Abstract
Ziel: Cisplatin/5-Fluorouracil (5-FU) ist ein anerkanntes palliatives Chemotherapie-Schema bei Plattenepithelkarzinomen der Kopf-Hals-Region, das die Lebensqualität erhöht, jedoch nicht das Gesamtüberleben verlängert. Durch Verwendung von Capecitabin anstelle von 5-FU entfällt die Morbidität einer Infusionsbehandlung, was von potenziellem Nutzen für das Wohlbefinden des Patienten ist. In dieser Studie werden die Behandlungsergebnisse unter Cisplatin plus Capecitabin (PX) außerhalb eines Studien-Settings betrachtet.Methoden: Die Daten konsekutiver Patienten, die eine solche Behandlung in einem Zentrum erhalten hatten, wurden retrospektiv analysiert. Cisplatin (mittlere Dosis: 75 mg/m2) wurde an Tag 1 und Capecitabin (mittlere Dosis: 808 mg/m2 zweimal täglich) an den Tagen 1-14 eines 3-wöchigen Zyklus verabreicht; insgesamt wurden bis zu 6 Zyklen durchgeführt.Ergebnisse: 65 Patienten (Altersmedian: 58,6 Jahre) erhielten im Median 4 Zyklen Chemotherapie. Die Gesamtansprechrate betrug 30,7% bei einem medianen Gesamtüberleben von 7,3 Monaten. Die Behandlung wurde gut vertragen; bei 10,7% traten Neutropenien 3. Grades, bei 1,5% solche 4. Grades auf; weitere Toxizitäten vom Schweregrad 4 kamen nicht vor. Ein Patient verstarb unter der Therapie an neutropenischer Sepsis. Wegen Nebenwirkungen brachen 27% der Patienten die Chemotherapie vorzeitig ab.Schlussfolgerung: Die außerhalb klinischer Studien durchgeführte PX-Behandlung wurde gut vertragen. Die Ergebnisse sind vergleichbar mit denen früherer Publikationen. Durch die einfache Verabreichung und den Nutzen im Hinblick auf den Patientenkomfort stellt sie eine attraktive Alternative zur Standard-Palliativtherapie dar.Übersetzung aus Chemotherapy 2013;59:1-7 (DOI: 10.1159/000348816)
Originalartikel: Cisplatin plus Capecitabine as First-Line Chemotherapy for Recurrent or Metastatic Head and Neck Squamous Cell Cancer: Experience Outside of a Trial Setting
A.J. McPartlina K. Maisa C. Barkera R. Swindella K. Mitchellb A. Sykesa L. Leea B. Yapa N.J. Slevina
aChristie NHS Foundation Trust, Manchester, UK; bRosemere Centre, Preston Royal Infirmary, Preston, UK
Transfer in die Praxis
Die hier kommentierte Arbeit beschreibt den Versuch, die unerwünschte Wirkung einer Standard-Chemotherapie bei Patienten mit fortgeschrittenen Halstumoren zu lindern, indem ein etabliertes Medikament, das über mehrere Tage intravenös appliziert werden muss, durch eine Tablettentherapie ersetzt wurde.
Die englische Arbeitsgruppe behandelte insgesamt 65 Patienten mit im Median 4 Chemotherapie-Zyklen (Platin-Therapie plus Capecitabin als Tablette) und stellte fest, dass die Ansprechrate und die Überlebensquote in etwa denen des konventionellen Regimes entsprachen (Cisplatin und intravenöses 5-Fluorouracil (5-FU)). Auch wenn diese Untersuchung lediglich an einem Zentrum stattfand und die Ergebnisse größere Schwankungen und teilweise auch ein längeres Gesamt- und progressionsfreies Überleben zeigten, bringen die Autoren überzeugend zum Ausdruck, dass manchmal mit weniger Aufwand ähnlich gute Resultate erzielt werden können. Das ist umso wichtiger, als es sich bei den derart behandelten Patienten um Menschen handelt, die durch ihre Krankheit erheblich in ihrer Lebensqualität beeinträchtigt sind. Bösartige Tumoren im Kopf-Hals-Bereich bedeuten Mundhöhlen-, Larynx-, Hypopharynx- und weitere Affektionen. Bei solchen Tumoren werden regelhaft der Geschmackssinn, das Geruchsempfinden sowie die Schluck- und Sprechfähigkeit in Mitleidenschaft gezogen. Die vorangegangenen Operationen und Bestrahlungen ziehen darüber hinaus Mundtrockenheit und infolgedessen Entzündungen des Zahnfleischs und der Mundschleimhäute, Karies und Pilzbefall nach sich.
Vor dem Hintergrund der ohnehin geringen Lebenszeit, die den Patienten noch verbleibt, sind palliativmedizinische Gesichtspunkte vorrangig zu berücksichtigen. Der Grundsatz der Palliativmedizin besteht darin, die verbleibende Lebenszeit unter Einbeziehung der Begleitumstände, der Wertebiografie des Patienten und seiner individuell im Vordergrund stehenden Bedürfnisse möglichst gut zu gestalten. Hierbei ist nicht nur die Lebenslänge, sondern auch die Lebensqualität besonders wichtig. Möglichst wenige Untersuchungen und Therapien, die möglichst gut vertragen werden und wenige Krankenhaus- oder Praxisaufenthalte beinhalten, müssen das Ziel sein. Insofern zeigt die Arbeit von McPartlin et al. einen wichtigen Aspekt auf. Die konventionelle Therapie mit 5-FU erfolgt üblicherweise für 4-5 Tage kontinuierlich über 24 h und erfordert einen stationären Aufenthalt oder eine (portable) Pumpe. Dies ist mit möglichen Fehlfunktionen und der Notwendigkeit eines venösen Zugangs verbunden. Eine Tablettentherapie reduziert den Praxisaufenthalt und vereinfacht das Regime. Das Nebenwirkungsprofil und auch die Wirksamkeit der Substanz Capecitabin erscheinen ansonsten ähnlich wie bei 5-FU.
Fazit
Fortschritte in der Krebsmedizin zu erzielen bedeutet, Behandlungsverfahren mit höherer Wirksamkeit (bessere Überlebensquoten und Ansprechraten, Reduktion der Sterblichkeit) oder mit besserer Verträglichkeit (bei gleicher Wirksamkeit) zu entwickeln. So sind in den vergangenen Jahrzehnten beide Aspekte in der Onkologie zum Tragen gekommen. Trotzdem werden besser verträgliche oder leichter tolerable oder einfach praktischere Behandlungsmöglichkeiten noch immer nicht ausreichend ausgeschöpft - nicht zuletzt, weil das Vergütungssystem in Praxis und Klinik invasive und komplizierte Verfahren deutlich bevorzugt. Um also Tumorpatienten noch häufiger die praktischeren, aber gleich effektiven und verträglichen (Ähnliches gilt für die Substanz Vinorelbin und andere) Tablettentherapien zu ermöglichen, muss das Vergütungssystem für onkologisch tätige Ärzte in Praxis und Klinik von der Intensität der erbrachten therapeutischen Leistungen gelöst werden.