Zusammenfassung
Die Immunevasion ist als Schlüsselstrategie für das Überleben und die Progression von Tumoren anerkannt. Darum werden derzeit verschiedene Ansätze untersucht, die darauf abzielen, die antitumorale Immunantwort wiederherzustellen. Insbesondere Wirkstoffe, die gezielt gegen Immun-Checkpoints wie CTLA-4 oder PD-1 gerichtet sind, zeigen Potenzial für eine Verbesserung der Tumoransprechraten und Überlebensraten bei Lungenkrebspatienten. Nachdem die ersten immunmodulatorischen Substanzen die Zulassung zur Behandlung ausgewählter Lungenkrebspatienten erhalten haben, sind die Erwartungen groß, dass die Behandlungsergebnisse sich durch die Einbindung der Immuntherapien in die verschiedenen Behandlungskaskaden verbessern lassen.
Einleitung
Es ist seit Langem bekannt, dass das Immunsystem eine zentrale Rolle bei der Prävention von Tumorerkrankungen spielt; unter anderem durch die spezifische Erkennung und Eliminierung von Tumorzellen anhand von tumorspezifischen Antigenen, die diese exprimieren, oder von Molekülen, die durch zellulären Stress induziert werden. Hierbei sind also sowohl Mechanismen der angeborenen als auch der adaptiven Immunabwehr beteiligt [1]. Mit der kürzlich erfolgten Zulassung von Nivolumab als erstem Vertreter einer neuen Wirkstoffklasse zur Behandlung von fortgeschrittenem plattenepithelialem nicht-kleinzelligem Bronchialkarzinom (NSCLC; non-small cell lung cancer) erlebt das Konzept der Immuntherapie bei Lungenkrebs einen neuen Aufschwung. Nivolumab gehört zur Wirkstoffklasse der sogenannten Checkpoint-Inhibitoren; dieser immuntherapeutische Ansatz beruht darauf, ein inhibitorisches Signal an T-Lymphozyten zu unterdrücken und so die Aktivierung dieser Zellen zu ermöglichen und ihre zytotoxische Aktivität gegen Tumorzellen anzuregen [2]. Darüber hinaus ist ein breites Spektrum weiterer Behandlungsstrategien entwickelt worden, die darauf abzielen, eine antitumorale Reaktion des Wirtsorganismus zu fördern. Zu diesen Ansätzen zählen Antikörper (gegen Tumorantigene), adoptiver Zelltransfer und andere passive Immuntherapien ebenso wie, an vorderster Front der klinischen Forschung in diesem Bereich, aktive Immuntherapien wie zielgerichtete Substanzen gegen Immun-Checkpoints oder Impfstrategien.
Tumorvakzinen
Bisherige Vakzinationsstudien haben bei Untergruppen von Patienten in frühen klinischen Phasen begrenzten klinischen Nutzen gezeigt. Die meisten Impfstrategien in der Lungenkrebstherapie beruhen auf dem Einsatz von antigenspezifischen Vakzinen und Tumorzellvakzinen [3]. Zu den Zielantigenen, die derzeit am häufigsten in klinischen Studien untersucht werden, zählen MUC1 (mucinous glycoprotein-1), MAGE-A3 (melanoma-associated antigen 3) - ein Protein, das fast ausschließlich auf Tumorzellen exprimiert wird und bei NSCLC in 24-50% aller Tumoren vorliegt -, verschiedene Ganglioside sowie der Signalweg des epidermalen Wachstumsfaktor-Rezeptors [3,4].
Die liposomale Tumorvakzine BLP25 (Tecemotid, L-BLP25, Stimuvax®, Merck KGaA, Darmstadt) ist gegen MUC1 gerichtet, ein Molekül, das normalerweise auf der apikalen Oberfläche Mucin sezernierender Epithelzellen exprimiert wird, mit aberrantem Glycosylierungsmuster jedoch auch auf Tumorzellen [5]. Eine Post-hoc-Analyse einer unverblindeten Studie der Phase II bei 171 Patienten mit NSCLC im Stadium IIIB oder IV und chemoradiotherapeutischer Vorbehandlung deutete auf einen Überlebensvorteil unter der L-BPL25-Vakzine hin (Median 30,6 vs. 13,3 Monate in der L-BLP25- vs. Kontrollgruppe; Hazard Ratio (HR) 0,55; p = 0,092) [6]. Häufige unerwünschte Ereignisse in der Verumgruppe waren grippeähnliche Symptome und geringfügige Reaktionen an der Einstichstelle. In einer neueren Phase-III-Studie (START) bei Patienten mit NSCLC im Stadium III, die nach sequenzieller oder gleichzeitiger Radiochemotherapie progressionsfrei waren, konnte hingegen kein signifikanter Unterschied im Überleben zwischen einer Erhaltungstherapie mit L-BLP25-Vakzine (n = 829) und Placebo (n = 829) festgestellt werden (Median 25,6 bzw. 22,3 Monate; HR 0,88, 95%-Konfidenzintervall (KI) 0,75-1,03; p = 0,123) [7]. Eine explorative Subgruppenanalyse erbrachte zwar interessante Ergebnisse in Form eines Überlebensvorteils bei 829 Patienten unter gleichzeitiger Radiochemotherapie (Median 30,8 vs. 20,8 Monate; HR 0,78, 95%-KI 0,64-0,95; p = 0,016), doch bisher unveröffentlichte Ergebnisse einer planmäßigen Analyse einer randomisierten Phase-I/II-Studie bei japanischen Patienten mit NSCLC im Stadium III, die eine gleichzeitige oder sequenzielle Radiochemotherapie erhalten hatten, belegen keinen signifikanten Nutzen im Hinblick auf das Gesamtüberleben (OS; overall survival) oder das progressionsfreie Überleben (PFS; progression-free survival) für L-BPL25 im Vergleich zu Placebo. Einer kürzlich erschienen Pressemitteilung zufolge wurde die klinische Entwicklung von L-BPL25 bei NSCLC daraufhin weltweit eingestellt.
Das MAGE-A3-Antigen ist als weitere mögliche Zielstruktur für die Vakzination untersucht worden. Auf der Grundlage vielversprechender Phase-II-Daten wurden im Rahmen einer Phase-III-Studie (MAGRIT) insgesamt 2272 Patienten mit vollständig reseziertem, MAGE-A3-positivem NSCLC der Stadien IB, II und III A mit oder ohne adjuvante Chemotherapie per Randomisierung der Impftherapie mit MAGE-A3 oder Placebo über einen Behandlungszeitraum von 27 Monaten zugeteilt [8]. Die Behandlung mit den MAGE-A3-Impfungen bewirkte jedoch keine Verlängerung des krankheitsfreien Überlebens (DSF; disease-free survival) im Vergleich zu Placebo; weder in der Gesamtpopulation (Median 60,5 vs. 57,9 Monate; HR 1,024, 95%-KI 0,891-1,177; p = 0,74) noch in der Gruppe der Patienten ohne adjuvante Chemotherapie (Median 58,0 vs. 56,9 Monate; HR 0,970; p = 0,7572).
Schließlich ist noch die allogene Vakzine Belagenpumatucel-L zu nennen; sie enthält 4 bestrahlte allogene NSCLC-Zelllinien, die mit einem gegen TGF-ß2 (transforming growth factor beta 2) gerichteten Plasmid transfiziert sind, um die Immunogenität der Vakzine zu steigern [9]. In einer Phase-III-Studie bei 532 Patienten mit NSCLC im Stadium T3N2-IIIA, IIIB und IV, die nach einer Frontline-Chemotherapie keinen Progress zeigten, bestand beim medianen OS kein signifikanter Unterschied zwischen der Impfung und Placebo (Median 20,3 vs. 17,8 Monate; HR 0,94; p = 0.594) [6; 10]. Bemerkenswert ist hierbei eine vorab definierte Cox-Regressionsanalye, die ergab, dass der Zeitraum von der Randomisierung bis zum Ende der Frontline-Chemotherapie auf einen gewissen Überlebensvorteil bei Patienten im Stadium IIIB/IV hindeutete, die innerhalb von 12 Wochen nach Abschluss der Chemotherapie randomisiert worden waren (Median 20,7 vs. 13,4 Monate; HR 0,75; p = 0,083) und die Vakzination mit Belagenpumatucel-L erhielten. Ähnlich wie in anderen Vakzinationsstudien wurde Belagenpumatucel-L gut vertragen und gab keinen Anlass zu Sicherheitsbedenken.
Checkpoint-Inhibitoren
Die Steuerung der Immunantwort auf ein Antigen beruht auf einem Gleichgewicht zwischen kostimulierenden und inhibitorischen Signalen (den Immun-Checkpoints), die unter normalen Bedingungen von zentraler Bedeutung dafür sind, die Selbsttoleranz aufrechtzuerhalten und eine übermäßig starke, lange und potenziell schädliche T-Zell-Aktivität in peripherem Gewebe zu verhindern [11]. Zielgerichtete Wirkstoffe gegen inhibitorische Checkpoint-Moleküle der Immun-Aktivierungskaskade, die das angeborene Immunsystem des Patienten aktivieren sollen, stehen derzeit im Zentrum der klinischen Entwicklung. Unter den verschiedenen Checkpoint-Inhibitoren, die derzeit untersucht werden, sind Antikörper gegen CTLA-4 (cytotoxic T-lymphocyte-associated antigen 4), PD-1 (programmed death 1 protein) und PD-L1 (programmed death ligand 1) derzeit am weitesten in der klinischen Entwicklung fortgeschritten. Während CTLA-4 ausschließlich auf T-Zellen exprimiert wird und zur T-Zell-Aktivierung bei Erkennung von MHC-Antigen-Komplexen beiträgt, wird der PD-1-Rezeptor auf T-Zellen, B-Zellen und natürlichen Killerzellen exprimiert und kann zentraler innerhalb der Tumor-Mikroumgebung wirken [11,12].
CTLA4-Blockade
In Studien bei therapienaiven Patienten mit fortgeschrittenem NSCLC bewirkte die gestaffelte Anwendung des monoklonalen anti-CTLA-4-Antikörpers Ipilimumab im Vergleich zu einer alleinigen Chemotherapie eine Verbesserung des immunabhängigen PFS (irPFS) (Median 5,7 vs. 4,6 Monate; HR 0,72; p = 0,05) sowie eine Verlängerung des OS (Median 12,2 vs. 8,3 Monate unter alleiniger Chemotherapie; statistisch nicht signifikant) [13]. Die gleichzeitige Gabe von Ipilimumab und einer Chemotherapie hingegen bewirkte nicht das gleiche Maß an klinischem Nutzen (medianes irPFS: 5,5 vs. 4,6 Monate; HR 0,81; p = 0,13). Ebenso ergab eine Studie zum kleinzelligen Lungenkrebs (SCLC) einen irPFS-Vorteil für die gestaffelte Ipilimumab-Therapie, nicht aber für die gleichzeitige Gabe von Ipilimumab in Kombination mit einer platinhaltigen Chemotherapie (Median 6,4 vs. 5,3 Monate; HR 0,64; p = 0,03) [14]. Verbesserungen beim PFS oder OS waren jedoch nicht zu verzeichnen. Derzeit wird in Phase-III-Studien die gestaffelte Ipilimumab-Therapie in Kombination mit Chemotherapie bei Patienten mit Plattenepithel-NSCLC (NCT01285609) bzw. SCLC in fortgeschrittenen, ausgedehnten Stadien (NCT01450761) untersucht. Ein weiterer anti-CTLA-4-Antikörper, Tremelimumab, befindet sich ebenfalls in der klinischen Entwicklung zur Anwendung bei NSCLC in verschiedenen Kombinationen. In einer klinischen Studie der Phase II bei 87 Lungenkrebspatienten zeigte eine Monotherapie mit Tremelimumab zwar keine Überlegenheit gegenüber Best Supportive Care [15], dennoch wird die weitere klinische Evaluierung u.a. zur Kombination von Tremelimumab mit dem Anti-PD-L1-Antikörper MEDI-4736 fortgeführt (z.B. in der Studie NCT01975831).
PD-1-Signalweg
Es liegen Hinweise darauf vor, dass PD-L1 neben vielen anderen soliden Tumorarten auch von NSCLC-Tumorzellen exprimiert wird, wo dieses Merkmal häufig mit erhöhten tumorinfiltrierenden Lymphozyten und einem ungünstigen klinischen Verlauf in Verbindung gebracht worden ist [16]. Derzeit befinden sich mehrere Substanzen, die gegen den PD-1-Rezeptor gerichtet sind und so seine Interaktion mit PD-L1 und PD-L2 verhindern, in der klinischen Entwicklung zur Behandlung von Lungenkrebs.
Nivolumab
Nivolumab ist der erste Antikörper gegen PD-1, der zur Behandlung ausgewählter Patienten mit Lungenkrebs zugelassen wurde. In einer wegweisenden klinischen Studie der Phase III wurden 272 Patienten mit fortgeschrittenem Plattenepithel-NSCLC und mit Progression während oder nach einer Erstlinien-Chemotherapie auf eine Behandlung mit entweder 3 mg/kg Nivolumab oder Docetaxel randomisiert [17]. Das mediane OS war bei den mit Nivolumab behandelten Patienten signifikant länger (Median 9,2 vs. 6,0 Monate; HR 0,59, 95%-KI 0,44-0,79; p < 0,001). Auch das mediane PFS (3,5 vs. 2,8 Monate; HR 0,62; p < 0,001) und die Ansprechrate (20 vs. 9%; p = 0,008) waren unter Nivolumab signifikant überlegen. Bemerkenswert ist hierbei, dass bei der Auswertung von 3 verschiedenen, vorab definierten Cut-off-Werten auf positive Tumorzellen (1, 5 und 10%) das Ausmaß der Expression von PD-L1 weder prognostisch noch prädiktiv für den Therapienutzen war. Therapieassoziierte unerwünschte Ereignisse vom Schweregrad 3 oder 4 traten bei 7% der Patienten in der Nivolumab-Gruppe auf, verglichen mit 55% in der Docetaxel-Gruppe.
In einer weiteren Phase-III-Studie wurden Nivolumab und Docetaxel als Zweitlinientherapie bei 582 Patienten mit NSCLC nicht-plattenepithelialer Histologie verglichen [18]. Auch hier war die Behandlung mit Nivolumab mit einem signifikant längeren OS (Median 12,2 vs. 9,4 Monate; HR 0,73, 95%-KI 0,59-0,89; p = 0,002) und einer höheren Ansprechrate assoziiert (19 vs. 12%; p = 0,02). Beim PFS hingegen bestand kein signifikanter Unterschied (Median 2,3 bzw. 4,2 Monate unter Nivolumab bzw. Docetaxel; HR 0,92; p = 0,39). Darüber hinaus korrelierte in dieser Studie ein positiver PD-L1-Expressionsstatus laut vorab definierten Anteilen exprimierender Tumorzellen (≥ 1, ≥ 5 und ≥ 10%) mit signifikant größerem OS-Benefit, längerem PFS und höhe- ren Ansprechraten. Bei der medianen Dauer des Ansprechens hingegen bestand kein Unterschied zwischen ansprechenden Patienten mit oder ohne PD-L1-positiven Status (Median 18,3 bzw. 16,0 Monate bei PD-L1-Expression < 1 und ≥ 1%, verglichen mit 5,6 Monaten in der Docetaxel-Gruppe).
Auf Grundlage dieser Daten erhielt Nivolumab die Zulassung zur Behandlung von Patienten mit fortgeschrittenem (metastasiertem) Plattenepithel-NSCLC und mit Progression während oder nach einer platinhaltigen Chemotherapie. In den USA ist Nivolumab außerdem zur Behandlung des nicht-plattenepithelialen NSCLC nach Progression unter platinhaltiger Chemotherapie zugelassen, unabhängig vom PD-L1-Expressionsstatus; auch in der EU wird demnächst mit der Zulassung in dieser Indikation gerechnet. Derzeit wird in mehreren klinischen Studien Nivolumab in Monotherapie oder als Kombinationspartner in verschiedenen Settings untersucht, darunter adjuvante Therapie, Erstlinientherapie und Erhaltungstherapie.
Pembrolizumab
In einer großen klinischen Studie der Phase I (KEYNOTE-001) erhielten mehr als 250 vorbehandelte Patienten mit lokal fortgeschrittenem oder metastasiertem NSCLC Pembrolizumab, einen anderen PD-1-Antikörper. Die veröffentlichten Daten deuten auf eine akzeptable Toxizität und antitumorale Aktivität von Pembrolizumab in Monotherapie (Gesamtansprechrate (ORR; overall response rate) 9-23%) sowohl bei PD-L1-positiven als auch bei PD-L1-negativen Patienten hin [19], bei einem vielversprechenden medianen PFS (Median 10 Wochen, 95%-KI 9,1-15,3 Wochen) und einem medianen OS von 8,2 Monaten (95%-KI 7,3 Monate - nicht erreicht) bei den vorbehandelten Patienten.
Nachfolgend wurden in einer randomisierten, unverblindeten Studie der Phase II/III 1034 Patienten mit vorbehandeltem NSCLC und PD-L1-Expression auf mindestens 1% der Tumorzellen der Behandlung mit Pembrolizumab in 2 verschiedenen Dosierungen (2 oder 10 mg/kg) oder mit Docetaxel alle 3 Wochen zugeteilt [20]. Im Vergleich zu Docetaxel (Median 8,5 Monate) war das OS unter Pembrolizumab in beiden Dosierungen signifikant länger (2 mg/kg: Median 10,4 Monate; HR 0,71; p = 0,0008 bzw. 10 mg/kg: Median 12,7 Monate; HR 0,61; p < 0,0001), während beim medianen PFS kein Unterschied vorlag (Pembrolizumab 2 mg/kg: 3,9 Monate; Pembrolizumab 10 mg/kg: 4,0 Monate; Docetaxel: 4,0 Monate). Therapieassoziierte unerwünschte Ereignisse vom Schweregrad 3-5 traten bei den mit Pembrolizumab behandelten Patienten seltener auf (Pembrolizumab 2 mg/kg: 13%; Pembrolizumab 10 mg/kg: 16%; Docetaxel: 35%). Hierbei ist hervorzuheben, dass insbesondere bei den Patienten mit PD-L1-Expression auf mindestens 50% der Tumorzellen der Überlebensvorteil größer war (Pembrolizumab 2 mg/kg: Median 14,9 Monate; HR 0,54; p = 0,0002 bzw. Pembrolizumab 10 mg/kg: Median 17,3 Monate; HR 0,50; p < 0,0001) als bei den mit Docetaxel behandelten Patienten (Median 8,2 Monate). Auch war das PFS bei diesen Patienten signifikant länger unter Pembrolizumab (2 mg/kg: Median 5,0 Monate; HR 0,59; p = 0,0001 bzw. 10 mg/kg: Median 5,2 Monate; HR 0,59; p < 0,0001) als unter Docetaxel (Median 4,1 Monate). Mehrere weitere klinische Studien werden derzeit durchgeführt.
Atezolizumab (MPDL3280A)
MPDL3280A ist ein humaner monoklonaler IgG4-Antikörper gegen PD-L1. In einer ersten Expansionsstudie der Phase I zu MPDL3280A (1-20 mg/kg), in die 85 Patienten mit NSCLC plattenepithelialer oder nicht-plattenepithelialer Histologie eingeschlossen wurden, wurde ein bestes ORR nach RECIST-Kriterien bei 23% der Patienten festgestellt, bei einer Krankheitsstabilisierung nach 6 Monaten von 17% [21]. In einer unverblindeten, randomisierten Phase-II-Studie erhielten 287 Patienten mit NSCLC (davon 34% mit plattenepithelialer Histologie) Atezolizumab oder Docetaxel als Zweit- oder Drittlinientherapie [22]. Das OS betrug 12,6 Monate unter Atezolizumab, verglichen mit 9,7 Monaten unter Docetaxel (HR 0,73, 95%-KI 0,53-0,99; p = 0,04), während beim PFS (2,7 Monate unter Atezolizumab vs. 3,0 Monate unter Docetaxel; HR 0,94) und bei der objektiven Ansprechrate (Atezolizumab: 14,6%; Docetaxel: 14,7%) kein Unterschied vorlag. Die Sicherheit war bei Atezolizumab vergleichbar mit anderen Anti-PD-1-Therapien. In dieser Studie wurde die PD-L1-Expression sowohl auf Tumorzellen (TZ) als auch auf tumorinfiltrierenden Immunzellen (IZ) prospektiv ausgewertet und zur klinischen Wirksamkeit in Beziehung gesetzt. Interessanterweise exprimierten bei einigen Tumoren entweder nur die Tumor- oder nur die Immunzellen PD-L1. Insgesamt korrelierte jedoch eine höhere PD-L1-Expression auf Tumorzellen oder tumorinfiltrierenden Immunzellen mit einer stärkeren Verbesserung des OS (z.B. bei hoher PD-L1-Expression mit Scoring-Wert TZ3 oder IZ3: HR 0,49; p = 0,068), während zur Wirksamkeit von Docetaxel keine Assoziation bestand. Zusätzliche explorative Analysen ergaben außerdem bei den mit Atezolizumab behandelten Patienten eine Korrelation zwischen besserem OS und höherer PD-L1-, PD-1-, PD-L2- und B7.1-Genexpression sowie höherer Expression von T-Effektor- und Interferon-γ-Gensignaturen. Inzwischen wurden mehrere weitere Studien der Phasen II und III aufgelegt, sowohl mit unselektierten als auch mit PD-L1-positiven NSCLC-Patienten.
Durvalumab (MEDI4736)
In einer noch laufenden unverblindeten Phase-I-Studie werden die Sicherheit und Wirksamkeit des PD-L1-Antikörpers Durvalumab in einem Dosiseskalationsprotokoll evaluiert, gefolgt von einer Expansions-Kohortenstudie. Bei 13 vorbehandelten NSCLC-Patienten sprechen die bisherigen Beobachtungen zur klinischen Wirksamkeit (3 partielle Remissionen) und zum vorläufigen Sicherheitsprofil für die Fortsetzung der klinischen Weiterentwicklung [23]. Derzeit läuft die Aufnahme von Expansionskohorten für die Studie, um die Sicherheit und Wirksamkeit von Durvalumab bei fortgeschrittenen soliden Tumoren einschließlich Bronchialkarzinomen weiterführend zu untersuchen (NCT01693562). Eine kürzlich publizierte Dosiseskalationsstudie der Phase Ib betrachtet eine Kombinationstherapie mit dem Anti-PD-L1-Antikörper Durvalumab und dem Anti-CTLA-4-Antikörper Tremelimumab bei 102 immuntherapienaiven Patienten mit gesichertem lokal fortgeschrittenem oder metastasiertem NSCLC [24]. Die häufigsten therapieassoziierten unerwünschten Ereignisse vom Schweregrad 3 und 4 waren Diarrhö (11%), Kolitis (9%) und erhöhte Lipasewerte (8%). Drei Todesfälle während der Studie wurden als therapieassoziiert eingestuft (Ursachen: Komplikationen durch Myasthenia gravis, Perikarderguss und neuromuskuläre Erkrankung). Anzeichen von klinischer Wirksamkeit wurden sowohl bei Patienten mit PD-L1-positiven Tumoren als auch bei Patienten mit PD-L1-negativen Tumoren festgestellt, mit einer objektiven Ansprechrate von 23% in der kombinierten Tremelimumab-1-mg/kg-Kohorte. Durvalumab 20 mg/kg alle 4 Wochen plus Tremelimumab 1 mg/kg wurde als Dosis für die derzeit laufenden Phase-III-Studien ausgewählt.
BMS-936559
BMS-936559 ist ein weiterer Antikörper gegen PD-L1, der für den Einsatz in der NSCLC-Behandlung geprüft worden ist. In eine Expansionskohorte einer Phase-I-Studie wurden 75 Patienten mit vorbehandeltem NSCLC aufgenommen [25]. Bei den 49 NSCLC-Patienten mit auswertbaren Daten betrug die ORR 12,5%, mit einer Krankheitsstabilisierung nach 6 Monaten von 12% und einem 6-Monats-PFS von 31%. BMS-936559 wird in der Onkologie nicht mehr erforscht, in virologischen Indikationen hingegen wird sie weitergeführt.
Andere Checkpoint-Inhibitoren
Außerdem sind derzeit mehrere weitere zielgerichtete Wirkstoffe in der Entwicklung, die bei anderen Signalwegen ansetzen, darunter KIR und LAG-3 [26,27]. Diese Substanzen werden entweder in Monotherapie oder in Kombination mit anderen Checkpoint-Inhibitoren geprüft. Daneben stellen kostimulierende Moleküle, die eine entgegengesetzte Wirkung ausüben wie inhibitorische Checkpoints, eine weitere Kategorie vielversprechender Zielmoleküle mit immunmodulatorischer Funktion dar [28].
Sicherheitsprofile immunmodulierender Substanzen
Aufgrund der Besonderheiten des Wirkungsmechanismus von Immunmodulatoren unterscheidet sich auch ihr Sicherheitsprofil von dem anderer antitumoraler Wirkstoffe [29]. So sind z.B. Tumorvakzine mit geringfügigen Nebenwirkungen wie leichtem Fieber oder Reizung an der Injektionsstelle assoziiert, die in der Regel nach wenigen Tagen abklingen. Auch Checkpoint-Inhibitoren, insbesondere PD-1-Antikörper, sind relativ gut verträglich (Tab. 1). Hierbei ist anzumerken, dass ähnlich geartete Nebenwirkungen in diesen Studien in einigen Fällen unterschiedlich benannt wurden, was den Vergleich erschwert. Im Allgemeinen sind Checkpoint-Inhibitoren mit akzeptabler Toxizität assoziiert, insbesondere im Vergleich zu konventionellen Zytostatika. Die meisten immunologischen unerwünschten Ereignisse sind typischerweise entzündlicher Art und reversibel [30]. Die wichtigsten unerwünschten Ereignisse bei Checkpoint-Inhibitoren sind Diarrhö/Kolitis, Pneumonitis und erhöhte Leberenzymwerte [13,30,31]. Gegen den PD-1-Signalweg gerichtete Wirkstoffe scheinen weniger Toxizität hervorzurufen als solche gegen CTLA-4. Beispielsweise betrug bei der Zweitlinientherapie mit Nivolumab die Rate unerwünschter Ereignisse vom Grad 3 oder 4 bei der Gesamtheit der NSCLC-Patienten 7-10% [17,18]. Insgesamt waren die am häufigsten beobachteten therapieassoziierten unerwünschten Ereignisse unter Nivolumab Müdigkeit (16%), Appetitverlust (10-11%) und Kraftlosigkeit (10%). Außerdem beobachtet wurden Exanthem (4-9%), Pruritus (2-8%), Erythem (1%), Diarrhö (8%), Hypothyreose (4-7%), erhöhte Werte für Alaninaminotransferase oder Aspartataminotransferase (2-3%), infusionsbedingte Reaktionen (1-3%) sowie Alveolitis (3-5%) [17,18]. Daher wurden von Expertengremien Empfehlungen für die Diagnose, die Überwachung und das Management der relevanten Toxizitäten von PD-1-Antikörpern ausgearbeitet [30]. Während der Zeitpunkt des Auftretens nicht vorhersehbar ist (Median 1-6 Monate), sind die große Mehrheit der Ereignisse reversibel, unabhängig vom Zeitpunkt des Auftretens. Allgemeine Behandlungsempfehlungen umfassen die systemische Anwendung von Glukokortidoiden, insbesondere Methylprednisolon oder äquivalenten Substanzen; sie lindern den Großteil der unerwünschten Ereignisse, die durch immunmodulierende Mittel hervorgerufen werden. Nichtsteroidale Immunsuppressiva können in bestimmten Fällen von therapierefraktärer, lang anhaltender Immuntoxizität eine Option sein.
Kombinationen
Angesichts der hochkomplexen Steuerung der Immunantwort durch eine Vielzahl von humoralen und zellulären Wechselwirkungen erscheint es logisch, das Ausmaß der antitumoralen Immunreaktion durch Kombination oder Sequenzierung von Immuntherapien mit anderen Behandlungsstrategien weiter zu vergrößern. Zum Beispiel spricht viel für eine duale T-Zell-Checkpoint-Hemmung durch Blockade von sowohl CTLA-4 als auch PD-1; hier wurden bei Patienten mit fortgeschrittenen Melanomen bereits sehr vielversprechende Ergebnisse erzielt [32]. In Anbetracht der vielfältigen Wechselwirkungen der inhibitorischen Checkpoints im Rahmen verschiedener Signalwege erscheint es sinnvoll, mehrere blockierende Substanzen für verschiedene Checkpoint-Moleküle zu kombinieren, um die antitumorale Immunantwort weiter zu verstärken. Besonders wichtig ist dies vor dem Hintergrund, dass Tumoren häufig mehr als einen Mechanismus entwickeln, um sich der Erkennung durch das Immunsystem zu entziehen. Erste Daten zu NSCLC-Patienten unterstützen eine weitere Evaluierung und belegen Ansprechraten von 22% oder mehr [24,33]; allerdings war auch die Toxizität ausgeprägter als bei beiden Wirkstoffen in Monotherapien. Dennoch wird dieser Ansatz derzeit in mehreren Phase-III-Studien geprüft. Alternativ werden Kombinationen mehrerer Tumorvakzinen untersucht, um über die Bildung antitumoraler T-Zellen und Checkpoint-Inhibitoren eine T-Zell-Anergie zu verhindern. Mehrere Checkpoint-Inhibitoren werden außerdem in Kombination mit einer Chemotherapie beim NSCLC untersucht, mit der zugrunde liegenden Hypothese, dass die Chemotherapie zur Freisetzung von Tumorzell-Antigenen führt und dies wiederum zur verstärkten Aktivierung des Immunsystems. In ähnlicher Weise werden Kombinationen aus Antikörpern gegen PD-1 oder PD-L1 mit einer Strahlentherapie untersucht. Nicht zuletzt wirken mehrere gegen Rezeptoren gerichtete Substanzen auch auf Rezeptortyrosinkinasen, die auf Suppressorzellen myeloischen Ursprungs wie c-KIT sowie VEGFR-1 (vascular endothelial growth factor receptor 1) exprimiert werden;; somit sind auch diese Substanzen als Immunmodulatoren vielversprechend [34]. Von besonderem Interesse könnten Kombinationen aus Immuntherapien mit Antiangiogenese-Therapien sein. Der VEGF übt auch starke immunregulatorische Effekte aus, z.B. hemmt er die Differenzierung und Reifung von dendritischen Zellen aus hämatopoetischen Vorläuferzellen [35].
Derzeit werden all diese Ansätze in klinischen Studien bei Lungenkrebspatienten untersucht; die veröffentlichten Ergebnisse sind bisher jedoch begrenzt. Neben dem potenziellen Nutzen deuten die bisher vorliegenden Daten darauf hin, dass auch die Potenzierung toxischer Nebenwirkungen möglich ist, was Kreis der Patienten, für den diese kombinatorischen Ansätze in Frage kommen, eingeschränken könnte.
Prädiktive Marker für die Behandlung mit immunmodulierenden Substanzen
Eine biomarkerbasierte Vorauswahl der Patienten, die auf eine Immuntherapie ansprechen werden oder nicht, würde eine unnötige Exposition gegenüber den potenziell dauerhaften und lebensbedrohlichen Folgen immunologischer Toxizität vermeiden und die finanzielle Belastung der Gesundheitssysteme durch diese kostspieligen Therapien verringern. In den meisten klinischen Studien korrelierte die PD-L1-Expression mit dem klinischen Nutzen von Antikörpern gegen PD-1 und PD-L1. Im Fall von Nivolumab korrelierte die PD-L1-Expression nur beim nicht-plattenepithelialen NSCLC mit verbesserter klinischer Aktivität; bei den anderen Substanzen wurde dieser Frage bisher nicht nachgegangen. In einer systematischen Literaturrecherche zum NSCLC mit nicht-plattenepithelialer Histologie wurden objektive Ansprechraten von 29% und 11% bei PD-L1-positiven bzw. -negativen Patienten ermittelt, mit einer signifikanten Odds Ratio von 3,78 [36]. Im Gegensatz dazu war die Odds Ratio für die PD-L1-Expression beim Plattenepithel-NSCLC nicht signifikant (1,49).
Dennoch profitieren auch PD-L1-negative Patienten mit nicht-plattenepithelialem NSCLC von diesen Therapien, wenn auch in etwas geringerem Maße. Daneben sind auch die möglichen Auswirkungen vorausgehender Therapien auf die PD-L1-Expression und somit der Zeitpunkt und Ort der Biopsie noch Gegenstand der Diskussion. Auch leidet die Vergleichbarkeit der immunhistochemischen PD-L1-Daten unter mangelnder Standardisierung und Validierung, da unterschiedliche Anti-PD-L1-Antikörper, Methoden und Reagenzien verwendet worden sind [37]. Zusätzlich erschwert wird die Interpretation der Daten durch unterschiedliche subzelluläre Lokalisationen (Membran vs. Zelloberfläche vs. Zytoplasma) und die unklare Rolle der PD-L1-Expression in Immunzellen (tumorinfiltrierende Lymphozyten und Makrophagen) in der Mikroumgebung des Tumors [36]. In einer Phase-II-Studie erwies sich die prospektive Auswertung der PD-L1-Expression auf Tumorzellen und tumorinfiltrierende Immunzellen als unabhängig prädiktiv für ein verlängertes OS unter einem anti-PD-L1-Antikörper [22]. Nicht zuletzt sind, wie bereits vorstehend erwähnt, weitere Marker wie die PD-L2-Expression oder T-Effektorzell- und Interferon-γ-Gensignaturen mit einer Verlängerung des OS nach Behandlung mit Anti-PD-L1-Antikörpern in Verbindung gebracht worden.
Grundsätzlich bleibt die Ermittlung des optimalen Cut-off-Werts für das Expressionsniveau (z.B. von PD-L1) ein kritischer Punkt: Je höher man den Cut-off für die PD-L1-Expression ansetzt, desto wahrscheinlicher profitieren die Behandelten, allerdings wird auch nur ein entsprechend kleinerer Anteil der Patienten behandelt, die von der Behandlung mit Anti-PD-1- oder Anti-PD-L1-Antikörpern hätten profitieren können [38]. Zusätzlich erschwert wird die Entscheidung dadurch, dass diese Antikörper in Monotherapie im Allgemeinen deutlich besser vertragen werden als eine Chemotherapie, was für eine breitere Anwendung dieser Substanzen sprechen würde. Ein Vergleich der verschiedenen diagnostischen Tests für Checkpoint-Inhibitoren und Outcome-Daten wird dringend benötigt und wird derzeit erarbeitet, z.B. von der International Association for the Study of Lung Cancer (IASLC) und der American Association for Cancer Research [38].
Schlussfolgerung
Es besteht dringender Bedarf an neuartigen Therapien, die bessere Behandlungsergebnisse bei Lungenkrebs ermöglichen. Immuntherapien haben sich bereits als wichtige Option für die Zweitlinientherapie beim NSCLC mit plattenepithelialer Histologie etabliert. Sowohl für Nivolumab als auch Pembrolizumab wird im ersten Halbjahr 2016 die Zulassung erwartet. Nivolumab hat außerdem bereits eine positive Stellungnahme vom Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) erhalten, in der das Gremium die Anwendung des Arzneimittels bei lokal fortgeschrittenem oder metastasiertem nicht-plattenepithelialem NSCLC nach vorheriger Chemotherapie empfiehlt. Darüber hinaus laufen derzeit mehrere Studien zu verschiedenen anderen Settings der Erstlinien- und Erhaltungstherapie, über die Anwendung im Stadium III nach Radiochemotherapie bis hin zur adjuvanten Therapie nach Resektion. Auch verschiedene Kombinationstherapien werden untersucht. Jedoch sind auch wichtige Fragen noch offen, unter anderem zur Standardisierung der Beurteilung prädiktiver Marker, deren Anwendung in der klinischen Praxis sowie zu den sprunghaft ansteigenden Behandlungskosten.
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