Abstract
Bis vor Kurzem war die Standardtherapie beim metastasierenden Nierenzellkarzinom (RCC) eine unspezifische Immuntherapie mit Interleukin-2 oder Interferon-α. Hiermit assoziiert waren ein bescheidener lebensverlängernder Effekt und eine erhebliche klinische Toxizität. Die Erforschung zahlreicher molekularer Signalwege beim RCC, darunter HIF, VEGF und mTOR, und die sequenzielle Anwendung mehrerer zielgerichteter Therapieansätze seit Anfang 2005 haben die Behandlungserfolge bei Patienten mit metastasierendem RCC signifikant verbessert und das Gesamtüberleben auf mehr als 2 Jahre verlängert. Derzeit sind mindestens 7 zielgerichtete Wirkstoffe für die Erst- und Zweitlinientherapie des klarzelligen metastasierenden RCC zugelassen. Ein langfristiger Nutzen und ein längeres Überleben lassen sich möglicherweise durch die optimale Anwendung zielgerichteter Therapien erzielen, das heißt, durch optimale Dosierung, Beherrschung unerwünschter Ereignisse, Behandlungsdauer und Compliance. Fortschritte bei der Identifizierung prognostischer Faktoren unterstreichen das Potenzial einer personalisierten Therapie für Patienten mit metastasierendem RCC. Daten zur besten Abfolge von zielgerichteten Therapien, zu prädiktiven Biomarkern, zum optimalen Zeitpunkt für einen chirurgischen Eingriff, zu Patienten-Risikoprofilen, zu den Hintergründen der Resistenzentwicklung und zur Sicherheit von zielgerichteten Therapien liegen in zunehmendem Umfang vor und werden weitere Fortschritte im Management des fortgeschrittenen RCC ermöglichen. Parallel dazu ist eine neue Klasse von Therapeutika zur Behandlung des RCC im Kommen: Immuntherapien, insbesondere Antikörper zur Checkpoint-Inhibition, zeigen äußerst vielversprechende Ergebnisse.
Einleitung
Epidemiologie
Das Nierenzellkarzinom (RCC) ist die sechsthäufigste Krebsart in Industrienationen [1]; die Zahl der weltweiten Neuerkrankungen beträgt rund 209 000, die der Todesfälle über 102 000. Das entspricht rund 2-3% aller malignen Tumoren bei Erwachsenen [2].
Eine metastatische Streuung kommt bei durchschnittlich 30% der neuen Fälle vor [3]; rund 40% der Patienten erleiden nach einer Nephrektomie ein Lokalrezidiv [4]. Die Inzidenz des RCC nimmt seit einigen Jahrzehnten immer weiter zu, was wahrscheinlich auf Fortschritte bei der Bildgebung zurückzuführen ist, die eine frühere Diagnose kleiner Tumoren ermöglichen [5]. Dennoch hat sich die Mortalität seit 2005 nicht wesentlich verändert.
Risikofaktoren
Klassische Risikofaktoren sind Rauchen und arterielle Hypertonie. Adipositas und chronische Niereninsuffizienz (insbesondere vom papillaren Subtyp) könnten weitere RCC-begünstigende Faktoren sein [2]. Beim RCC werden 2-4% aller Fälle hereditären Syndromen zugeschrieben, die meist durch einen autosomal-dominanten Erbgang weitergegeben werden. Das häufigste dieser Krankheitsbilder ist das Von-Hippel-Lindau-Syndrom, das mit dem Tumorsuppressorgen VHL zusammenhängt; bei Patienten mit diesem Syndrom ist das klarzellige RCC (ccRCC) die häufigste Todesursache [6].
Histologie
Es gibt drei häufige und einige sehr seltene histologische Subtypen. Die Subtypen sind nicht nur durch ihre anatomisch-pathologischen Merkmale gekennzeichnet, sondern auch durch spezifische onkogene Eigenschaften (Tab. 1). Das ccRCC ist mit 70-85% der häufigste Subtyp, gefolgt vom papillaren RCC, das 10-15% der Fälle ausmacht. Auf den chromophoben Typ entfallen weniger als 10%, auf das Sammelrohrkarzinom (Ductus-Bellini-Karzinom) weniger als 1%. Weitere Unterteilungen sind möglich: Beim papillaren Typ sind - gestützt auf genetische Mutationen - Typ 1 und Typ 2 unterschieden worden. Diese Unterscheidung wird auch durch den klinischen Verlauf bestätigt, denn der papillare Subtyp 2 ist in der Regel aggressiver [2].
Prognose vor der Einführung zielgerichteter Wirkstoffe
Bevor im Jahr 2007 die beiden ersten zielgerichteten Wirkstoffe gegen das RCC zugelassen wurden [7,8], galt das RCC als hochgradig unempfindlich gegenüber medikamentösen Therapien. Das 5-Jahres-Gesamtüberleben bei einem metastasierenden Krankheitsverlauf betrug 10-20%. Lediglich passive Immuntherapien mit Interferon-α (IFN-α) oder Interleukin-2 (IL-2) zeigten bei einem geringen Anteil der Patienten ein objektives Ansprechen [9,10]. Langzeitremissionen waren selten und wurden, wenn überhaupt, nur mit hochdosiertem IL-2 erreicht. Hochdosis-IL-2 wurde nur in wenigen Zentren angeboten; die Behandlung war mit einer Mortalität von etwa 3% assoziiert.
Biologie des klarzelligen Nierenzellkarzinoms
Das ccRCC ist hauptsächlich von zwei onkogenen Signalwegen abhängig: dem VHL/HIF/VEGF- und dem PI3K/AKT/mTOR-Signalweg (Abb. 1).
Biologische Signalwege für die zielgerichtete RCC-Therapie. Modifiziert nach Vasudev et al. [64].
Biologische Signalwege für die zielgerichtete RCC-Therapie. Modifiziert nach Vasudev et al. [64].
Der VHL/HIF/VEGF-Signalweg
Das Tumorsuppressorgen VHL ist ein frühes und zentrales Element der Karzinogenese des ccRCC [11]. 60% aller sporadischen ccRCCs liegt eine Inaktivierung dieses Gens durch eine Mutation, eine Deletion oder eine Hypermethylierung seines Promoters zugrunde [12]. Die VHL-Mutation ist eng mit dem Hypoxie-induzierbaren Faktor (HIF-α) verknüpft. In einer normalen Zelle mit aktivem VHL-Gen wird der HIF-α durch Hydroxylierung in Gegenwart von Sauerstoff reguliert. Unter hypoxischen Bedingungen wirkt HIF als Transkriptionsfaktor und aktiviert Gene, die für Proteine wie VEGF, PDGF, TGF-α, GLUT1 und EPO kodieren; sie alle wirken als Angiogenese-Faktoren [13]. Darum führt die Inaktivierung des VHL zur Überexpression dieser neuen angiogenen Faktoren. Angesichts der Tatsache, dass VEGF und PDGF Schlüsselrollen in der Entwicklung und Progression des RCC spielen [14], erschienen diese Signalwege als geeignete Ansatzpunkte für neue therapeutische Strategien [15].
Der PI3K/AKT/mTOR-Signalweg
Dieser Signalweg ist zahlreichen Wachstumsfaktor-Rezeptoren wie VEGF, PDGF und anderen nachgeschaltet. Bei einer Aktivierung dieser Rezeptoren ist die PI3K der erste Mediator, der in der Folge aktiviert wird; dieser aktiviert dann AKT, während PTEN ein Inhibitor von AKT ist. AKT selbst ist ein Aktivator von mTOR, das auf die Transduktion zahlreicher mRNAs einwirkt, insbesondere auf solche, die an Zellüberlebensmechanismen beteiligt sind. Das mTOR induziert die Expression von HIF-α, der wiederum zur Induktion von Wachstumsfaktoren wie VEGF, PDGF, TGF-α, EGF und anderen führt. Die Folgen sind ein gesteigertes Überleben von Tumorzellen sowie eine Angiogenese [16]. Der PI3K-Signalweg ist beim ccRCC häufig übermäßig aktiviert [17]. Daher üben mTOR-Inhibitoren ihre therapeutische Wirkung aus, indem sie die VEGF- und Überlebenssignale vermindern.
Erfolge von zielgerichteten Therapien beim klarzelligen Nierenzellkarzinom
Prognosefaktoren
Bevor hier auf die systemischen Behandlungsmöglichkeiten beim RCC eingegangen werden soll, gilt es, die prognostischen Faktoren zu erläutern, da sich die aktuelle Arzneimittelentwicklung an diesen ausrichtet.
Anhand von retrospektiven Daten der Zytokin-Ära [18] wurden prognostische Faktoren für das metastasierende RCC ermittelt, die auch als MSKCC-Kriterien oder Motzer-Kriterien bekannt sind. Ungünstige prognostische Faktoren sind demnach ein hoher LDH-Wert, ein niedriger Karnofsky-Index, ein niedriger Hämoglobin-Wert, ein hoher korrigierter Kalzium-Wert sowie der zeitliche Abstand zwischen der Erstdiagnose und der Einleitung einer systemischen Behandlung (>1 Jahr oder <1 Jahr). Die Patienten wurden nach niedrigem, mittlerem oder hohem Risiko in Gruppen aufgeteilt. Die mittlere Lebenserwartung in diesen Gruppen war 30, 14 bzw. 5 Monate [19].
Heng et al. [20] haben ein aktualisiertes Prognosemodell vorgestellt, das auf mit der Anti-VEGF-Therapie behandelten Patienten beruht. Diese Analyse bestätigte die zuvor aufgestellten MSKCC-Kriterien und ergänzte die Liste der ungünstigen Prognosefaktoren um hohe Neutrophilen- und Thrombozyten-Zahlen (Tab. 2).
Systemische Therapie
Erste Therapielinie
Derzeit sind die Behandlungsoptionen für Patienten mit einem günstigen oder mittleren Risiko und einem metastasierenden RCC mit klarzelliger Komponente Sunitinib [7,21], Sorafenib [8,22], Bevacizumab in Kombination mit IFN-α [23,24,25,26] und Pazopanib [27,28]. Die Wahl zwischen diesen Wirkstoffen erfolgt nicht immer nach objektiven Kriterien, sondern kann durch den Zulassungsstatus seitens nationaler Gesundheitsbehörden, durch den Arzt oder die Präferenz des Patienten (oral vs. intravenös) beeinflusst werden. In Tabelle 3 sind die wichtigsten Ergebnisse der zulassungsrelevanten Phase-III-Studien zusammengefasst. Als diese Medikamente im Jahr 2005 erstmals verfügbar waren, brach für die Therapie des metastasierenden RCC eine neue Ära an.
Ergebnisse aus Phase-III-Studien zu zielgerichteten Erstlinientherapien beim metastasierenden RCC

Sunitinib, das bis vor Kurzem am häufigsten verwendete Mittel in der Erstlinientherapie, wurde in einer 750 Patienten umfassenden Studie mit IFN-α verglichen [7,21]. Sowohl die mediane progressionsfreie Überlebenszeit (PFS) als auch die mediane Gesamtüberlebenszeit waren in der Sunitinib-Gruppe länger als in der IFN-α-Gruppe (11,0 vs. 5,0 Monate; p < 0,001 bzw. 26,4 vs. 21,8 Monate; p = 0,051). Darüber hinaus war Sunitinib mit einer höheren objektiven Ansprechrate assoziiert als IFN-α (31 vs. 6%; p < 0,001). Der Anteil der Patienten mit einem behandlungsbedingten Fatigue vom Schweregrad 3 oder 4 war in der IFN-α-Gruppe signifikant höher, während Diarrhö in der Sunitinib-Gruppe häufiger war (p < 0,05). Laut der Selbstauskunft der Patienten war die Lebensqualität in der Sunitinib-Gruppe signifikant höher als in der IFN-α-Gruppe (p < 0,001).
Pazopanib [27,28] wurde bei 435 Patienten getestet; 233 (54%) waren therapienaiv und 202 mit Zytokinen vorbehandelt (46%). Unter Pazopanib verlängerte sich das PFS im Vergleich zum Placebo in der gesamten Studienpopulation signifikant (medianes PFS: 9,2 vs. 4,2 Monate; Risikoquotient (HR): 0,46; 95%-KI: 0,34-0,62; p < 0,0001). Gleiches gilt für die therapienaive Subpopulation (medianes PFS: 11,1 vs. 2,8 Monate; HR: 0,40; 95%-KI: 0,27-0,60; p < 0,0001) sowie für die mit Zytokinen vorbehandelte Subpopulation (medianes PFS: 7,4 vs. 4,2 Monate; HR: 0,54; 95%-KI: 0,35-0,84; p < 0,001). Die objektive Ansprechrate betrug 30% unter Pazopanib und 3% unter dem Placebo (p < 0,001).
Eine Kombination aus Bevacizumab und IFN-α wurde mit einer Kombination aus einem Placebo und IFN-α verglichen [23,24]. Die mediane PFS-Dauer war in der Bevacizumab/IFN-α-Gruppe signifikant länger als in der Kontrollgruppe (10,2 vs. 5,4 Monate; HR: 0,63; 95%-KI: 0,52-0,75; p = 0,0001). Unter Bevacizumab plus IFN-α verlängerte sich das PFS unabhängig von der Risikogruppe des Patienten oder einer Reduktion der IFN-α-Dosis. Bei drei Todesfällen im Bevacizumab-Arm schlossen die Studienleiter einen Zusammenhang mit Bevacizumab nicht aus. Die häufigsten unerwünschten Ereignisse vom Schweregrad 3 oder höher waren das Fatigue (40 Patienten (12%) in der Bevacizumab-Gruppe vs. 25 (8%) in der Kontrollgruppe) und die Asthenie (34 (10%) vs. 20 (7%)). Eine Studie US-amerikanischer Wissenschaftler lieferte vergleichbare Ergebnisse (Tab. 3) [25,26].
Die PISCES-Studie war eine randomisierte Phase-II-Studie [29] zum Vergleich von Sunitinib und Pazopanib. Die Patienten waren gegenüber der medikamentösen Behandlung verblindet und erhielten zuerst das eine und anschließend das andere Arzneimittel für je 10 Wochen. Nach ihrer Präferenz für eine der Behandlungen befragt, gaben 70% der Patienten Pazopanib den Vorzug vor Sunitinib. Die Nichtunterlegenheit von Pazopanib gegenüber Sunitinib im Hinblick auf das PFS ist in einer Phase-III-Studie mit 1100 Patienten dokumentiert worden (COMPARZ-Studie) [30].
In einer randomisierten, kontrollierten Phase-III-Studie wurde Temsirolimus bei Patienten mit einem ungünstigen Risikoprofil mit IFN-α verglichen [31]. 626 Patienten mit einem metastasierenden RCC wurden in der dreiarmigen Studie im Verhältnis 1:1:1 randomisiert (Temsirolimus 25 mg vs. IFN-α allein vs. Temsirolimus 15 mg plus IFN-α). Mindestens drei der folgenden sechs Prädiktoren für eine geringe Überlebensdauer mussten vorliegen: ein Serum-LDH-Wert über dem 1,5-Fachen der Norm-Obergrenze; ein Hämoglobin-Wert unterhalb der Norm-Untergrenze; ein korrigierter Serum-Kalzium-Wert über 10 mg/dl (2,5 mmol/l); ein zeitlicher Abstand zwischen der Erstdiagnose des RCC und der Randomisierung von weniger als 1 Jahr; ein Karnofsky-Index von 60 oder 70%; Metastasen in mehreren Organen. An dieser Stelle ist zu beachten, dass zu 20% Patienten mit nichtklarzelliger Pathologie in die Studie aufgenommen wurden. Die Studienergebnisse sprachen für Temsirolimus, mit einem medianen PFS von 5,5 Monaten in der Temsirolimus-, 3,1 in der IFN-α- und 4,7 in der Kombinationstherapie-Gruppe (p < 0,001); das Gesamtüberleben betrug 10,9 Monate unter Temsirolimus, 7,3 unter IFN-α und 8,4 unter der Kombinationstherapie (p = 0,008).
Etwa 5-10% der Patienten mit einem ungünstigen Risikoprofil wurden in die oben genannten Phase-III-Studien zu Sunitinib [7,21], Pazopanib [27,28] und Bevacizumab/IFN [23,24,25,26] aufgenommen. Diese Studien waren zwar nicht darauf ausgelegt, Argumente für oder gegen die Anwendung dieser Mittel bei Hochrisiko-Patienten zu sammeln, ergaben aber dennoch Anhaltspunkte für eine Behandlung mit einer zielgerichteten Anti-VEGF-Therapie in solchen Fällen.
Zweite Therapielinie
Die meisten Patienten erhalten in erster Therapielinie eine gegen VEGF gerichtete Therapie. Die beste Evidenz für die Zweitlinientherapie liegt für Everolimus [32,33] und Axitinib [34,35] vor. In Tabelle 4 sind die wichtigsten Ergebnisse der Phase-III-Studien hierzu zusammengefasst. Everolimus wurde im Vergleich zu einem Placebo untersucht und zeigte ein mittleres PFS von 4,9 gegenüber 1,9 Monaten (p < 0,001). Schwerwiegende unerwünschte Ereignisse, die bei ≥5% der Patienten unter Everolimus auftraten, waren Infektionen (alle Arten; 10%), die Dyspnoe (7%) und Fatigue (5%). Das mediane Gesamtüberleben betrug 14,8 (Everolimus) gegenüber 14,4 Monaten (Placebo; HR: 0,87; p = 0,162), wobei 80% der Patienten aus dem Placebo- in den Everolimus-Arm wechselten [32,33].
Ergebnisse aus Phase-III-Studien zu zielgerichteten Therapien der zweiten oder höherer Linie beim metastasierenden RCC

Axitinib wurde mit Sorafenib verglichen; die Studienpopulation umfasste 723 Patienten [34,35]. Die meisten Patienten waren mit einer zielgerichteten Anti-VEGF-Therapie vorbehandelt, aber rund 35% hatten zuvor eine Zytokin-Therapie erhalten. Das Gesamtüberleben war in dieser Population vergleichbar (20 vs. 19 Monate). Bei den mit Zytokinen vorbehandelten Patienten bestand ein signifikanter Unterschied zugunsten von Axitinib (12,1 vs. 6,5 Monate; p < 0,001); bei den mit Anti-Antigenen vorbehandelten Patienten war der Unterschied weniger deutlich (4,8 vs. 3,4 Monate; p = 0,01).
Zwei Studien lieferten bemerkenswerte Erkenntnisse zur Anwendung von mTOR-Hemmern. Die INTORSECT-Studie war eine randomisierte Phase-III-Studie, in der Temsirolimus und Sorafenib als Zweitlinientherapien gegenübergestellt wurden. Der primäre Endpunkt war das PFS, wofür unter beiden Wirkstoffen vergleichbare Ergebnisse verzeichnet wurden (4,3 Monate unter Temsirolimus vs. 3,9 Monate unter Sorafenib). Beim Gesamtüberleben hingegen, das einer der sekundären Endpunkte war, zeigte sich mit 16,6 gegenüber 12,3 Monaten ein signifikanter Unterschied zugunsten von Sorafenib [36].
In der Record-3-Studie wurden Everolimus und Sunitinib alternativ als Erst- und Zweitlinientherapien in einer sequenziellen Anordnung untersucht (geplantes Crossover-Verfahren nach einer Progression unter der Erstlinientherapie) [37]. Die randomisierte Phase-II-Studie mit 471 Teilnehmern ergab in der Erstlinientherapie für Sunitinib ein medianes PFS von 10,7 Monaten im Vergleich zu 7,8 Monaten für Everolimus. Bemerkenswerterweise betrug die mediane Gesamtüberlebenszeit unter der Erstlinientherapie mit Everolimus 22 Monate gegenüber 32 Monaten unter Sunitinib. Der Nachweis der Nichtunterlegenheit von Everolimus beim PFS in der Erstlinientherapie wurde in dieser Studie nicht erreicht. Daher stellen mTOR-Hemmer eine Option für die zweite Therapielinie dar.
Dritte Therapielinie
Zur Drittlinientherapie liegen bisher wenige prospektive Daten vor. Dovitinib, das derzeit in der Behandlung des metastasierenden RCC geprüft wird, ist ein Kandidat für die Drittlinientherapie. In einer Phase-III-Studie erhielten Patienten, die mit einer zielgerichteten Anti-VEGF-Therapie und einem mTOR-Hemmer vorbehandelt waren, randomisiert Dovitinib oder Sorafenib . Für diese Studie mit dem Titel GOLD ist die Rekrutierung abgeschlossen; erste Ergebnisse wurden kürzlich bei der ECCO-ESMO-Tagung 2013 vorgestellt. Die Daten belegen die gleiche Wirksamkeit beider Tyrosinkinase-Inhibitoren (TKIs) und etablieren für diese Wirkstoffe erstmals ein Wirksamkeits- und Sicherheitsprofil in der dritten Therapielinie nach einer Anti-VEGF- und einer mTOR-Hemmer-Therapie [38]. Die RECORD1-Studie [32,33], in die Patienten mit einer oder zwei vorhergehenden TKI-Therapien aufgenommen wurden, ergab für beide Gruppen einen signifikanten Nutzen bezüglich des PFS. Daher kann Everolimus als Drittlinientherapie nach zwei TKIs in Betracht gezogen werden. Die derzeit zugelassenen Therapieoptionen in der ersten, zweiten und dritten Linie sind in Tabelle 5 zusammengefasst.
Algorithmus für die systemische Therapie beim metastasierenden RCC gemäß ESMO Clinical Practice Guidelines [5]
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Einschränkungen der zielgerichteten Therapien
Trotz der großen Fortschritte in den letzten Jahren sind noch viele Fragen offen und viele Herausforderungen zu bewältigen. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die Toxizität, den Mangel an prädiktiven Faktoren für das Ansprechen, die Schwierigkeiten bei der Beurteilung des Ansprechens sowie Resistenzen gegen die Erst- oder Zweitlinientherapie.
Toxizität
Trotz ihres zielgenauen Wirkungsmechanismus rufen zielgerichtete Therapeutika ein breites Spektrum an Nebenwirkungen hervor. In Tabelle 6 sind die wichtigsten Grad-3- und Grad-4-Toxizitäten aufgeführt, die in den großen randomisierten Studien aufgetreten sind. Hier sind insbesondere die Asthenie, die gastrointestinale Toxizität, Appetitlosigkeit, die Mukositis und Hautveränderungen zu nennen. Eine Vielzahl von Studien beschäftigte sich mit der Verringerung der Inzidenz oder der Intensität von Nebenwirkungen sowie mit der Linderung von Beschwerden der Patienten durch supportive Maßnahmen [39,40]. Das Management der Toxizität ist von entscheidender Bedeutung, denn Therapieunterbrechungen und -verzögerungen aufgrund von Toxizität sind mit schlechten Behandlungsergebnissen in Verbindung gebracht worden. Einige Nebenwirkungen treten selten auf, sind aber relevant, wenn sie zu Organschäden und zum Tod führen. Die folgenden Nebenwirkungen sind beispielsweise mit Sunitinib in Zusammenhang gebracht worden: Multiorganversagen, disseminierte intravasale Koagulation, Rhabdomyolyse, Schlaganfall, Nebenniereninsuffizienz, Schock und plötzlicher Tod.
Prädiktive Faktoren
Bedauerlicherweise ist bisher kein prädiktiver Faktor zur Auswahl von Patienten für die systemische Behandlung allgemein anerkannt. Nachstehend sind Beispiele für Faktoren aufgeführt, die bereits untersucht worden sind.
Die VEGF-Konzentration im Blut erwies sich nicht als prädiktiv für die Wirksamkeit [41]. Etwas ermutigender waren die Daten für den Gewebeinhibitor der Metalloproteinase 1, die in der TARGET-Studie zu Sorafenib erhoben wurden [42]. Eine auf VEGF, Osteopontin, Carboanhydrase 9, VEGFR2 und TNF basierende Proteinsignatur scheint bei Patienten, die mit Sorafenib behandelt wurden, mit dem PFS zu korrelieren [43].
Klinische Nebenwirkungen sind mit Behandlungseffekten in Verbindung gebracht worden. Anhand von retrospektiven Daten wurden die Hypertonie, die Hyperthyreose und das Hand-Fuß-Syndrom ausgewertet und ein prädiktiver Wert nachgewiesen [44,45,46]. Bei einem erheblichen Anteil der Patienten treten jedoch nicht viele Nebenwirkungen auf; dennoch sprechen sie recht gut auf die Behandlung an. Deshalb ist der klinische Wert dieser Indikatoren beschränkt.
Radiologische Kriterien für das Ansprechen
Für den Bereich der zytotoxischen Therapien wurden RECIST-Kriterien entwickelt [47]. Ihr Nutzen für die Beurteilung antiangiogener Therapien könnte allerdings begrenzt sein, da sie lediglich die Verkleinerung und nicht die Tumornekrose berücksichtigen, die von diesen Mitteln vor allem induziert wird. Neue, von Choi et al. [48] vorgeschlagene Kriterien wurden zunächst auf gastrointestinale Stromatumoren angewendet. Sie berücksichtigen das Tumorvolumen, aber auch Veränderungen hinsichtlich der Dichte des Tumors im kontrastmittelverstärkten CT-Scan (gemessen in Hounsfield-Einheiten), worin sich die Lebensfähigkeit der Tumorzellen widerspiegelt. Diese CT-basierten Kriterien, aber auch andere bildgebende Verfahren wie die dynamische kontrastverstärkte MRT oder die Sonografie und die Diffusions-MRT werden derzeit im Rahmen klinischer Studien untersucht [49]. Aus den jüngsten Entwicklungen in der Nuklearmedizin - mit neuen «Radiotracern» wie 18F-Fluormisonidazol (FMISO) als Hypoxie-Marker oder 18F-Fluor-L-Thymidin (FLT) als Proliferationsmarker - könnten neue Instrumente für die Vorhersage des Ansprechens auf zielgerichtete Therapien beim RCC hervorgehen: beispielsweise die FMISO-PET und die FLT-PET [50].
Resistenz
Bei einer Minderheit der Patienten besitzt der Tumor eine intrinsische Resistenz, doch in der Mehrheit der Fälle bilden sich Resistenzen erst nach anfänglichem Ansprechen - häufig nach 6-12 Monaten [7,35]. Typischerweise geht der Tumorprogression eine Revaskularisierung voraus. Der zugrunde liegende Mechanismus ist nicht vollständig geklärt, doch vom nekrotischen Zentrum des Tumors wird HIF-1α ausgeschüttet, was zu erhöhten VEGF- und PGF-Konzentrationen führt [51,52].
Ähnliche Überlegungen lassen sich zur Resistenz gegenüber mTOR-Hemmern anstellen, da auch diese Wirkstoffe bei der Angiogenese ansetzen. Aber auch andere Mechanismen wie die Aktivierung, Mutation oder Phosphorylierung von AKT über den Rezeptor des insulinähnlichen Wachstumsfaktors 1 könnten letztlich zur mTOR-Resistenz führen [53]. Die Entschlüsselung dieser Resistenzmechanismen ist von entscheidender Bedeutung für die Entwicklung einer optimalen Therapiesequenz bei Tumoren mit Resistenzen gegen die erste oder zweite Therapielinie.
Adjuvante und neoadjuvante Therapien
Patienten, bei denen ein lokal fortgeschrittenes RCC diagnostiziert wurde, unterliegen einem erheblichen Risiko für eine systemische Rezidivierung. Es gibt mehrere Modelle zur Vorhersage des Rezidivrisikos; bei einigen Patienten kann das Risiko eines Rückfalls nach einer lokalen Behandlung bis zu 90% betragen. Daher ist es für Patienten und Ärzte unbefriedigend, dass keine Therapieoptionen verfügbar sind, um das Rezidivrisiko zu reduzieren, wie es bei der routinemäßigen frühen adjuvanten Behandlung vieler Tumorarten der Fall ist. Unglücklicherweise liegen bisher keine Daten vor, die eine solche Strategie unterstützen würden. Derzeit laufen mehrere randomisierte Phase-III-Studien zu Sorafenib, Sunitinib, Bevacizumab und Everolimus. Die Ergebnisse werden mit Spannung erwartet, liegen aber frühestens in 12-36 Monaten vor. In Ermangelung belastbarer Evidenz kann die adjuvante Behandlung nicht empfohlen werden.
Gleiches gilt für die neoadjuvante Therapie. Patienten mit lokal fortgeschrittenen Tumoren, insbesondere mit einem Vena-Cava-Thrombus, profitieren nur gelegentlich in Form eines «Downstaging» oder einer Verkleinerung des Tumors [54]. Daher sollte der neoadjuvante Ansatz nur bei initial inoperablen Fällen angewendet werden; dabei besteht die Hoffnung, dass die Läsion sich signifikant zurückbildet und so eine radikale Nephrektomie möglich wird. In Studien zu neoadjuvanten Therapien wird derzeit das Potenzial für Nephron schonende Strategien wie die Kryotherapie ausgelotet [55].
Nichtklarzellige Histologie
Die großen Fortschritte, die beim Targeting des VEGF- oder des mTOR-Signalwegs gemacht worden sind, gelten nur für RCCs mit klarzelliger Histologie. Patienten mit weniger häufigen Histologien wie dem papillaren RCC, dem chromophoben RCC und anderen sind in Studien nur marginal untersucht worden. Die europäischen Empfehlungen [5,] ebenso wie die des National Comprehensive Cancer Network [56,] sagen über die nichtklarzelligen Subtypen derzeit nicht viel aus. Für diese Patienten sollten unbedingt solide aufgebaute, große klinische Studien durchgeführt werden.
Ausblick
Angesichts der neuesten Ergebnisse aus randomisierten Studien zu neuen TKIs wie Tivozanib [57] scheint bei der Verlängerung des PFS durch Anti-VEGF-Therapien keine Steigerung mehr möglich zu sein. Darum müssen neue Wege beschritten werden. Inhibitoren von c-Met [58] wie Cabozantinib [59] und Tivantinib werden derzeit klinisch geprüft. Von besonderem Interesse sind auch der Checkpoint-Blockade-Inhibitor PD1 und PDL1-Antikörper [60]. Für BMS-936559 wurde beispielsweise eine signifikante vorläufige Aktivität bei der Behandlung des RCC nachgewiesen; aktuell wird die Substanz in einer randomisierten Phase-III-Studie im Vergleich zu Everolimus bei Patienten untersucht, die zuvor mit TKIs behandelt wurden [61]. Diese Entwicklung ist sehr vielversprechend, da diese Wirkstoffe ein lang anhaltendes Ansprechen bewirken könnten - im Gegensatz zu der vorübergehenden Stabilisierung der Erkrankung unter den bisherigen zielgerichteten Therapien.
Schlussfolgerung
Seit 2005 hat sich die RCC-Therapie enorm weiterentwickelt; 7 neue zielgerichtete Therapien sind bereits zugelassen. Dies hat zu einer signifikanten Verbesserung des PFS und des Gesamtüberlebens geführt. Die Wirkmechanismen und auch die Mechanismen der Resistenzentwicklung sind teilweise aufgeklärt. Viele Herausforderungen bestehen weiterhin, da die Patienten nach einer begrenzten Zeit progredieren; die Prognose ist immer noch düster. Um die Arzneimittelentwicklung zu beschleunigen, sind optimale Response-Kriterien erforderlich. Gegenwärtig werden viele neue Therapien und Signalwege erforscht [62]. Zu den vielversprechendsten zählen Immuntherapien mit Checkpoint-Inhibitoren und Tumorvakzinen [63]. Die Patienten sollten dazu ermuntert werden, sich an der weiteren Entwicklung zu beteiligen, indem sie an klinischen Studien teilnehmen.