Zusammenfassung
Ipilimumab, ein monoklonaler CTLA-4-Antikörper, ist das erste Medikament, das das Gesamtüberleben bei metastasiertem Melanom verbessert hat. Allerdings sind noch Fragen zum Therapieregime offen, z.B. ob eine Erhaltungstherapie notwendig ist, um ein langfristiges Ansprechen zu erzielen. Wir stellen 3 Patienten mit metastasiertem Melanom vor, die nach Progression unter Chemotherapie mit Ipilimumab behandelt wurden. Bei all diesen Patienten führte Ipilimumab zu einer langfristigen Tumorkontrolle über mindestens 32 Monate. Bemerkenswert ist, dass bei allen Patienten eine schwere Autoimmuntoxizität auftrat und die Ipilimumab-Therapie nach 1 bzw. 2 Zyklen abgesetzt wurde. Die hier geschilderten Fälle belegen, dass ein langfristiges Ansprechen auf Ipilimumab ohne Erhaltungstherapie möglich ist.
Einleitung
Die Inzidenz von Melanomen nimmt rapide zu [1]. Jahrzehntelang hatte keine neue Behandlungsoption das Gesamtüberleben bei Patienten mit metastasiertem Melanom verbessern können [2]. Dies änderte sich mit Ipilimumab - der monoklonale Antikörper gegen CTLA-4 verlängert das Gesamtüberleben von Patienten mit metastasiertem Melanom im Median um 2-4 Monate [3]. Doch während bereits gute klinische Erfahrungen mit Ipilimumab vorliegen, sind immer noch Fragen zum Therapieregime und der bestmöglichen Behandlung für die Patienten offen. Die Frage nach der Dosierung - 3 versus 10 mg/kg - wird demnächst durch eine weltweite klinische Studie beantwortet werden. Unklar ist jedoch weiterhin, ob eine Erhaltungstherapie alle 12 Wochen nach Induktionstherapie mit 4 Zyklen Ipilimumab das langfristige Ansprechen begünstigen würde. Die Zulassung von Ipilimumab deckt nur 4 Zyklen alle 3 Wochen ohne Erhaltungsphase ab [3,4].
Fallbericht
Wir berichten über 3 Patienten mit metastasiertem Melanom, die ein langfristiges Ansprechen auf eine Behandlung mit 3 mg/kg Ipilimumab zeigten; zwei von ihnen erreichten sogar eine vollständige Remission. Bei allen Patienten war nach einer Erstlinien-Chemotherapie eine Progression eingetreten, und keiner von ihnen erhielt mehr als 2 Zyklen Ipilimumab; danach musste die Behandlung aufgrund immunologischer Nebenwirkungen vom Schweregrad 3 abgesetzt werden.
Der erste Patient ist ein 77-jähriger Mann, der im November 2007 ein Melanom der Breslow-Dicke von 2,4 mm am Kopf aufwies. Nach 2 Jahren, im November 2009, wurden Fernmetastasen in der Lunge und der Leber diagnostiziert, daher erhielt er 9 Zyklen Dacarbazin als Erstlinientherapie und, nach einer erneuten Progression, ab September 2010 3 mg/kg Ipilimumab im Rahmen eines «Compassionate-Use»-Programms. Aufgrund einer Autoimmun-Colitis vom Schweregrad 3 (common terminology criteria for adverse events; CTCAE), die eine Kortikosteroidtherapie mit täglich 9 mg Budesonid für 7 Wochen erforderlich machte, wurde das Therapieschema geändert. Die Bildgebung zeigte 3 Monate nach Beginn der Ipilimumab-Therapie eine Teilremission; in den folgenden Monaten wurde der Patient ohne weitere Tumortherapie nachbeobachtet. Nach 1 Jahr, im September 2011, klagte der Patient über abnorme Müdigkeit und Übelkeit. Die Untersuchungen ergaben eine Hypophysitis knapp 1 Jahr nach der letzten Behandlung mit Ipilimumab. Unter 40 mg Prednison und Substitution mit 30 mg Hydrocortison täglich besserten sich die Symptome rasch. Regelmäßige Bildgebungen zeigten eine nachfolgende Rückbildung der Metastasen bis hin zu einer vollständigen Remission im Februar 2012. Somit führte Ipilimumab nach nur 2 Zyklen zu einer Vollremission - mit Stabilisierung der Krankheit 2 Jahre nach der letzten Ipilimumab-Infusion. Zusätzlich konnte Ipilimumab knapp 1 Jahr nach der letzten Dosis eine Autoimmun-Hypophysitis induzieren.
Der zweite Patient ist ein 78-jähriger Mann, der im Juni 2003 ein 3 mm dickes Melanom auf der linken Schulter aufwies. Im Juli 2007 gab es erste Belege für Fernmetastasen in der Leber. Der Patient wurde von August bis Oktober 2009 in der Erstlinie mit 3 Zyklen Dacarbazin vorbehandelt, jedoch ohne Wirkung; stattdessen trat eine Progression mit neuen Lungenmetastasen ein. Nach 3 Zyklen Gemcitabin von November 2009 bis Januar 2010 erlitt er eine weitere Progression mit Hirnmetastasen. Daher erhielt er - in Ermangelung besserer Alternativen zu dieser Zeit - von März bis August 2010 eine Drittlinien-Chemotherapie mit Paclitaxel und Carboplatin, bis eine Progression der Lebermetastasen eintrat. Allerdings gab es keine weiteren Anzeichen von Hirn- und Lungenmetastasen. Im Januar 2011 schließlich erhielt der Patient 1 Zyklus Ipilimumab 3 mg/kg. Die Behandlung wurde aufgrund von Autoimmun-Hepatitis vom Schweregrad 3 (CTCAE) abgebrochen. Die Bildgebung zeigte 2,5 Monate nach Behandlungsbeginn eine Teilremission. Daher wurde der Patient nachbeobachtet, und die nachfolgende Bildgebung zeigte eine weitere Verkleinerung des Tumors. Etwa 1 Jahr später, im Januar 2012, bestand der Verdacht auf Progression eines perihepatischen Lymphknotens. Deswegen wurden der verdächtige Lymphknoten sowie 2 stabile Lebermetastasen in demselben Eingriff reseziert (Abb. 1). Interessanterweise ergab die histologische Untersuchung weder im vergrößerten Lymphknoten noch in der Leber Anzeichen für ein Melanom. Der Lymphknoten zeigte eine Reaktivierung mit follikulärer Hyperplasie; die Lebernarben waren von einem Lymphozyteninfiltrat hauptsächlich aus T-Lymphozyten vom Helfer- (CD4+) und zytotoxischen (CD8+) Typ umgeben. Ein (laut CT-Befund) stabiler Gallenpolyp in der Gallenblase hingegen entpuppte sich als Metastase des Melanoms, die ihrerseits mit Lymphozyten infiltriert war (Abb. 1). Somit hatte dieser Patient etwa 1 Jahr nach der Ipilimumab-Behandlung eine Pseudoprogression und ist nun seit Januar 2012 radiologisch tumorfrei.
Der dritte Patient ist ein 52-jähriger Mann, der im April 2010 ein Melanom von 3,5 mm Dicke am linken Oberschenkel aufwies. Aufgrund einer Progression mit Leber- und Dickdarmmetastasen nach 3 Zyklen Dacarbazin von Juni bis Juli 2010 erhielt er im September 2010 3 mg/kg Ipilimumab. Nach 2 Zyklen wurde die Therapie aufgrund einer Autoimmun-Colitis vom Schweregrad 3 (CTCAE) abgesetzt. Die Bildgebung nach 3 Monaten zeigte eine Teilremission, die sich im Lauf der weiteren klinischen Nachbeobachtung schließlich zu einer bis heute anhaltenden Vollremission entwickelte. Hierbei ist anzumerken, dass der Patient noch immer unter Transpiration, Müdigkeit und Diarrhö 3- bis 5-mal täglich leidet. Eine durch Autoimmunmechanismen vermittelte Erkrankung wie Colitis ulcerosa oder Morbus Crohn konnte nicht bestätigt werden. Dennoch zeigt der Patient ein gutes klinisches Ansprechen auf die Behandlung mit 500 mg Mesalazin 1- bis 2-mal täglich.
Diskussion
Bis heute besteht keine Einigkeit darüber, ob für ein lang anhaltendes Ansprechen auf eine Behandlung mit Ipilimumab eine Erhaltungstherapie erforderlich ist. Aggregierte Daten zur Gesamtüberlebenszeit von 1861 mit Ipilimumab behandelten Patienten aus 12 klinischen Studien belegen das Potenzial von Ipilimumab in Bezug auf lange Überlebenszeiten. In diesen Studien wurde eine geschätzte 3-Jahres-Überlebensrate von 22% beobachtet. Interessanterweise erreicht die Überlebenskurve nach etwa 3 Jahren ein Plateau [5]. Die meisten Patienten in den 12 klinischen Studien erhielten entweder eine Erhaltungstherapie oder hatten Gelegenheit zu einer erneuten Behandlung. Zu Immuntherapien bei metastasiertem Melanom liegen aufgrund der eingeschränkten Wirksamkeit anderer Immuntherapien bisher nur begrenzte Erfahrungen vor. Unser Immunsystem besitzt das Potenzial zur gezielten Vernichtung von Pathogenen oder Tumoren ohne Toxizität für das gesunde Gewebe aufgrund der Antigenerkennung. Ein Bestandteil des Immunsystems sind Gedächtnis-T-Zellen, von denen wir wissen, dass sie ein Langzeit-Immungedächtnis noch lange nach dem Kontakt mit einem Antigen darstellen. So kann das Immunsystem bei erneutem Kontakt mit demselben Antigen schnell und wirkungsvoll reagieren [6]. Die hier geschilderten Fälle von lang anhaltendem Ansprechen nach einer Ipilimumab-Therapie stützen die Annahme, dass die durch Ipilimumab geförderte Immunantwort keiner späteren Auffrischung durch weitere Ipilimumab-Dosen bedarf. Bei unseren Patienten waren bereits 1 oder 2 Dosen Ipilimumab ausreichend, um diese lang anhaltenden Reaktionen zu induzieren. Anders verhält es sich offenbar bei durch Impfung induzierten zellulären Immunantworten, die nach der Impfung mit der Zeit schwächer werden und vorübergehender Natur zu sein scheinen, wenn keine Reinduktion vorgenommen wird [7,8]. Allerdings ist auch hervorzuheben, dass unsere Patienten anscheinend langsam progredierende Tumoren hatten, zumal bei ihnen sogar Drittlinientherapien möglich waren. Vor diesem Hintergrund ließe sich die Hypothese aufstellen, dass ein langsam wachsender Tumor mit geringer Tumorlast eine Voraussetzung für das langfristige Ansprechen auf eine Immuntherapie ist. Diese Hypothese wird auch durch andere Fallberichte untermauert, die auf eine Korrelation zwischen dem Langzeitansprechen auf eine Immuntherapie und langen zeitlichen Abständen zwischen Diagnose und Behandlungsbedarf hindeuten [9].
Interessant ist, dass bei allen 3 Patienten Autoimmuntoxizität vom Schweregrad 3 (CTCAE) auftrat. Attia et al. [10] beobachteten eine Gruppe von 56 Patienten mit progressivem Melanom im Stadium IV unter Behandlung mit Ipilimumab, entweder 3 oder 1 mg/kg, bei gleichzeitiger Impfung mit 2 modifizierten HLA-A*0201-restringierten Peptiden aus dem gp100-Melanom-assoziierten Antigen. Die Analyse ergab bei 5 der 14 Patienten (36%) mit Grad-3/4-Autoimmuntoxizität (CTCAE) eine Tumorregression, während von den Patienten ohne Autoimmuntoxizität nur 2 (5%) eine Reaktion zeigten (p = 0,008). Bei Einbeziehung weiterer 5 Patienten mit Autoimmuntoxizität vom Schweregrad 1/2 (CTCAE) in die Auswertung betrug der Anteil der ansprechenden Patienten mit Autoimmuntoxizität 29% (5 von 17) und der Anteil der ansprechenden Patienten ohne Autoimmunität 5% (p = 0,022). Dieser Zusammenhang zwischen Autoimmunität und Wiederauftreten der Krankheit wurde von Sanderson et al. [11] mit einer Serie von 19 Patienten gestützt. Downey et al. [12] beobachteten diese Korrelation sogar bei insgesamt 139 Patienten mit metastasiertem Melanom, die mit Ipilimumab in Verbindung mit Peptid-Impfstoffen oder Peptiden gemäß ihres HLA-A*0201-Status behandelt wurden. Von diesen 139 Patienten entwickelten 86 (62%) irgendeine Form von Autoimmuntoxizität. Von den 50 Patienten mit Autoimmuntoxizität vom Schweregrad 3/4 (CTCAE) zeigten 14 (28%) ein objektives Ansprechen, das im Median 34 Monate lang anhielt. Alle 3 Patienten mit vollständiger Remission litten außerdem unter höhergradiger Toxizität. Insofern war das Auftreten einer immunvermittelten Nebenwirkung signifikant mit der Wahrscheinlichkeit für ein Ansprechen assoziiert (p = 0,0004).
Diese Ergebnisse weisen auf eine mögliche Korrelation zwischen klinischem Tumoransprechen und Autoimmuntoxizität hin, die zu der Annahme führt, dass bei diesen Patienten keine Erhaltungstherapie erforderlich ist. Jedoch sind all diese Daten retrospektive Analysen, und die Daten zum Zusammenhang zwischen klinischem Ansprechen und Autoimmunität erlauben bisher keine abschließenden Aussagen.
Um die Frage zu beantworten, ob bzw. für welche Patienten eine Erhaltungstherapie sinnvoll ist, sollte eine klinische Studie initiiert werden. Unsere Patienten zeigen jedoch, dass mit Ipilimumab ein langfristiges Ansprechen erreicht werden kann, und dies auch nach Jahren ohne weitere Erhaltungstherapie.
Danksagung
Wir danken G. Mechtersheimer, Pathologisches Institut der Universität Heidelberg, für die Bereitstellung der histologischen Proben.
Disclosure Statement
Die Autoren haben keine Interessenkonflikte offenzulegen.