Zwischen 1999 und 2009 wurden in Großbritannien über 82 000 Männer zwischen 50 und 69 Jahren auf Prostatakrebs getestet, wobei bei etwa 2664 Männern eine lokalisierte Prostatakrebserkrankung diagnostiziert wurde. Von diesen Männern nahmen 1643 an einer Studie teil, um die Wirksamkeit verschiedener Behandlungen zu untersuchen. Ein Teil der Männer wurde der aktiven Überwachung zugeordnet, während andere sich einer Prostatektomie oder Strahlentherapie unterzogen. Nach einer Nachbeobachtungszeit von 15 Jahren wurden die Ergebnisse verglichen, um die Sterblichkeit aufgrund von Prostatakrebs (primärer Endpunkt) sowie Todesfälle jeglicher Ursache, das Auftreten von Metastasen, die Krankheitsprogression und die Einleitung einer langfristigen Androgendeprivationstherapie (sekundäre Endpunkte) zu untersuchen. Es stellte sich heraus, dass die Prostatakrebssterblichkeit trotz unterschiedlicher Behandlungen gering war. Die Wahl der Therapie sollte daher sorgfältig getroffen werden, da es bei lokalisiertem Prostatakrebs eine Abwägung zwischen den Vorteilen und Risiken der verschiedenen Behandlungen gibt.

graphic

Zusammenfassung zu Hamdy FC, Donovan JL, Lane JA, Metcalfe C, Davis M, Turner EL, Martin RM, Young GJ, Walsh EI, Bryant RJ, Bollina P, Doble A, Doherty A, Gillatt D, Gnanapragasam V, Hughes O, Kockelbergh R, Kynaston H, Paul A, Paez E, Powell P, Rosario DJ, Rowe E, Mason M, Catto JWF, Peters TJ, Oxley J, Williams NJ, Staffurth J, Neal DE; ProtecT Study Group: Fifteen-Year Outcomes after Monitoring, Surgery, or Radiotherapy for Prostate Cancer. N Engl J Med. 2023 Apr 27;388(17):1547–1558.

Hintergrund

Das Prostatakarzinom ist die häufigste Krebserkrankung unter Männern in Deutschland. Aufgrund verbesserter Früherkennung nimmt die Diagnose, insbesondere der frühen Risiko-Tumore (niedriger PSA-Wert, Gleason Grade Group I–II, lokalisiertes TNM-Stadium), in den letzten Jahrzehnten stetig zu und stellt damit eine Herausforderung im Management, insbesondere in der Abwägung von Über- vs. Untertherapie, dar. Die ProtecT-Studie hat hierbei wertvolle Erkenntnisse für die klinische Entscheidungsfindung geliefert. Das Studiendesign ermöglichte einen umfassenden Vergleich der drei wichtigsten Behandlungsansätze («Aktives Monitoring», radikale Prostatektomie sowie Strahlentherapie) bei Patienten im frühen lokalisierten Stadium (mit überwiegend Niedrigrisiko-Konstellation) und beleuchtete ihre relative Wirksamkeit, Langzeitergebnisse und Auswirkungen auf die Lebensqualität der Patienten.

Ergebnisse der Studie

Eine der Haupterkenntnisse der Studie war, dass es keinen signifikanten Unterschied in der krebsspezifischen Sterblichkeit (nur ∼3% nach 15 Jahren) zwischen den drei Behandlungsgruppen gab. Dies bestätigt, dass alle drei Ansätze – «aktives Monitoring», radikale Prostatektomie und Strahlentherapie – vernünftige Optionen für Männer mit einem lokalisierten Prostatakarzinom sind. Hierbei ist wichtig zu wissen, dass das aktive Monitoring-Protokoll lediglich PSA-Messungen (im ersten Jahr alle 3 Monate und danach alle 6–12 Monate) vorsah, wobei erst ein Anstieg des PSA-Wertes um 50% eine erneute klinische Überprüfung auslöste. Dies ist demnach nicht mit den heutigen aktiven Überwachungsprotokollen vergleichbar, die neben einer initialen MRT-Bildgebung oft eine fest eingeplante Re-Biopsie der Prostata nach 6–12 Monaten sowie regelmäßige Verlaufsbiopsien alle 2–3 Jahre empfehlen und damit deutlich strengere Einschluss- und Überwachungskriterien haben.

Auch die Auswertung der Gesamtsterblichkeit (∼22% nach 15 Jahren in dieser Kohorte bei Einschluss 50- bis 69-jähriger Männer) ist von großer Bedeutung, da dies potenzielle behandlungsbedingte Nebenwirkungen berücksichtigt, die die Gesundheit und das Überleben der Patienten beeinflussen könnten.

Die ProtecT-Daten legen daher nahe, dass den Niedrigrisiko-Patienten zunächst primär eine Überwachung angeboten werden könnte und sie nur dann behandelt werden sollten, wenn ihre Krankheit nach den aktuellen Kriterien für eine aktive Überwachung (z.B. EAU-Leitlinien) fortschreitet. Hierfür sprechen auch die Crossover-Raten der Studie: Nach 15 Jahren hatten 61% der initial aktiven Monitoring-Patienten eine radikale Therapie erhalten. Etwa ein Viertel der Patienten blieben jedoch auch nach 15 Jahren ganz ohne Therapie. Dies deutet darauf hin, dass die Mehrheit der überwachten Männer die Behandlung eher aufschiebt als ganz vermeidet, ohne dass dies jedoch negative Auswirkungen auf die Überlebensrate hat. Hierbei sollten die Prioritäten der einzelnen Patienten auf die Lebensqualität ausgerichtet werden. Nach 15 Jahren benötigten 151 Teilnehmer eine Androgenentzugstherapie, wobei die Wahrscheinlichkeit, dass sie Hormone benötigten, bei den Patienten der aktiven Monitoring-Gruppe höher war (∼13% vs. ∼8% in den anderen Armen). Allerdings waren bei den lokal behandelten Patienten Nebenwirkungen der Behandlung (z.B. Harninkontinenz oder erektile Dysfunktion) deutlich häufiger als in der aktiven Monitoring-Gruppe [1].

Fazit für die Praxis

Die Ergebnisse der ProtecT-Studie unterstreichen die Bedeutung individualisierter Behandlungsentscheidungen. Faktoren wie Alter, Gesundheitszustand, Tumoraggressivität und Patientenpräferenzen sollten die Auswahl des am besten geeigneten Behandlungsansatzes bestimmen. Bei den frühen Niedrigrisiko-Karzinomen sollte die aktive Überwachung jedoch insgesamt präferiert werden, um behandlungsbedingte Komplikationen idealerweise ganz zu vermeiden, alternativ aber zumindest zu verzögern.

Disclosure Statement

Die Autorin erklärt, dass keine Interessenskonflikte bestehen.

1.
Donovan
JL
,
Hamdy
FC
,
Lane
JA
, ;
ProtecT Study Group
:
Patient-Reported Outcomes after Monitoring, Surgery, or Radiotherapy for Prostate Cancer
.
N Engl J Med
.
2016
;
375
(
15
):
1425
1437
.