Abstract
Hintergrund: Bei Bronchoskopien werden für die Diagnostik peripherer Lungenläsionen zunehmend kleine Biopsiezangen verwendet. Unklar ist jedoch, ob Formalin-fixierte und in Paraffin eingebettete Gewebeproben, die mit einer kleinen Zange entnommen wurden, für die Genotypbestimmung geeignet sind, die jedoch bei Patienten mit nichtkleinzelligem Lungenkarzinom für die Planung des weiteren Vorgehens unentbehrlich geworden ist. Ziele: Das Ziel dieser Studie war die Beurteilung der Durchführbarkeit und Treffsicherheit von molekularen Tests an Proben, die mit einer kleinen 1,5-mm-Biopsiezange gewonnen wurden. Methoden: Wir untersuchten Proben von 91 Patienten, die an unseren früheren 3 Studien zum Nutzen dünner Bronchoskope teilgenommen hatten und bei denen auf der Grundlage einer Bronchoskopie mit der 1,5-mm-Biopsiezange ein nichtkleinzelliges Lungenkarzinom diagnostiziert und anschließend eine chirurgische Resektion vorgenommen worden war. Ein erfahrener Pathologe untersuchte verblindet die durch bronchoskopische Biopsie bzw. chirurgische Resektion gewonnenen, in Paraffin eingebetteten Proben auf Mutationen des epidermalen Wachstumsfaktor-Gens (epidermal growth factor receptor; EGFR), Rearrangements des Anaplastische-Lymphomkinase(ALK)-Gens sowie KRAS-Mutationen. Ergebnisse: Die chirurgisch gewonnenen Proben zeigten bei 25 Patienten (27%) eine EGFR-Mutation, bei 2 (2%) ein ALK-Rearrangement und bei 5 (5%) eine KRAS-Mutation. Die Testung von EGFR, ALK und KRAS in den bronchoskopischen Proben war bei 82 (90%), 86 (95%) bzw. 83 Patienten (91%) durchführbar. In den Fällen, in denen die Tests durchführbar waren, betrug die Quote richtiger Testergebnisse für EGFR, ALK und KRAS in den bronchoskopisch gewonnenen Proben 98, 100 bzw. 98%. Schlussfolgerung: Die Ergebnisse der molekularen Testung von mit kleiner Zange gewonnenen, Formalin-fixierten und in Paraffin eingebetteten Proben, bei denen der Genotyp auswertbar war, korrelierten gut mit denen der chirurgisch entnommenen Proben. Übersetzung aus Oki M, et al: Feasibility and accuracy of molecular testing in specimens obtained with small biopsy forceps: comparison with the results of surgical specimens. Respiration 2015;89:235-242 (DOI: 10.1159/000369860)
Experten-Kommentar
Mutationstestung beim Lungenkarzinom - Was brauche ich wirklich?
Die Behandlung des Lungenkarzinoms hat sich relevant verändert durch die Entdeckung von sogenannten onkogenen Treibermutationen und die Möglichkeit, diese Alterationen durch spezifische, zielgerichtete Medikamente zu beeinflussen. Prominente Beispiele für solche Treibermutationen sind die «Epidermal-growth-factor-receptor»(EGFR)-Mutation oder die Transfusion des Proteins «echinoderm microtubule-associated protein-like 4» (EML4) mit der Anaplastischen Lymphomkinase (ALK).
Entscheidend für die Möglichkeit dieser zielgerichteten Therapie ist eine strukturierte Diagnostik aller Patienten mit einem nichtplattenepithelialen Lungenkarzinom, wie sie mittlerweile von verschiedenen nationalen und internationalen Fachgesellschaften empfohlen wird. Allerdings stoßen wir gerade beim Lungenkarzinom immer wieder an diagnostische Grenzen was die Verfügbarkeit von Gewebe für die molekulare Testung angeht, da das Lungenkarzinom in der Regel bronchoskopisch mit technisch bedingt relativ kleinen Biopsien diagnostiziert wird.
Nun haben Oki et al. in ihrer hier vorgestellten Arbeit 2 sehr wichtige Fragen bearbeitet: 1) Lassen sich auch mit sehr kleinen Biopsien, wie wir sie beispielsweise bei der Biopsie eines peripheren Lungenrundherds gewinnen, suffiziente molekulare Diagnostiken durchführen, und 2) sind die Ergebnisse dieser Analysen vergleichbar mit den Ergebnissen molekularer Analysen von großen, chirurgisch gewonnenen Biopsaten?
Letztendlich konnten Oki et al. 91 Patienten untersuchen, bei denen sowohl kleine bronchoskopisch gewonnene Proben als auch chirurgische Biopsien zur Verfügung standen. Bei mehr als 90% der kleinen Biopsieproben konnte in der Tat eine suffiziente molekulare Analyse durchgeführt werden, und die Ergebnisse aus diesen Proben stimmten sehr gut mit den Ergebnissen aus den chirurgischen Proben überein. Wichtig ist bei dieser Arbeit, dass die Analyse aus Japan stammt, einem Land, in dem die Häufigkeit von Treibermutationen deutlich höher ist als in westeuropäischen Ländern, was uns einen besseren Überblick über die Erfassung der «positiven» molekularen Ereignisse gibt.
Dieses Ergebnis ist von großer Bedeutung für unsere diagnostische Praxis, da es belegt, dass eine komplette molekulare Lungenkarzinom-Diagnostik auch an kleinen Biopsien durchgeführt werden kann, sofern eine Mindestzahl an Tumorzellen in der Biopsie enthalten ist. Darüber hinaus gibt es auch eine stetig wachsende Zahl an Analysen, die zeigen, dass neben histologischen auch zytologische Proben, wie z.B. Nadelaspirate nach endobronchialem Ultraschall, durchaus für eine molekulare Analyse geeignet sind.
Eine sehr interessante Entwicklung, die sich gegenwärtig in diesem Feld abzeichnet, ist die Diagnostik von onkogenen Alterationen anhand zirkulierender nichtzellgebundener DNA - bezeichnet als «liquid biopsy». Aufgrund der hohen Sensitivität der modernen Analyseverfahren ist davon auszugehen, dass dieser Ansatz in der Zukunft eine wertvolle zusätzliche diagnostische Möglichkeit darstellen wird.
Fazit
Zusammenfassend ist zu sagen, dass die molekulare Diagnostik aufgrund ihrer therapeutischen Bedeutung ein essenzieller Baustein in der Diagnostik des nichtplattenepithelialen nichtkleinzelligen Lungenkarzinoms ist und dass sie auch mit bronchoskopischen Biopsien oder zytologischen Präparaten in guter Qualität durchgeführt werden kann.
Um unseren Patienten die damit verbundenen großartigen therapeutischen Chancen zu ermöglichen, sollten wir daran arbeiten, einen flächendeckenden Zugang zu dieser Diagnostik zu gewährleisten.