Hintergrund und Ziele: Cisplatin-induzierte Nephrotoxizität betrifft vorrangig die proximalen Tubuli; die tubuläre Schädigung beeinträchtigt wiederum die glomeruläre Filtrationsrate. Niedrigerer Blutdruck führt zur Hypoperfusion der Niere, was eine ischämische akute Nierenschädigung (ANS) begünstigt. In diesem Beitrag untersuchen wir den Zusammenhang zwischen renaler Hypoperfusion infolge von niedrigerem Blutdruck und durch Cisplatin induzierter Nephrotoxizität. Methoden: Der Zusammenhang zwischen Cisplatin-Therapie und Hypoalbuminämie ist nicht geklärt. In dieser Studie erhielten japanische Patienten am Fujita Health University Hospital zwischen April 2006 und Dezember 2012 Cisplatin als Erstlinien-Chemotherapie. Hypoalbuminämie war definiert als Serumalbumin ≤ 3,5 mg/dl. Ergebnisse: Patienten, bei denen während der Chemotherapie ein herabgesetzter Blutdruck gemessen wurde, wurden in die Gruppe mit niedrigerem Blutdruck eingeteilt (n = 229), die anderen kamen in die Gruppe mit normalem Blutdruck (n = 743). Die Cisplatin-Gesamtdosis in der Gruppe mit normalem und der mit niedrigerem Blutdruck betrug 58,9 ± 23,8 bzw. 55,0 ± 20,4 mg/m2. In der Gruppe mit niedrigerem Blutdruck war die Rate schwerer Nephrotoxizität höher und die Gesamtüberlebenszeit kürzer als in der Gruppe mit normalem Blutdruck. Eine multivariate Analyse ergab eine signifikante Korrelation zwischen niedrigerem Blutdruck und Hypoalbuminämie. Schlussfolgerungen: Um eine ischämische ANS zu vermeiden, sind Ernährung und Kachexiekontrolle wichtige Bestandteile der Versorgung von Krebspatienten. Übersetzung aus Oncology 2016;90:313-320 (DOI: 10.1159/000446371)

Die Cisplatin-induzierte Nephrotoxizität wird nach den Daten dieser Studie durch niedrigen Blutdruck und niedriges Serum-Albumin verstärkt. Das unterstreicht die Notwendigkeit der peniblen Prophylaxe mit Hydratation, Normalisierung des Flüssigkeitsvolumens (Euvolämie), Dosisanpassung von Cisplatin und der Patientenauswahl. Zur Verringerung der Cisplatin- induzierten Nephrotoxizität müssen sowohl eine akute tubuläre Schädigung als auch ein prärenales Nierenversagen vermieden werden.

Die Methoden zur Nephroprotektion bei Cisplatin-Therapie sind in vielen Protokollen und Protokollsammlungen nicht auf dem aktuellen Stand, sodass Maßnahmen verwendet werden, die nicht hilfreich sind oder die Nierenfunktion noch weiter verschlechtern können.

Die Leitlinien der European Society of Clinical Pharmacy (ESCP) Special Interest Group (SIG) on Cancer Care empfehlen bei einer Cisplatin-Therapie das nachfolgende Vorgehen [1]:

Vor der Applikation:

(1) Bestimmung der glomerulären Filtrationsrate oder Kreatinin-Clearance nach der aMDRD oder Cockcroft-Gault-Formel

(2) Sicherstellen, dass eine Euvolämie besteht.

Dosierung von Cisplatin:

Die Cisplatin-Dosierung sollte entsprechend der Nierenfunktion des Patienten angepasst werden; Cisplatin sollte langsam infundiert werden.

Eine wichtige Rolle kommt der Hydratation zu:

• Es sollte eine physiologische (Kochsalz-) Lösung verwendet werden, die eine starke Diurese auslöst (s.u. Kommentar zum Ersatz der 0,9% NaCl-Lösung)

• Der Urinfluss sollte 3-4 l/24 h am Vortag und die nächsten 2-3 Tage betragen.

• Es sollten keine Diuretika, weder Mannitol noch Furosemid, verwendet werden.

Vorgehen nach der Anwendung:

• Wenn machbar, sollte der Serum-Kreatinin-Wert 3-5 Tage nach Ende des aktuellen Therapiezyklus bestimmt werden.

• Magnesium im Serum sollte regelmäßig kontrolliert und bei Bedarf supplementiert werden.

• Die gleichzeitige Gabe nephrotoxischer Substanzen wie z.B. Aminoglykoside, nichtsteroidaler antiinflammatorischer Substanzen (NSAR wie Diclofenac u.a.), jodhaltiger Kontrastmittel, Zoledronat, etc. sollte vermieden werden.

• Erneute Bestimmung der Nierenfunktion vor dem nächsten Therapiezyklus.

Kritisch anzumerken ist bei dieser Leitlinie, dass 0,9% NaCl zur Hydratation empfohlen wird. Es gibt Daten, die zeigen, dass durch 0,9% NaCl die Nierendurchblutung verschlechtert wird und weitere schwerwiegende Nebenwirkungen auftreten können [2]: renale Vasokonstriktion mit Abnahme der GFR und damit der Diurese mit der Gefahr einer Nierenschädigung, Suppression der Plasma-Renin-Aktivität mit Abfall des Blutdrucks, Hyperchlorämie mit Hyperhydratation und ihren negativen Folgen, hyperchlorämische Azidose, Hypernatriämie [3]. Statt 0,9% NaCl sollte eine balancierte isotone kristalloide Elektrolytlösung verwendet werden.

Auf der Basis dieser Erkenntnisse, ergänzt durch onkologisches Erfahrungswissen [4], wird ein standardisiertes Protokoll zur Hydrierung bei Patienten mit ≥ 50mg/m² Cisplatin vorgeschlagen, bei dem zusätzlich Magnesium und Kalium substituiert wird (Tab. 1,2). Dieses Protokoll beschreibt die Standard-Prophylaxe der Cisplatin-Therapie in der Datenbank Onkopti® (www.onkopti.de; onkopti@onkodin.de) [5]. Hier erhält der Anwender nach Registrierung Zugriff auf nach Krankheiten sortierte Therapieprotokolle. Die Nutzung der vollständigen und umfangreichen Protokolle als PDF-Datei, der Export in MS Excel oder in das Anwendungsprogramm Cato sind kostenpflichtig.

Table 1

Standard-Prophylaxe der Cisplatin-Therapie an Tag 1 in der Datenbank Onkopti® (www.onkopti.de)

Standard-Prophylaxe der Cisplatin-Therapie an Tag 1 in der Datenbank Onkopti® (www.onkopti.de)
Standard-Prophylaxe der Cisplatin-Therapie an Tag 1 in der Datenbank Onkopti® (www.onkopti.de)
Table 2

Supportive Therapie: Magnesium p.o. in der Datenbank Onkopti® (www.onkopti.de)

Supportive Therapie: Magnesium p.o. in der Datenbank Onkopti® (www.onkopti.de)
Supportive Therapie: Magnesium p.o. in der Datenbank Onkopti® (www.onkopti.de)
1.
Launay-Vacher V, Rey JB, Isnard-Bagnis C, et al.: Prevention of cisplatin nephrotoxicity: state of the art and recommendations from the European Society of Clinical Pharmacy Special Interest Group on Cancer Care. Cancer Chemother Pharmacol 2008;61:903-909.
2.
Chowdhury AH, Cox EF, Francis ST, et al.: A randomized, controlled, double-blind crossover study on the effects of 2-L infusions of 0.9% saline and plasma-lyte® 148 on renal blood flow velocity and renal cortical tissue perfusion in healthy volunteers. Ann Surg 2012;256:18-24.
3.
Zander R: Abschied von 0,9 % NaCl. www.physioklin.de/physiofundin/ detailfragen-infusionsloesungen/abschied-von-09-nacl.html (Zugriff 6.9.2016).
4.
Bokemeyer C, Sökler M, Schmoll H-J, et al.: Begleittherapie bei Cisplatin; in Schmoll H-J, Höffken K, Possinger K (eds): Kompendium Internistische Onkologie: Standards in Diagnostik und Therapie. Berlin, Springer, 2006, pp 6642-6644.
5.
Link H, Wickenkamp A, Huber J, et al.: Übersicht - Onkopti®-Protokolle für die Chemo- und Supportivtherapie im Internet. Tumordiagn Ther 2015;36:81-84.
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