Abstract
Ziele: Es liegen Hinweise darauf vor, dass die langsame Infusion von niedrig dosiertem Irinotecan die antitumorale Aktivität verstärken kann. Eine Phase-II-Studie wurde durchgeführt, um die Sicherheit und Wirksamkeit von oralem S-1 in Kombination mit einer 24-stündigen Irinotecan-Infusion sowie intravenös verabreichtem Bevacizumab bei metastasierendem Kolorektalkarzinom (mCRC) zu beurteilen.Methoden: An der Studie nahmen 79 Patienten mit mCRC teil; 57 von ihnen waren chemotherapienaiv. Irinotecan (125 mg/m2) wurde als Infusion über 24 h an den Tagen 1 und 15 verabreicht, orales S-1 (80 mg/m2) an den Tagen 1-14 und Bevacizumab (5,0 mg/kg) an den Tagen 1 und 15. Diese Behandlung wurde alle 4 Wochen wiederholt.Ergebnisse: Die Nachbeobachtung dauerte im Median 20,0 Monate; die mittlere Anzahl der Zyklen belief sich auf 7. Die Gesamtansprechrate betrug 79,7% (95%-KI 69,2-88,0): 86,0% (95%-KI 74,2-93,7) in der Erstlinien- und 63,6% (95%-KI 40,7-82,8) in der Zweitlinientherapie. Die mediane progressionsfreie Überlebenszeit lag bei 16,4 Monaten (95%-KI 13,9-21,0) in der Erstlinien- und bei 9,4 Monaten (95%-KI 4,9-16,5) in der Zweitlinientherapie. Das mediane Gesamtüberleben wurde nicht erreicht. Als Toxizitäten vom Schweregrad 3-4 traten Neutropenie (43%), Leukopenie (20,3%), Anorexie (19,0%) und Diarrhoe (10,1%) auf. Die Toxizität war tolerierbar.Schlussfolgerungen: Die Kombinationschemotherapie aus oralem S-1 und Irinotecan als 24-Stunden-Infusion alle 2 Wochen plus Bevacizumab scheint bei mCRC hochgradig aktiv und gut verträglich zu sein, sowohl in der Erst- als auch in der Zweitlinien-Chemotherapie.Übersetzung aus Oncology 2015;88 (DOI: 10.1159/000369976)
Originalartikel
A Phase II Trial of Combined Chemotherapy with Oral S-1 and 24-Hour Infusions of Irinotecan plus Bevacizumab in Patients with Metastatic Colorectal Cancer
Sotaro Sadahiro Toshiyuki Suzuki Akira Tanaka Kazutake Okada Gota Saito Akemi Kamijo
Department of Surgery, Tokai University, Isehara, Japan
Transfer in die Praxis
Kolorektale Karzinome (colorectal cancer; CRC) stellen in den industrialisierten Ländern eine der tödlichsten Krebserkrankungen dar. Im metastasierten Stadium lassen sich heute durch sequenzielle Anwendung neuer Kombinationschemo- und Antikörpertherapien Überlebenszeiten von bis zu 30 Monaten erreichen.
Das Rückgrat der palliativen Mono- oder Kombinationschemotherapie ist hierbei ein Fluoropyrimidin. Orale Fluoropyrimidine sollen die Lebensqualität der Patienten verbessern. In der Behandlung metastasierter gastrointestinaler Tumore haben alle 3 verfügbaren oralen Fluoropyrimidine - Capecitabin, UFT (Uracil/Tegafur) und S-1 - therapeutische Wirksamkeit bewiesen. Mehrere Phase-III-Studien konnten die äquivalente Wirksamkeit von oralem Capecitabin und S-1 im Vergleich zu intravenösem 5-Fluoruracil (5-FU) bestätigen.
Im Vergleich zu intravenösem 5-FU und Capecitabin bietet die Therapie mit S-1 Vorteile im Nebenwirkungsspektrum: weniger Hand-Fuß-Syndrome, ein geringeres Risiko für kardiale Nebenwirkungen sowie eine reduzierte gastrointestinale Toxizität. Mehrere Phase-II/III-Studien zum metastasierten kolorektalen Karzinom (mCRC) konnten bestätigen, dass orales S-1 in Kombination mit Irinotecan [1,2] oder Oxaliplatin [3], bei guter Wirksamkeit, eine gut verträgliche Therapie darstellt. Die asiatische SOFT-Studie zeigte zudem, dass die Kombination aus S-1 und Oxaliplatin plus Bevacizumab einer Therapie mit mFOLFOX6 plus Bevacizumab hinsichtlich einer Verbesserung des progressionsfreien Überlebens (PFS) in der Erstlinientherapie des mCRC nicht unterlegen ist [4].
In diese prospektive Phase-II-Studie von Sadahiro et al. wurden zwischen Januar 2011 und Juni 2013 79 Patienten mit mCRC aufgenommen. Alle erhielten eine Kombinationschemotherapie mit Irinotecan, S-1 und Bevacizumab. 57 Patienten (72%) erhielten die Therapie in der Erstlinie und 22 Patienten (28%) in der Zweitlinie. Primärer Endpunkt war die Gesamtansprechrate. Das mediane Follow-up betrug 20 Monate. Die Gesamtansprechrate für Patienten unter Erst- und Zweitlinientherapie lag bei 86% bzw. 64%, das mediane PFS bei 16,4 bzw. 9,4 Monaten. Zum Zeitpunkt der Auswertung war das mediane Gesamtüberleben noch nicht erreicht. Bezüglich der Nebenwirkungen zeigten 43% der Patienten eine Neutropenie vom Grad 3/4, 20,3% eine Leukopenie und 10,1% eine Diarrhoe.
Diese Studie bestätigt die gute antitumoröse Wirksamkeit sowie das günstige Nebenwirkungsprofil von S-1 aus früheren Studien beim mCRC. Die Kombination dieses Therapieregimes mit Bevacizumab ist mit vielversprechenden Ansprechraten und PFS-Werten vergleichbar zu herkömmlichen Chemotherapien plus Antikörpertherapien, bei ausgezeichnetem Sicherheitsprofil.
Dennoch handelt es sich hier um eine nichtrandomisierte Phase-II-Studie, die lediglich 79 Patienten umfasste und S-1 in Kombination mit einer in der westlichen Welt nicht gebräuchlichen Irinotecan-Dauerinfusion untersuchte; eine solche setzt die stationäre Applikation oder die Implantation eines Portsystems voraus.
Fazit und Ausblick
Im Rahmen der Erst- und Zweitlinientherapie des mCRC verlängert Bevacizumab in Kombination mit 5-FU/Leucovorin(LV)/Irinotecan sowie in Kombination mit Capecitabin und Irinotecan das Überleben und das PFS und erhöht die Ansprechrate. Dabei scheint das 3-wöchentliche Therapieprotokoll aus Capecitabin/Irinotecan toxischer zu sein als 5-FU/LV/Irinotecan. Aus diesem Grund hat sich das erstere Behandlungsschema weniger gut etabliert.
Diese Daten zeigen, dass S-1 in Kombination mit einer Irinotecan-Dauerinfusion und Bevacizumab ein gutes Sicherheitsprofil besitzt und beim mCRC effektiv ist. Jedoch sollte diese Therapie in einer nichtasiatischen Bevölkerung als randomisierte Phase-III-Studie weiter überprüft werden.