Abstract
Ziel: Ziel der Studie war festzustellen, ob eine erneute Exposition gegenüber einem «Mammalian target of rapamycin»(mTOR)-Hemmer (Everolimus oder Temsirolimus) in dritter oder vierter Therapielinie nach sequenzieller Anwendung eines gegen den «Vascular endothelial growth factor»(VEGF)-Rezeptor gerichteten Wirkstoffs und eines mTOR-Hemmers eine durchführbare und wirksame Behandlungsstrategie bei Patienten mit metastasierendem Nierenzellkarzinom (mRCC) darstellt.Methoden: Aufgenommen wurden Patienten, die zwischen dem 30. März 2001 und dem 15. September 2011 in 1 von 2 Institutionen (Hôpital Européen Georges-Pompidou, Paris; Medizinische Universität Wien) mit einer VEGF-Target-Therapie, einem mTOR-Hemmer und anschließend mit einem zweiten mTOR-Hemmer behandelt worden waren. Die Auswertung der bildgebenden Untersuchungen zur Ermittlung der objektiven Ansprechrate und Therapiedauer (TD) erfolgte gemäß den «Response Evaluation Criteria in Solid Tumors», Version 1.0.Ergebnisse: 12 Patienten erfüllten die Einschlusskriterien. Nach einer Behandlung mit 1 oder 2 VEGF-Rezeptor-Tyrosinkinase-Hemmern erhielten 7 Patienten zuerst Everolimus und 5 Patienten zuerst Temsirolimus. Unabhängig von der Therapiesequenz sprachen 6 der 12 Patienten (50%) auf Everolimus und 4 von 12 Patienten (33%) auf Temsirolimus an; 3 Patienten (25%) sprachen auf keinen der beiden Wirkstoffe an. Die mediane TD (95%-Konfidenzintervall) für Everolimus → Temsirolimus betrug 10,3 Monate (8,8-19,2 Monate) und für Temsirolimus → Everolimus 5,8 Monate (2,9-19,3 Monate).Schlussfolgerung: Trotz der begrenzten Teilnehmerzahl zeigen die Ergebnisse, dass eine mTOR-Reexposition als integraler Bestandteil einer sequenziellen Behandlungsstrategie beim mRCC durchführbar ist.Übersetzung aus Oncology 2013;85:8-13 (DOI: 10.1159/000350005)
Originalartikel: Rechallenge with mTOR Inhibitors in Metastatic Renal Cell Carcinoma Patients Who Progressed on Previous mTOR Inhibitor Therapy
Agnes Maj-Hesa,c Jacques Medionic Florian Scottec Manuela Schmidingerb Gero Kramerb Pierre Combec Yohan Gornadhac Reza Elaidic Stéphane Oudardc
aDepartment of Urology, Kaiser-Franz-Josef Spital, Wien, Österreich; bDepartment of Oncology Urology, AKH Wien, Medizinische Universität Wien, Wien, Österreich; cDepartment of Medical Oncology, Hôpital Européen Georges-Pompidou, René Descartes University Paris 5, Paris, Frankreich
Transfer in die Praxis
Während bis vor 10 Jahren nur wenige Optionen zur Therapie des metastasierten Nierenzellkarzinoms zu Verfügung standen, kann das progressionsfreie und das Gesamtüberleben der Patienten heute mit «Vascular endothelial growth factor»-Tyrosinkinase-Inhibitoren (VEGF-TKI), dem VEGF-Rezeptor-Antikörper Bevacizumab sowie den «Mammalian target of rapamycin»(mTOR)-Inhibitoren Temsirolimus und Everolimus verlängert werden. Die mTOR-Inhibitoren Temsirolimus und Everolimus ähneln sich strukturell und haben den gleichen Wirkmechanismus. Dennoch weisen diese Substanzen pharmakokinetische und -dynamische Unterschiede auf, was ihren sequenziellen Einsatz sinnvoll erscheinen lässt.
In der hier kommentierten retrospektiven Studie wurde der Effekt einer sequenziellen Dritt- und Viertlinientherapie mit den mTOR-Inhibitoren Everolimus und Temsirolimus nach einer vorangegangenen TKI-Therapie untersucht. An 2 europäischen Zentren wurden dazu die Krankheitsverläufe von 88 Patienten mit einem metastasierten, klarzelligen Nierenzellkarzinom, die zwischen März 2001 und September 2011 behandelt worden waren, auf eine Sequenztherapie mit mTOR-Inhibitoren gescreent. 12 Patienten erfüllten die geforderten Kriterien und wurden in die Studie eingeschlossen. Sie wurden im Hinblick auf das Ansprechen und die Dauer der mTOR-Therapien untersucht. Außerdem wurden Prognosefaktoren und Laborparameter analysiert. Diese Daten wurden mit denen großer, vorangegangener Phase-III-Studien verglichen. Je nach Therapieansprechen und Behandlungsdauer wurden die Patienten in Responder und Nonresponder unterteilt. Zwei Kohorten wurden unterschieden: Eine erhielt zunächst Everolimus und anschließend Temsirolimus; die zweite wurde in der gegensätzlichen Sequenz behandelt. Die Patientencharakteristika waren vergleichbar, sofern dazu angesichts der kleinen Teilnehmerzahl Aussagen getroffen werden können. Unter Berücksichtigung des Krankheitsstadiums war die Metastasenlast gering und der Allgemeinzustand der Patienten gut. Von 7 Patienten, die zunächst mit Everolimus behandelt worden waren, sprachen 5 auf das Medikament an. Nur 1 Patient zeigte bei dieser Sequenz ein Ansprechen auf beide Substanzen. Auffällig war, dass die 2 Patienten, bei denen kein wesentlicher Therapieeffekt mit Everolimus erreicht worden war, auf Temsirolimus ansprachen. Demnach war in dieser Kohorte kein Patient resistent gegenüber beiden mTOR-Inhibitoren. Die durchschnittliche Gesamt-Therapiedauer lag in dieser Kohorte bei 10,3 Monaten. Von den 5 Patienten, die zunächst mit Temsirolimus behandelt worden waren, sprach nur 1 Patient auf diesen Wirkstoff an. Ein weiterer Patient sprach trotz frustraner Temsirolimus-Therapie auf Everolimus an. Die anderen 3 Patienten zeigten weder auf den einen noch auf den anderen mTOR-Inhibitor ein wesentliches Ansprechen.
Fazit
Eine Interpretation der Ergebnisse von Maj-Hes et al. ist aufgrund der kleinen Patientenzahl schwierig. Die Daten sind begrenzt aussagefähig und könnten irreführend sein. Festzuhalten ist, dass die Mehrzahl der Patienten auf eine Everolimus-Therapie ansprach. In der Sequenz Everolimus-Temsirolimus war die Gesamt-Therapiedauer - gemessen an den bisher publizierten Daten - lang. Zudem fällt auf, dass nur 1 Patient auf beide Substanzen ansprach, was für die grundsätzliche Entwicklung eines zentralen Resistenzmechanismus gegenüber mTOR-Inhibitoren spricht. Sollten sich diese Daten bestätigen lassen, so ist nach einer erfolgreichen mTOR-Inhibitor-Therapie mit einem weiteren mTOR-Inhibitor nur selten ein Effekt zu erreichen. Andererseits sprachen 3 Patienten trotz frustraner Therapie mit einem ersten mTOR-Inhibitor auf einen anderen mTOR-Inhibitor an. Dies macht Mut für die klinische Praxis, im Einzelfall nach einer erfolglosen mTOR-Vorbehandlung noch einen anderen mTOR-Inhibitor zu probieren. Da eine prospektive Datenerfassung zu dieser Problemstellung nicht absehbar ist, ist es wünschenswert, die vorhandenen Datenbanken auf die verschiedenen Sequenztherapie-Ergebnisse hin zu analysieren.