Hintergrund: Annähernd 50% aller Fälle von Magenkrebs werden im fortgeschrittenen Stadium (advanced gastric cancer; AGC) diagnostiziert. In diesen Fällen wird palliativ behandelt, die Ergebnisse sind jedoch schlecht. Das mediane Gesamtüberleben (overall survival; OS) von AGC-Patienten beträgt oft <12 Monate. Unklar ist, ob ein früher Therapiebeginn bei allen AGC-Patienten von Nutzen ist. Methoden: Wir führten eine retrospektive Analyse der AGC-Patienten in unserer Datenbank durch. Die Patienten wurden in 2 Gruppen unterteilt: asymptomatisch und symptomatisch. Wir untersuchten, ob bei den asymptomatischen Patienten der verzögerte Beginn einer systemischen Therapie von Nachteil war. Ergebnisse: Insgesamt wurden 135 Patienten analysiert. Sie waren mehrheitlich symptomatisch (68%), männlich (67%) und hatten einen niedrigen ECOG-Score (0-1; 85%). In univariaten Analysen waren ein ECOG-Performance-Status von 0 (p = 0,005), ein verzögerter Therapiebeginn (p = 0,03) und Symptomfreiheit (p = 0,03) mit einem längeren OS assoziiert. Im multivariaten OS-Modell erwies sich nur der ECOG-Performance-Status als unabhängiger Prognosefaktor für ein längeres OS (p = 0,02). Bei den asymptomatischen Patienten mit verzögertem Beginn der systemischen Therapie (≥4 Wochen) betrug die OS-Rate nach 1 Jahr 77%, verglichen mit 58% bei den Patienten mit Therapiebeginn innerhalb von 4 Wochen (p = 0,47). Schlussfolgerung: Symptomatische AGC-Patienten zeigten einen ungünstigeren Verlauf als asymptomatische AGC-Patienten. Die Verzögerung des Behandlungsbeginns bei asymptomatischen Patienten wirkte sich nicht negativ auf das OS aus, was darauf hindeutet, dass der Zeitpunkt des Therapiebeginns nach der Patientenauswahl ausgerichtet werden kann. Übersetzung aus Oncology 2015;89:215-220 (DOI: 10.1159/000434647)

Die hier kommentierte Arbeit von Elimova et al. ist wichtig, weil hier 2 unterschiedliche Philosophien im Hinblick darauf aufeinandertreffen, zu welchem Zeitpunkt Patienten mit fortgeschrittenem Tumorleiden einer onkologischen Therapie unterzogen werden sollten. Die Limitationen der Untersuchung (retrospektive Analyse, möglicher günstiger klinischer Verlauf in Subgruppen, monozentrische Untersuchung) werden in der Diskussion korrekterweise angesprochen. Und doch stellt sich immer wieder die Frage, ob sofort mit der Diagnosestellung eines fortgeschrittenen Krebsleidens eine Behandlung beginnen sollte.

Bei dieser Untersuchung ging es um Patienten mit fortgeschrittenem Magenkrebs-Leiden, die in 2 Gruppen unterteilt wurden, von denen die eine mit einem guten Performance-Status etwa 7 Wochen später eine Behandlung erhielt (Operation und/oder Chemotherapie) und die andere zum Zeitpunkt der Diagnose. Die Art der Behandlung war in beiden Gruppen gleich, doch nach 1 Jahr lebten noch 61% der Patienten in der Gruppe, in der die Behandlung später begonnen wurde; in der Frühbehandlungsgruppe waren es nur 35%. Auch die Überlebenszeit war in der Spätbehandlungsgruppe länger. Die mittlere Zeit, die verging, bevor die Gruppe mit besserem Performance-Status behandelt wurde, betrug 7 Wochen. Um wie viel länger die Überlebenszeit in der Spätbehandlungsgruppe tatsächlich war, ergibt sich aus der Arbeit leider nicht.

Nach der Diagnose eines fortgeschrittenen Tumorleidens erfordert es Mut, nicht sogleich mit einer Behandlung zu beginnen. Traditionelle Vorgehensweisen bestehen eher darin, dem Patienten nach der Diagnosestellung ein Behandlungsangebot zu machen, und ein guter allgemeiner Zustand wird nicht selten als Kriterium für eine gute Toleranz des Patienten der Behandlung gegenüber verstanden. In diesem Sinne könnte auch argumentiert werden, dass, wenn sich der allgemeine Zustand eines Patienten durch die Krebserkrankung verschlechtert, er umso weniger gut einer Behandlung zugeführt werden kann und schließlich dass dann eine weniger aggressive Therapie letztlich einen schlechteren Verlauf (Gesamtüberleben usw.) nach sich zieht. Diese Arbeit beweist das Gegenteil oder deutet zumindest auf Vorteile einer differenzierten Vorgehensweise hin. Mit der Arbeit von Temel et al. [1], nach der eine frühzeitige Einbeziehung palliativmedizinischer Maßnahmen nicht nur dem Patienten besser tut als eine spätere, hat sich gezeigt, dass sogar die Überlebenszeit höher war als in der Gruppe, in der die Palliativmedizin spät integriert wurde.

Bei der Palliativmedizin geht es um die Lebensqualität am Lebensende und die Berücksichtigung der individuellen Wünsche in dieser Zeit. Möglichst wenige aggressive Behandlungen und möglichst wenige Krankenhausaufenthalte werden allgemein in einer solchen Zeit bevorzugt. Wird ein Patient mit fortgeschrittenem Tumorleiden diagnostiziert und befindet er sich in einem guten allgemeinen Zustand und bringt man den Mut auf, mit der Behandlung zu warten, um dem Patienten die Gelegenheit zu geben, noch für ihn wichtige Dinge zu erledigen, um erst später mit einer nicht weniger aggressiven Behandlung zu beginnen, wenn seine Beschwerden zunehmen, kann offensichtlich sogar die Überlebenszeit verbessert werden.

Somit unterstützt die Arbeit von Elimova et al. andere Studien, die eine differenzierte Vorgehensweise am Lebensende befürworten, und widerspricht einem blinden, schnellen und aggressiven onkologischen Vorgehen.

1.
Temel JS, et al: Early palliative care for patients with metastatic non-small-cell lung cancer. N Engl J Med 2010;363:733-742.
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