Abstract
Hintergrund: Bei 20% aller Patienten mit einem Rektumkarzinom liegen zum Zeitpunkt der Diagnose auch synchrone Fernmetastasen vor. Für diese Patienten gibt es bisher keine klar definierte therapeutische Strategie. In dieser monozentrischen Studie wird die Behandlungsstrategie für drei verschiedene Patientengruppen evaluiert.Patienten und Methoden: Zwischen Januar 2000 und Juli 2011 wurden die Daten von 65 Patienten mit M1-Rektumkarzinom ausgewertet. Hierfür wurden drei Gruppen definiert: Rektumkarzinom mit resezierbarer Metastasierung (Gruppe A), Rektumkarzinom mit potenziell resezierbarer Metastasierung (Gruppe B) und Rektumkarzinom mit nichtresezierbarer Metastasierung (Gruppe C).Ergebnisse: Gruppe A umfasste 11 Patienten (16,9%), Gruppe B 28 Patienten (43,1%) und Gruppe C 26 Patienten (40%). Bei 43 Patienten (66,2%) wurde das primäre Rektumkarzinom operativ behandelt, bei 30 Patienten (46,2%) wurden Metastasen reseziert (23 in der Leber, 4 in der Lunge und 3 in den Ovarien). Das mediane Gesamtüberleben (OS) betrug 51 (5-86) Monate in Gruppe A, 32 (24-40) Monate in Gruppe B und 16 (7-26) Monate in Gruppe C. Bei den Patienten mit Metastasenresektion war das mediane OS höher als bei denen ohne Resektion (44 vs. 15 Monate; p < 0,001).Schlussfolgerung: Eine Strategie zur Behandlung des synchron metastasierenden Rektumkarzinoms muss die Möglichkeit einer Resektion von Fernmetastasen berücksichtigen. Mit einem solchen integrierten Ansatz lässt sich das Langzeitüberleben verbessern.Übersetzung aus Oncology 2014;86:135-142 (DOI: 10.1159/000357782)
Originalartikel: Treatment Strategy for Rectal Cancer with Synchronous Metastasis: 65 Consecutive Italian Cases from the Bologna Multidisciplinary Rectal Cancer Group
Carmine Pintoa Sara Pinia Francesca Di Fabioa Dajana Cuicchib Bruno Iacopinoc Ferdinando Lecceb Giorgio Ercolanid Fabiola Lorena Rojas Llimpea Emilio De Raffeleb Franco Stellae PierGiorgio Di Tullioa Stefania Giaquintaa Antonio Daniele Pinnad Bruno Colab
aUnit of Medical Oncology, S. Orsola-Malpighi Hospital, University of Bologna, Bologna, Italien; bUnit of Surgery, S. Orsola-Malpighi Hospital, University of Bologna, Bologna, Italien; cUnit of Radiotherapy, S. Orsola-Malpighi Hospital, University of Bologna, Bologna, Italien; dUnit of Liver Surgery, S. Orsola-Malpighi Hospital, University of Bologna, Bologna, Italien; eUnit of Thorax Surgery, S. Orsola-Malpighi Hospital, University of Bologna, Bologna, Italien
Transfer in die Praxis
25-30% der Patienten mit Rektumkarzinom weisen zum Diagnosezeitpunkt synchrone Metastasen auf, was mit einer schlechten Prognose korreliert. Die Leber ist der häufigste primäre Metastasierungsort; eine Resektion stellt derzeit die einzig wirksame kurative Behandlungsmethode dar. Für die Therapie des primär synchron hepatisch metastasierten Rektumkarzinoms gibt es keinen etablierten Standard. Entsprechend der klinischen Situation und den Therapiezielen gibt es die 3 in der Zusammenfassung definierten Gruppen. Gegenwärtig wird Patienten ohne schwere tumorbedingte Symptome eine Resektion des Primärtumors (gegebenenfalls nach einer neoadjuvanten Kurzzeitbestrahlung), gefolgt von einer Resektion der Lebermetastasen und einer adjuvanten Chemotherapie, empfohlen. Patienten mit primär nicht resektablen Lebermetastasen profitieren aktuellen Daten nach von einer Konversionschemotherapie. Eine Übersichtsarbeit aus 10 Beobachtungsstudien mit insgesamt 1886 Patienten mit primär nicht resektablem, hepatisch metastasiertem Kolorektalkarzinom stellte ein 64%iges Ansprechen der Metastasen fest, welches in 22,5% der Fälle eine sekundär kurative Resektion ermöglichte [1]. In einer solchen Situation ist beim Rektumkarzinom jedoch unklar, wann und wie eine neoadjuvante Radiochemotherapie erfolgen sollte. Zusätzlich spielen Selektionskriterien eine Rolle, da Patienten mit einem guten Allgemeinzustand / günstigen Prognosefaktoren eher einer Resektion zugeführt werden.
In der hier kommentierten retrospektiven, monozentrischen Studie wurden verschiedene Behandlungsstrategien und deren Einfluss auf das Gesamtüberleben (OS) bei Patienten mit und ohne eine Metastasenresektion verglichen.
Zwischen 2000 und 2011 wurden 65 Patienten mit einem synchron metastasierten Rektumkarzinom evaluiert und in die 3 genannten Gruppen eingeteilt. Die mediane Nachbeobachtungszeit lag bei 23 Monaten. Insgesamt konnten 27 Patienten (41,5%) einer kurativ intendierten Metastasenresektion zugeführt werden. In Gruppe A konnten 82% und in Gruppe B 64% der Patienten nach einer Konversionschemotherapie mit FOLFOX oder XELOX einer Metastasenresektion unterzogen werden. Insgesamt erhielten 29/39 Patienten (74%) in den Gruppen A und B eine Oxaliplatin-basierte neoadjuvante Radiochemotherapie. Die Patienten mit Metastasenresektion überlebten signifikant länger als Patienten ohne Resektion.
Diese Analyse zeigt, dass das synchron metastasierte Rektumkarzinom eine heterogene Erkrankung ist, bei der eine Zusammenarbeit der einzelnen Fachdisziplinen oberste Priorität hat. Im individuellen Fall sollten die Möglichkeiten einer neoadjuvanten Radiochemotherapie, einer Konversionschemotherapie, einer «Up-front»-Resektion des Primarius und der Metastasen sowie einer adjuvanten Therapie erwogen werden.
Diese Studie zeigt die Korrelation zwischen dem Ausmaß der Metastasierung bzw. der Resektabilität der Metastasen und dem OS auf, nimmt aber aufgrund der kleinen Fallzahl sowie ihres retrospektiven Charakters keine Stellung zu möglichen Therapiealgorithmen.
Kleine, nicht randomisierte Studien konnten zeigen, dass eine perioperative Chemotherapie das krankheitsfreie Überleben verbessern kann. Eine Konversionschemotherapie kann dabei die Rate kurativer Resektionen signifikant erhöhen [2] und die Patienten selektionieren, die von einer Resektion nicht profitieren würden.
Fazit und Ausblick
In der Therapie des synchron metastasierten Rektumkarzinoms gibt es bis dato keine definierten und standardisierten Algorithmen. Gerade Patienten mit isolierten, potentiell resektablen Metastasen profitieren in hohem Maße von einer möglichst effektiven Therapie. Sowohl die Chemotherapie als auch die Radiotherapie und die primäre operative Behandlung spielen eine wesentliche Rolle; dennoch fehlen Daten für eine optimale Behandlungssequenz. Für Patienten ohne Option auf Resektion der Metastasen ist bislang nicht geklärt, inwieweit eine Resektion des Primärtumors sich positiv auf die Gesamtprognose auswirken könnte. Diese Frage wird jedoch aktuell evaluiert [3].