Hintergrund: Das Konzept einer integrativen Onkologie (IO), wie es in der Anthroposophischen Medizin (AM) seit Jahrzehnten angewandt wird, gewinnt an Interesse und Akzeptanz. Zentrale Aspekte hierbei sind multimodale Therapieansätze, Lebensqualität und Patientenpräferenz, ebenso wie die therapeutische Beziehung und das klinische Ergebnis. Trotz ihrer breiten Anwendung mangelt es in der IO an klinischer Evaluation. Darüber hinaus werden komplementäre Therapien von keinem onkologischen Register aufgenommen.Methoden: Um diese Lücke zu schließen, wurde das Netzwerk Onkologie (NO) gegründet, ein gemeinsames Register niedergelassener AM-Onkologen und -Krankenhäuser in Deutschland. In dieser Arbeit wird das Projekt vorgestellt, und erste Ergebnisse werden mit epidemiologischen Registern und der Literatur verglichen.Ergebnisse: Das NO hat in 6 Jahren Daten von 10 405 Krebspatienten erfasst. Im Vergleich zu epidemiologischen Registern zeigen die NO-Daten nur geringe Unterschiede in Krebsinzidenzen sowie im Patientenalter und -geschlecht. Überdurchschnittlich viele junge Brustkrebspatientinnen in NO-Einrichtungen deuten darauf hin, dass es gerade bei dieser Gruppe einen starken Bedarf an integrativen Therapien gibt. Es gab keine Unterschiede in den UICC (Union for International Cancer Control)-Stadien bei Erstdiagnose und bei Aufnahme in eine NO-Einrichtung. Gemäß den von uns erhobenen Daten wurden konventionelle Therapien nach Aufnahme in eine NO-Einrichtung insgesamt seltener durchgeführt als davor. Dennoch erhielt ein Drittel der Patienten die konventionelle Ersttherapie in einer NO-Einrichtung. 80% der Patienten erhielten eine Misteltherapie und 63% eine nichtpharmakotherapeutische, komplementäre Behandlung.Schlussfolgerung: Integrative onkologische Therapieangebote werden von einer großen Anzahl an Patienten in AM-Einrichtungen wahrgenommen. Das NO bietet eine Infrastruktur, um integrative Interventionen der AM zu evaluieren, es erlaubt Vergleiche mit anderen klinischen Registerdaten und kann somit einen Beitrag zur Versorgungsforschung in diesem Gebiet leisten.Übersetzung aus Forsch Komplementmed 2013;20:353-360 (DOI: 10.1159/000356204)

Friedemann Schada,b Jan Axtnera Antje Happea Thomas Breitkreuzc,d Constantin Paxinoe Johannes Gutschf Burkhard Matthesg Marion Debusg Matthias Kröza,b Günther Spahnh Hartmut Riessi Hans-Broder von Lauei Harald Matthesa,b

aForschungsinstitut Havelhöhe gGmbH, Berlin, Deutschland; bGemeinschaftskrankenhaus Havelhöhe, Berlin, Deutschland; cGemeinschaftskrankenhaus Herdecke, Herdecke, Deutschland; dParacelsus-Krankenhaus Unterlengenhardt e.V., Bad Liebenzell-Unterlengenhardt, Deutschland; eReha-Klinik Schloss Hamborn, Borchen, Deutschland; fOnkologe, Gevelsberg, Deutschland; gMedizinisches Versorgungszentrum Havelhöhe - AnthroMed Berlin-Brandenburg gGmbH, Berlin, Deutschland; hKlinik Öschelbronn gGmbH, Niefern-Öschelbronn, Deutschland; iAnthroMed Centrum für Integrative Medizin gGmbH, Niefern-Öschelbronn, Deutschland

Viele praxisrelevante Fragen lassen sich nicht durch klinische Studien beantworten, da sich diese oft auf die Bewertung von Einzelmaßnahmen in definierten Settings mit selektierten Patienten beschränken. Die tägliche Praxis findet aber in einem komplexen Kontext mit mehr oder weniger aufeinander abgestimmten Behandlungsschritten an meist komorbiden bzw. multimorbiden Patienten statt. Entsprechend haben Entscheidungsträger wie Ärzte, Patienten und Kostenträger häufig erhebliche Mühe, aus der Evidenzlage klinischer Studien Schlussfolgerungen für einen konkreten Einzelfall zu ziehen. In den USA gibt es einen neuen Forschungszweig, mithilfe dessen versucht wird, diese Lücke zu schließen: Diese sogenannte Comparative Effectiveness Research erhält seit 2009 viel staatliche Förderung. Gefördert wird dabei unter anderem der Aufbau von Registern, die es ermöglichen sollen, Patientenverläufe in ihrer Komplexität besser abzubilden und in der Zukunft auch die Verläufe für bestimmte Patientengruppen besser vorherzusagen. Diese verstärkte Förderung hat in den USA auch zu einer Verbesserung der methodischen Standards für Register in der Versorgungsforschung geführt.

Es ist belegt, dass eine großer Teil der Tumorpatienten komplementärmedizinische Angebote in Anspruch nimmt, jedoch wissen wir kaum etwas über deren Behandlungsverlauf und darüber, inwieweit sich dieser von dem von Patienten unterscheidet, die im Verlauf ihrer Erkrankung keine Komplementärmedizin anwenden. Friedemann Schad et al. haben mit dem «Network Oncology» einen wichtigen ersten Schritt gemacht, um diese Daten für einen Bereich der Komplementärmedizin - die Anthroposophische Medizin (AM) - zu generieren. In ihrer ersten Publikation zu dem Register bezieht sich die Arbeitsgruppe auf Daten von über 10 000 Patienten, die an 11 beteiligten Zentren aus drei verschiedenen Versorgungssektoren (ambulant, stationär und Rehabilitation) dokumentiert wurden. Dass die zusätzlich mit AM behandelten Patienten zu zwei Dritteln weiblich sind und eher jüngere Brustkrebspatientinnen AM nachfragen, entspricht der klinischen Routineerfahrung. Dass jedoch ein Drittel der Patienten in den am Projekt beteiligten Zentren auch erstmals eine konventionelle onkologische Therapie erhielten, ist sicherlich vielen Kollegen neu und ein Hinweis darauf, dass an diesen Zentren ein integrativer Ansatz praktiziert wird, der konventionelle Medizin mit AM verbindet. Ein Großteil aller Patienten (80%) erhielt eine Misteltherapie; dies und die Verteilung anderer anthroposophischer Therapien könnten durch die ausgewählten Zentren bedingt und müssen nicht repräsentativ für die AM in Deutschland sein. Weshalb jedoch 8% der Patienten gar keine konventionelle Therapie erhielten und die Anzahl der konventionellen Therapien nach Behandlungsbeginn in den Zentren reduziert war, wird leider nicht diskutiert.

Diese Initiative kann als ein erster Schritt für den Aufbau einer Datenbasis gesehen werden, die die Beantwortung praxisrelevanter Fragen unterstützt. Daher lässt sich diese Publikation mit einem Appetithappen vergleichen, der Lust auf mehr macht. Dazu gehören neben inhaltlichen Aspekten wie der Beschreibung komplexerer Behandlungsverläufe auch methodische Aspekte wie die Vollständigkeit der Daten und Angaben zur Patientenselektion. Für die Zukunft ist aber auch zu wünschen, dass diese Art von Registern eine unabhängige, industriefreie Förderung erhält und auf andere Bereiche der Komplementärmedizin erweitert wird.

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