselwirkungen von pflanzlichen Arzneimitteln in diesen S3-Leitlinien diskutiert werden. Im Januar 2015 wurden 134 S3-Leitlinien gezählt und analysiert. 27,6% (n = 37) weisen insgesamt 194 Statements unter dem Begriff «Phytotherapie» auf. Hinweise zu Neben- und Wechselwirkungen finden sich in 28,4% der Statements (n = 55), die bei 13,9% (n = 27) durch Literatur belegt werden. 14 dieser Statements betreffen Nahrungsergänzungsmittel und Ähnliches, 11 sind pauschale Aussagen zur Phytotherapie, 7 fassen mindestens 2 Arzneipflanzen pauschal zusammen. Damit weisen nur 23 Statements auf Neben- bzw. Wechselwirkungen von einzelnen Arzneipflanzen hin, 14 davon sind mit Literaturstellen belegt. Diese Ergebnisse entsprechen bei Weitem nicht den geforderten Standards der AWMF. Dafür verantwortlich sind insbesondere unpräzise Begrifflichkeiten sowie eine unzureichende Systematik bei der Suche nach wissenschaftlicher Evidenz für die Unbedenklichkeit von Arzneipflanzen-Zubereitungen. Die Gesellschaft für Phytotherapie kann hier einen wichtigen Beitrag zur Qualitätsverbesserung leisten. Aus Forsch Komplementmed 2016;23:154-164 (DOI:10.1159/000446573)

Insbesondere in der Onkologie führen mögliche Interaktionen von Phytotherapeutika und Nahrungsergänzungsmitteln mit der Tumortherapie zu Verunsicherung seitens des Behandlungsteams und der Patienten. Verlässliche Informationen sind zu diesem Thema nur teilweise vorhanden und oft auch nicht so einfach zugänglich. S3-Leitlinien gelten in der Medizin als qualitätsgesicherte Quelle für evidenz- und konsensusbasierte Empfehlungen. Genau diese wurden von den Autoren analysiert. Auch wenn man sich von dem Artikel eine sehr viel detaillierte Darstellung der Ergebnisse und vor allem auch eine Unterscheidung in medizinische Fachbereiche erhofft hätte, weist er doch auf ganz wesentliche Probleme hin: Das Thema wird insgesamt zu wenig adressiert und wenn es bearbeitet wurde, ist die Qualität der Information oft nicht gut. Dies hat sicherlich auch mit der fehlenden Fachexpertise in den jeweiligen Kommissionen zu tun. Das zeigt u.a. das Bespiel, in dem Nahrungsergänzungsmittel, die ja nicht unbedingt nur pflanzliche Bestandteile beinhalten, den Phytotherapeutika zugeordnet wurden.

Die Wirkmechanismen und das Interaktionspotential von Phytotherapeutika und Nahrungsergänzungsmitteln sind komplex und wie beispielsweise beim Johanniskraut können unterschiedliche Präparate ganz unterschiedliches Interaktionspotential haben. Aus diesem Grund sind pauschale Äußerungen zu Phytotherapie oder Pflanzen nicht zu empfehlen. Stattdessen sollten wie bei allen anderen Inhalten einer S3-Leitlinie differenzierte und mit guter Literatur belegte Empfehlungen gemacht werden.

Die Frage, wie Medikamente mit Phytotherapeutika und Nahrungsergänzungsmitteln interagieren, ist besonders im Bereich der Onkologie von zunehmender Relevanz. Genau aus diesem Grund ist es wichtig, dass die Informationen in Leitlinien enthalten sind und eine hohe Qualität haben. Hier ist viel Potential für Verbesserung gegeben, auch was die Einbeziehung von Experten auf diesem Feld betrifft.

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